Die leise Revolution: Werden Facebook-Chatbots die neuen Versicherungsberater?
Tech- und Marketing-Medien überschlagen sich, wenn es um das Thema Chatbots geht. Einige IT‑Experten wagen einen Blick in die Zukunft und prophezeien, dass Bots, die uns bekannten Apps ablösen werden. Ein spannender Blick in die heute schon mögliche Praxis – und welche Fallen lauern.
von Dennie Liemen, Vorstand Beratungswerk24 AG
Selbstverständlich sind wir noch sehr weit davon entfernt, komplexe Sachverhalte über Chatbots abzubilden. Jedoch gibt es in den USA erste Unternehmungen, die die Branche mittels Messenger entstauben wollen.
Per Facebook-Chatbot zu neuen Kunden
Das InsurTech-Startup Insurify ermöglicht es beispielsweise, mittels Facebook Chatbot die Kfz-Versicherung zu wechseln. Ein Foto des Nummerschilds und die Beantwortung weniger Fragen reichen, um eine Sammlung an Empfehlungen zu erhalten. Mit dieser Idee, die sich aktuell noch im Beta-Status befindet, hat die junge Gründerin bereits Investoren gewonnen. Ob das mit den Versicherungsnehmern klappt, steht noch in den Sternen.
Via WeChat kann man in China seit 2014 per App eine Versicherung abschließen
Auch in China ist das Thema Versicherung und Instant Messaging kein unbeschriebenes Blatt mehr. Mittels WeChat, dem meistgenutzten Messenger im chinesischen Raum, konnten Nutzer bereits 2014 über die App eine Versicherung gegen bösartige Tumore abschließen. Dafür mussten sie nur einen Yuan zahlen und erhielten je nach Alter eine Absicherung zwischen 300 und 1000 Yuan mit der Laufzeit von einem Jahr. Die Summe der Absicherung konnte noch gesteigert werden, indem man seine Freunde auf die Möglichkeit aufmerksam machte und diese sich ebenfalls für diese Versicherung entschieden. Insgesamt konnte die eigene Absicherung auf 10.000 Yuan aufgestockt werden. Sieht man davon ab, dass es sich bei dieser Aktion eher um eine Marketingkampagne der chinesischen Versicherungsgesellschaft Taikang handelt, erkennt man auch hier, welche Möglichkeiten in den Messengern stecken können.
ERGO Direkt und Deutsche InsurTechs gehen den Chat-Weg – allerdings analog
In Deutschland versuchen sich derzeit InsureTech-Startups wie Insurgram im Umgang mit dem Facebook Messenger. In Zusammenarbeit mit der ERGO Direkt bietet das junge Unternehmen aktuell private Haftpflicht-, Auslandsreisekranken- und Zahnzusatzversicherungen via Chat an. Aber wer denkt, dass wird durch einen digitalen Kundenberater gelöst, der täuscht sich. Jede Chatanfrage wird von einem menschlichen Ansprechpartner bearbeitet und gegebenenfalls an die ERGO Direkt weitergeleitet. Das soll sich zwar in Zukunft ändern, aber bis es soweit ist, sucht man noch vergebens den künstlichen Versicherungsberater.
Dabei könnten die großen Versicherungsgesellschaften ihren langsam in Gang gesetzten Digitalisierungsprozess nutzen, um die damit entstehenden Schnittstellen chatbottauglich zu machen.
Denn grundsätzlich sind Chatbots erstmal nichts anderes als eine clevere Art des Kontaktformulars, das im besten Fall sofort mit der richtigen Antwort auf den Nutzer reagiert.”
Bereits heute ermöglichen Werkzeuge, wie das aus Kalifornien stammende Chatfuel, die Erstellung eigener Bots ohne Programmieraufwand. Wer aber ohne vorherige Planung blind drauflos baut, kann sich ins eigene Fleisch schneiden.
Stolperfallen sind Ressourcen und Antwortqualität
Egal ob ein Chatbot via Facebook Messenger oder dem eigenen Chat auf der Webseite eingesetzt wird: Statt mehrere Minuten auf der Website nach der passenden Antwort zu suchen, dürften viele Nutzer die Abkürzung über den digitalen Assistenten dankend annehmen. Jedoch sollte dabei im Hinterkopf behalten werden, dass es dabei zu einem erhöhten Aufkommen an Nutzeranfragen kommen kann.
Vor allem bei den jüngeren Generationen wird bei generellen Fragen eher zum Social Media-Kontakt anstatt dem Telefonhörer gegriffen.”
Wer hat auch schon Lust, lange in einer Warteschleife festzustecken?
Hybride Modelle sind im Vorteil: Chatbot plus Mensch
Außerdem sollte bedacht werden, was passiert, wenn der Bot keine Antwort auf die Kundenanfrage weiß. Diese Fragen sollten keinesfalls unbeantwortet bleiben, sondern besser an einen menschlichen Kollegen weitergeleitet werden. Nimmt man nun das gestiegenen Aufkommen der Nutzerfragen, kann dies unter Umständen mehr menschliche Ressourcen binden, als – wie gewünscht – freimachen. Daher sollte vor dem Einsatz eines Bots sichergestellt werden, ob die Ressourcen vorhanden sind oder ob ein Bot mehr Arbeit für die Service-Mitarbeiter bedeuten. Sonst werden die Warteschlangen an der Hotline nicht kürzer, sondern im schlimmsten Fall noch länger.
Wer anstelle eines Facebook Chatbots einen künstlichen Assistenten auf der eigenen Webseite einsetzt, kann mit unbefriedigenden Antworten zum Seitenabsprung des Nutzers beitragen.”
Ein Nutzer, der mit einer Antwort beziehungsweise deren Qualität unzufrieden ist, wird die Seite eher verlassen und gegebenenfalls bei einem Wettbewerber nach einer besseren Antwort suchen. Daher sollten die Frage-Antwort-Möglichkeiten gut überlegt sein. Wer bereits ausführliche und gut strukturierte Informationen oder einen FAQ-Bereich auf seiner Webseite bereitstellt, kann auf diese Seiten verweisen beziehungsweise diese zitieren.
Kommt es zu komplexeren Themen, sind die Sorgen vieler Berater unbegründet.”
Mit Sicherheit wird es in Zukunft entsprechende Entwicklungen geben. Vielleicht durch eine Kooperation zwischen etabliertem Versicherer und jungem Startup, wie im Fall Insurgram. Solange das aber noch auf sich warten lässt, werden die Versicherungsnehmer weiterhin den Versicherungsberater aus Fleisch und Blut bevorzugen.aj
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/34341
Schreiben Sie einen Kommentar