Wieviel FinTech ist eigentlich in Wirecard?
Der Begriff FinTech wird von Wikipedia folgendermaßen definiert: „Abkürzung für Finanztechnologie und Sammelbegriff für technologisch weiterentwickelte Finanzinnovationen, die in neuen Finanzinstrumenten, -dienstleistungen oder -intermediären resultieren bzw. technologische Finanzinnovationen anbieten.“ – Was davon trifft auf Wirecard zu?
von Rudolf Linsenbarth
Als Ingenieur ist meine Assoziation von Technologie meist etwas weitergehend. Ich sehe da vor allem die eigentliche Technik wie die Entwicklung von kryptografischen Lösungen, mit denen Transaktionen autorisiert werden können und ähnliches. Die Wikipedia-Definition, entspricht aber dem, was in der Szene im Allgemeinen darunter verstanden wird.Gehen wir also zuerst zurück zu den Anfängen von Wirecard und betrachten, wie das Unternehmen dahin gekommen ist, wo es zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs stand.
Der Ursprung von Wirecard war die Risikobewertung und Abwicklung von Echtzeit-Zahlungen im Internet.”
An die Börse kam das Unternehmen, indem es auf die Berliner InfoGenie AG, einem Dienstleister für telefonische Ratgeber-Hotlines, verschmolzen wurde. Die neue InfoGenie wurde anschließend in Wirecard umbenannt.
Durch die Übernahme der Xcom Bank im Januar 2006 konnte die Wertschöpfungskette im Zahlungsverkehr erheblich ausgeweitet werden. Bei dem Namen XCOM mag es bei einigen Lesern möglicherweise klingeln. Genau das war ein anderes FinTech aus dem Nordrhein Westfälischen Willich. Ein Softwareunternehmen als Spezialist für Lösungen in den Sparten Börsenhandel, Börsenabwicklung, Elektronic Banking, Datenlogistik und Datenkommunikation.
In unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Verkauf der XCOM Bank an Wirecard wurde von der XCOM mit der BIW Bank ein neues Finanzinstitut gegründet (wir erinnern uns an das Mobile Payment Produkt Kesh). Im März 2015 erwarb die Flatex AG (damals unter dem Namen FinTech Group) die Mehrheitsbeteiligung an der XCOM AG. Damit verschaffte der vielleicht eigentliche Technische Innovator zum zweiten Mal einem schillernden Unternehmen den Eintritt in die „Vollbank Welt”.
Später folgte der Einstieg ins Mobile Payment. Nachdem viele Banken den Mobilfunkunternehmen die kalte Schulter zeigten, bot Wirecard hierfür seine Prepaid-Karten an. Dieses Setup wurde zuerst mit Vodafone umgesetzt und dann auf alle anderen deutschen Mobilfunkunternehmen übertragen. Nach dem Ende der Kooperation mit den Mobilfunkern war Wirecard die erste Bank in Deutschland, die eine funktionierende HCE Mobile-Payment-Lösung für Endkunden im Programm hatte.
Wirecard war auch unter den ersten, die Ihren Händlerkunden die Annahme von Zahlungen mit Alipay und WeChat Pay boten.
Ein anderer neuer Bereich war schließlich, die anfallenden Zahlungsdaten für den Handel zu nutzen. Kurz vor der Insolvenz wurde dazu das Berliner Startup SO1 übernommen.
Darüber hinaus half Wirecard als White Label Bank vielen anderen FinTechs in den Sattel.
Im Rückspiegel sehe ich ein Unternehmen mit fortschrittlichen Einzellösungen. Allerdings hatte Wirecard auch immer mit der Integration der vielen Zukäufe zu kämpfen. Ausnahme High Tech kam dabei jedenfalls nicht zum Zug. “
Die technische Lücke, die Wirecard im FinTech-Segment hinterlässt, kann zügig geschlossen werden.
Was Wirecard auszeichnete, war ein Riecher für aktuelle Trends und der Wille, neue Ideen in Produkte zu gießen.
Die Wirecard Bank betreibt übrigens ihr Kernbank-System im genossenschaftlichen Rechenzentrum mit deren Software. Als Volksbank würde ich mich schon fragen:
Warum ist eine Bank, die auf demselben Nucleus aufsetzt, mit einer derart anderen Umsetzungsgeschwindigkeit unterwegs?
Vielleicht ist dafür dann doch ein FinTech-Gen notwendig. Denn auch wenn Wirecard jetzt letztendlich an Betrug gescheitert ist und dadurch möglicherweise vom Markt verschwindet, für die aktuellen Probleme der Banken gilt das nicht!Rudolf Linsenbarth
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