PRODUKTE24. Juli 2019

X-Pay: Das steckt hinter den Plänen der deutschen Kreditwirtschaft für einen neuen Zahlungsdienst

X-Pay-Schnittstelle soll Online-Käufe vereinheitlichen
maxxyustas / Bigstock

Die deutschen Banken arbeiten einem Gemeinschaftsprojekt, einer Schnittstelle namens X-Pay – die der Girocard nutzen könnte – und dabei gar nicht mal nicht das Ende von Paydirekt bedeuten muss, obwohl das derzeit diskutiert wird. Dieser gesammelte Ansatz, der einer Quadratur des Kreises gleichkommt und allen Beteiligten einiges an Kompromissbereitschaft abverlangt, könnte vor allem gut für die Mehrzahl der Kunden sein, die schon lange nicht mehr durchblickt angesichts der großen Zahl an Services, Bezahldiensten und Banking-Angeboten.

Die deutsche Kreditwirtschaft kämpft seit Jahren gegen übermächtige Gegner aus dem Silicon Valley – und dagegen, dass diese meist mit einer Kreditkarte agieren, nicht mit der hierzulande so verbreiteten Girocard, die für viele Nutzer immer noch die EC-Karte ist. Jetzt haben die Banken laut Medieninformationen ein Projekt unter dem Arbeitstitel X-Pay am Start – der Begriff „DK“ für digitale Kreditwirtschaft tauchte bereits in der Vergangenheit auf. Die Deutsche Kreditwirtschaft unternimmt somit einen neuen Versuch, ihre Zahlungsverkehrsstrategie zu sortieren. Im Ergebnis könnte ein neues Bezahlverfahren entstehen, das allen Ansprüchen gerecht werden soll: Vom Online-Shop bis zur Ladentheke – überall soll man einfach und sicher bezahlen können.

Die Deutsche Kreditwirtschaft gibt sich auf Anfrage von IT-Finanzmagazin eher schmalllippig und bleibt, wohlvollend formuliert, eher vage: „Banken und Sparkassen arbeiten im Bereich Zahlungsverkehr schon lange erfolgreich zusammen. Neben der Girocard, seit bald 30 Jahren am deutschen Markt etabliert, zählen Paydirekt und Giropay als neuere Verfahren zu den Lösungen der Banken und Sparkassen im Bereich Zahlungsverkehr …

… Zudem ist die Deutsche Kreditwirtschaft Teil des ‚Forums Zahlungsverkehr‘ und Mitgestalter neuer Standards im Bereich Electronic Banking wie der PSD2, die Basis für europaweite Interoperabilität sind. Auch in Zukunft werden sich Verbände und Mitgliedsinstitute zu den Lösungen, technologischen Entwicklungen, regulatorischen Fragestellungen und europäischen Entwicklungen austauschen.“

Deutsche Kreditwirtschaft

Fakt ist, mit Ausnahme der Girocard hatten die bisherigen Initiativen der Kreditwirtschaft oder Teile davon keinen marktdurchbrechenden Erfolg. Stattdessen hat man eine Vielzahl an Produkten geschaffen, die mehr oder weniger stark genutzt werden: Paydirekt, Giropay, Kwit, Girocard. Ziel ist nun vor allem die Bündelung der verschiedenen Payment-Angebote der Sparkassen und Genobanken – entweder nachdem die bestehenden Angebote entsprechend angepasast wurden oder gleich mit Ausbau und stufenweiser Anpassung danach.

Die Quadratur des Kreises: Alle wollen alles – und Kompromissbereitschaft ist gefragt

So oder so gleicht das Vorhaben aber auch der Quadratur des Kreises: Es soll sicher sein, die Usabililty darf nicht darunter leiden, es muss online und am POS einsetzbar sein, es darf nichts kosten aber soll Erträge für die Banken generieren – und am besten soll es auch noch Instant Payment unterstützten und europäisch sein. Sie merken schon, das wird schwierig bis unmöglich.

Im Moment tendiert das Konsortium offenbar zu einem neuen Produkt, das from scratch entwickelt wird. Der Arbeitstitel „X-Pay“ bezeichnet dabei die Schnittstelle, um die es geht (und wird dem SEO-Experten eines gleichnamigen Münchner Startups dieser Tage Tränen in die Augen treiben). Im Rahmen von X-Pay soll nicht nur das neue Bezahlverfahren angeboten werden, sondern auch die bestehenden erreichbar sein – zumindest solange, bis eine Migration der Händler auf das neue Verfahren stattgefunden hat. Spekuliert wird weiterhin darüber, was die Basis des neuen Verfahrens sein könnte: das Girocard-Scheme oder doch die neue PSD2-Schnittstelle?

Kein Abgesang auf Paydirekt

Die Eingabe von Benutzername und Passwort soll ab heute der Vergangenheit angehörenpaydirekt

Wenn die bestehenden Angebote unter einem neuen Dach zusammengeführt werden, dann könnte das das Ende von Paydirekt bedeuten. Das muss aber nicht so sein, denn Paydirekt hat auch einiges an Technologie im Hintergrund zu bieten. Eine Schnittstelle eventuell?

Paydirekt ist aber bisher nicht zum Selbstläufer geworden und auch die mehr oder weniger inoffiziellen Nutzungszahlen lassen niemanden euphorisch werden. Die 40.000 Transaktionen im Monat, die aus dem September 2018 im Raum stehen, können auf Dauer eigentlich nicht den teilnehmenden Banken gefallen (und tun es auch nicht, wie man aus den unterschiedlichsten Häusern hört).

Vieles wurde bei Paydirekt nur mit üppigen Werbekostenzuschüssen an die Händler und Subventionen (Preisnachlässe bei Nutzung von Paydirekt als Zahlungsmittel) realisiert. Und dann steht da ja noch die Kündigung einiger privater Banken im Raum, die Anfang 2019 für Ende des Jahres ausgesprochen wurde. Wer die Anteile von ING, HVB, Targobank und Co. in Zukunft verteilt werden, ist zumindest offiziell noch nicht bekannt. Ursprünglich gab es eine Drittelparität zwischen privaten Banken (kleinere Poolbanken, Deutsche Bank mit Postbank sowie Commerzbank mit Comdirect), Sparkassen und Genobanken (über die DZ-Bank). Wie es damit weitergeht – unklar.

Kommt mit X-Pay das Girocard-Ökosystem?

Und doch ist Paydirekt ein Politikum für die deutsche Bankenwelt. Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Konkurrenz von Paypal, Google, Apple (und nicht zuletzt irgendwann auch Amazon) ist allgegenwärtig und die digitalen Bezahlangebote einzelner Banken – dazu zählen etwa Kwitt, aber auch Giropay, das lange vor Paydirekt an den Start ging und vor allem aus politischen Gründen den Kürzeren zog. Und dann ist da noch die Girocard, die man immer noch nicht digitalisiert hat und die aber zumindest für den Onlinehandel aufgerüstet werden soll. Die würde sich als Marke dafür regelrecht aufdrängen.

Warum also nicht alles in Einem, hat man sich zu Recht gefragt. Der Kunde wird durch die Vielzahl an Möglichkeiten eher verwirrt, so dass die Kampagne und das Credo der Banken eigentlich heißen müsste „eines für alles“ – und auf dem aufbauen, was der Kunde bereits hat: sein Girokonto. Ob der Zeitpunkt zum Start der PSD2-Umsetzung geschickt gewählt ist, lassen wir mal offen – immerhin ist im September der Start einer Zeit, die den Banken reichlich Konkurrenz von Fintech-Lösungen bringt, die auf Augenhöhe nun auch Zahlungen ausführen und Kontostände abrufen können. Vielleicht ist es gerade da die richtige Strategie, den verwirrten Kunden an der Hand zu nehmen und ihm angesichts des Überangebots zu signalisieren, dass es eine einfache Lösung für alles gibt.tw

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