Warum Versicherungen trotz Digitalisierung beim Smart Pricing hinterherhinken
Die Digitalisierung schreitet voran, die Datenlage verbessert sich. Doch nicht überall werden die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, umfassend genutzt. Viel Potenzial verschenken beispielsweise Assekuranzen beim Thema intelligente Preis- und Margensteuerung.
Auf der einen Seite wachsen die Herausforderungen für die Versicherungsbranche, insbesondere in Zeiten einer Corona-Pandemie. Auf der anderen Seite treibt diese auch die Digitalisierung voran und verschafft so neue Möglichkeiten bei der Unternehmenssteuerung. Doch diese Chancen müssen auch ergriffen werden.
Stefanie zur Horst, Senior Director und Insurance Specialist bei Simon-Kucher & Partners, sieht insbesondere beim Pricing viel ungenutztes Potenzial, das häufig schon mit einfachen Quick Wins erschlossen werden könnte. Dabei komme einem intelligenteren Pricing eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, Bestandskunden zu halten und neue Kunden zu gewinnen. Dem stehen allerdings fehlende Datenauswertung, veraltete Systeme und Silomentalität entgegen.
Was ist der Kunde wert?
Der Fortschritt aus der digitalen Transformation werde beim Pricing nicht sauber übersetzt, so zur Horst. Sie identifiziert drei Felder, die für eine intelligente Preissteuerung notwendig seien: Data Excellence, Analytics Excellence sowie eine ganzheitliche Betrachtung der Kunden. Erst wenn man den Verbraucher kenne, könne man auch seinen Kundenwert beziffern.
Dafür bedürfe es besserer Daten und Analyse-Insights. Erst mit diesen schaffe man den Sprung zu einer smarten Preis- und Margensteuerung, die beispielsweise zwischen Kundensegmenten differenziert. Im aktuellen Wettbewerb könnte dies eine zentrale Trumpfkarte für jeden Vertrieb sein, so die Pricing-Expertin. Doch bei vielen Assekuranzen bestehe hier nach wie vor großen Nachholbedarf.
„Die Frage des Kundenwerts können aktuell viele Versicherer nicht wirklich beantworten. Das wäre aber wichtig, um den Vertrieb besser zu steuern und beispielsweise Rabatte gezielter einzusetzen. Stattdessen werden häufig hohe Sockelrabatte auf die Tarifpreise gewährt – das torpediert eine intelligente Preisgestaltung.“
Stefanie zur Horst, Simon-Kucher & Partners
Relevante Daten sammeln
Data Excellence meint die schnittstellenfreie, kontinuierliche Erfassung und Zusammenführung pricing-relevanter Daten, beispielsweise Kosten- und Margenentwicklungen, interne Finanzdaten, Transaktionsdaten, kundenzentrierte Daten und Wettbewerbsinformationen. Nach den Erfahrungen des Beratungshauses Simon-Kucher & Partners (Website) herrscht bei Versicherern ein Inselorientierung vor, die eine gute Datenaufnahme und -verwertung verhindert. Dadurch würden die Daten häufig nur fragmentiert in den Unternehmen vorliegen und müssten oft mühsam zusammengeführt werden.
Das raube nicht nur Zeit, sondern verhindere auch eine spätere Automatisierung der Datenerfassung. „Es fehlt an der Verknüpfung und der gemeinsamen Datenerhebung verschiedener Produktsektoren, wie Schaden- oder Lebensversicherung. Vielmehr arbeiten die Bereiche völlig getrennt voneinander in ihren eigenen Silos“, so Stefanie zur Horst.
Eines der Probleme: Consumer Insights werden teilweise zu generisch erhoben. So fehlen jene Informationen, die konkret auf die Entwicklung von Preisen, Produkten oder Verkaufsprozessen einzahlen. Damit sind die vorliegenden Daten von nur begrenztem Wert. Das beginnt oft bereits bei den Eingabemasken, die einer stärkeren Individualisierung des einzelnen Kunden oder auch der Verkettung der Daten entgegenstehen. Dies könne man mit kleineren Änderungen beheben, ohne dass man das Rad neu erfinden müsse. Eine weitere Lücke sieht zur Horst bei der Wettbewerbsanalyse, die ebenfalls beim smarten Pricing zum Tragen kommen muss. Eigentlich eine reine Fleißaufgabe, die oftmals nicht gemacht werde.
Aus den Daten lernen
Doch die „richtigen“ Daten zu sammeln, reicht alleine nicht. Eine weitere Baustelle sieht zur Horst beim Punkt der Analytics Excellence. Hierbei gehe es nicht nur um die Auswertung der systematisch erfassten Daten, sondern auch darum, aus ihnen zu lernen, sie zu verstehen und diese Learnings sauber umzusetzen. Zur Horst konstatiert:
„Selbst wenn diese Daten systematisch erfasst werden würden, könnten viele Versicherer sie kaum sinnvoll in den Vertrieb übersetzen. Die Pricing-Systeme sind oftmals veraltet und rigide. Sie erlauben nicht die Granularität, die nötig wäre, um bestimmte Erkenntnisse aus der Datenanalyse im Pricing umzusetzen.“
Die Pricing-Expertin zieht den Vergleich zu BigTech-Unternehmen wie Amazon oder Google: „Die großen Technologiekonzerne zeigen, was mit dem richtigen Mindset, der Exzellenz bei Datenaufnahme und -verwertung und dem Einsatz moderner Systeme möglich ist. Sie sind dadurch in der Lage, auf Basis der Kundendaten die Zahlungsbereitschaft kunden- und zeitspezifisch abzuschöpfen.“ hj
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