weFinance – der neue digitale Point of Sale für Finanzdienstleistungen: Interview zur Zukunft der Filiale
Serviceplan hat im Haus der Kommunikation (München) den digitalisierten Point of Sale für Finanzdienstleistungen entwickelt, genannt “weFinance, der digitale Point of Sale für Finanzdienstleistungen” (Pressemitteilung). Das Konzept könnte der neue Flagship-Store der Finanzwirtschaft werden, in dem neue Arten des Vertriebs ausprobiert werden können – und zwar für Banken und Versicherer. Wir haben mit Ronald Focken, Geschäftsführer der Serviceplan Gruppe gesprochen, um dem neuen Angebot ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
Herr Focken, sind Ihnen Bankfilialen zu langweilig?
Ehrlich gesagt, ja. Zwar gehe ich nicht lieber zum Zahnarzt als in eine Bankfiliale – dies trifft laut einer Studie von EY auf Millennials zu – aber ich gebe zu, dass mich die in der Regel kühle und wenig einladende Atmosphäre einer klassischen Bankfiliale nicht unbedingt anzieht.
Also wollen Sie die Bankfiliale abschaffen?
Nein, im Gegenteil. Wir wollen die Bankfiliale nicht abschaffen, sondern verändern.
Unsere Botschaft lautet, dass der Point of Sale dieser Branche sich endlich transformieren und die reale Fläche so gestaltet werden muss, dass Menschen (wieder) gerne hingehen.”
Es muss einen Mehrwert zum Online-Banking geben, der sich nicht nur im persönlichen Kontakt zu einem Berater darstellt, sondern in ganz neuen Ansätzen: dazu zählen etwa moderne, unterhaltende Werkzeuge sowie Emotionalisierung auf ganzer Länge. Eine Möglichkeit wären hier Live-Schaltungen zu Börsen-Experten.
Was ist neu an einer weFinance-Filiale?
weFinance ist ein Ort der Begegnung. Menschen sollen hier auf unterhaltsame Art und Weise in Berührung mit Finanzprodukten kommen – ohne die verstaubte Situation „Berater – Tisch – Papierkram – Kunde“. Die Beschäftigung mit Finanzprodukten ist per se eine eher ungeliebte. Dies ist in meinen Augen aber zu einem Großteil dem Auftreten der Anbieter geschuldet.
In den USA haben die Menschen eine viel höhere Affinität zu Finanzprodukten, weil sie ihnen anders kommuniziert werden. Dort wird lockerer und spielerischer
mit der Materie umgegangen.”
Spielerisch? Aber schaden unterhaltende Ansätze nicht dem Bankenimage – Stichwort: Vertrauen und Ernsthaftigkeit?
Nein, ganz und gar nicht. Es geht darum, harte Fakten unterhaltsam zu vermitteln. Dass die Ernsthaftigkeit des Finanzsektors eher vermeintlich mit Vertrauen zu tun hat, wissen wir spätestens seit der Finanzkrise. Letztlich ist es Emotionalisierung, die Vertrauen schafft. Das Gefühl, dazu zu gehören, verstanden zu werden, selbst zu verstehen, sich mit der Materie auseinandersetzen zu können – all dies sind Dinge, die Vertrauen schaffen. Und letztlich auch der persönliche Kontakt.
Daher glauben wir auch an die Filiale. Sie und die dort anwesenden Berater sind definitiv unerlässlich. Nur eben in anderer Form.”
Das heißt sie wollen Bank- und Versicherungsfiliale in Teilen verschmelzen? Geht das?
Banken haben schon immer Versicherungsleistungen im Angebot. Bei weFinance sprechen wir ja vom digitalisierten Point of Sale für Finanzdienstleistungen. Er soll Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit Aktien, Wertpapieren, Investitionen in Fonds, Finanzierungen oder eben auch Versicherungen sein – keine Frage, dass die herkömmliche Überweisung auch weiterhin mobil getätigt werden wird. Speziellere Finanzgeschäfte jedoch brauchen eine neue Plattform.
Nun geht der Trend bei Banken bestenfalls in Richtung “Bediente Selbstbedienung” aber mehr noch zur Kostenreduzierung. Wie möchten Sie Banken und Versicherer dazu bringen, in ein neues Konzept zu investieren?
Banken haben heute kaum noch Kontaktpunkte zum Kunden. Es muss Gründe geben, wieder in eine Filiale zu kommen. Heute bedarf es ganz anderer kommunikativer Prozesse und Wege als noch vor 15 Jahren. Es gibt neue Kanäle, neue Technologien und neue Wünsche seitens der Kunden, wie sie angesprochen oder beraten werden möchten. Heute kommt der Kunde oftmals mit einem immensen Vorwissen in den Laden, weil er sich vorinformiert hat. Er kann Vergleichsportale zu Rate ziehen, sich in Foren informieren oder Suchmaschinen konkrete Fragen stellen.
Wir möchten Banken und Versicherern vermitteln, dass sich mit der Welt bzw. mit der Digitalisierung auch die Kommunikation kolossal verändert hat und dass es hier grundlegender Anpassungen bedarf. Zudem wissen Banken und Versicherer längst selbst, dass der Handlungsbedarf groß ist. Da braucht es keine großen Überredenskünste – alleine eine überzeugende Strategie und mehr Sicherheit, die aktuell verständlicherweise und mangels Erfahrung noch fehlt.
Wie kamen Sie auf die Idee?
Ganz einfach: Durch Gespräche mit Kunden und durch Beobachtung. Als Kommunikationsagentur bekommen wir täglich mit, vor welchen Herausforderungen Unternehmen und Marken durch die Transformation stehen. Ein wesentlicher Teil dabei ist die veränderte Kommunikation und der veränderte Dialog mit dem Kunden. Damit einher gehen veränderte Werbe- und Marketingstrategien. Da wir uns auch sehr stark als Innovationsagentur verstehen und als beratender Partner, wollten wir einen echten Case schaffen, an dem wir die Auswirkungen und Möglichkeiten der Digitalisierung durchspielen. Der enorme Zuspruch, den wir mit der Eröffnung des weShops im Oktober 2014 erhielten, bestätigte uns.
Was hat Cisco mit dem Projekt zu tun?
Cisco liefert als weltweit führender IT-Ausrüster bei weFinance sowohl die technologische Infrastruktur als auch die Analysesoftware. Das Projekt passt perfekt zur Initiative „Deutschland Digital“, in die der Konzern 500 Millionen US-Dollar in die Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland investiert.
Weitere wichtige Partner sind Vitra, die ihre intelligenten Ladenbau- und Display-Systeme zur Verfügung gestellt haben, EY Financial Services Advisory sowie die digitale POS-Umsetzungsagentur weShop.one.
Was genau ist Ihre Rolle bei der Umsetzung?
Wir sind die Experten in punkto Kundendialog, Kundenbeziehung und Marketing. Wir wissen besser als jeder andere, dass eine veränderte Branche und verändertes Kundenverhalten neue Formen der Ansprache benötigen. Durch die digitalen Transformationsprozesse sind neue Wege in der Kommunikation erforderlich. Projekte wie weFinance sind nicht nur Spielwiese und Testlabor für zukunftsorientiertes Handeln sondern eine wichtige Bühne hinsichtlich des Austausches und der Beratung unserer Kunden.
Gibt es schon Umsetzungen bzw. ähnliche Konzepte wie weFinance in Realität?
Ja, fast alle großen Banken versuchen sich heute in neuen Konzepten am Verkaufspunkt – etwa in Berlin die Deutsche Bank mit dem „Quartier Zukunft“ oder die Commerzbank. Besonders spielt das Thema aber im angelsächsischen Raum eine große Rolle, wo der Konkurrenzdruck durch Anbieter wie PayPal oder Apple Pay, die dort noch populärer sind als hierzulande, groß ist. Wir beobachten, dass in Deutschland die Bereitschaft, neue Testszenarien zu entwickeln, aktuell größer ist denn je.
Wie lange wird es dauern, bis wir solche Filialen in der praktischen Anwendung sehen?
Die Umsetzung kann grundsätzlich binnen weniger Monate erfolgen. Wir gehen davon aus, dass Projekte, die sich jetzt aus der weFinance-Initiative heraus entwickeln, im Laufe des kommenden Jahres 2017 realisiert werden.”
Vielen herzlichen Dank für die spannende Idee und Vorstellung!aj
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