STRATEGIE11. Juli 2023

Vermögensverwalter “Künstliche Intelligenz” … Krempelt der Tech-Trend die Geldanlage um?

Vermögensverwalter "Künstliche Intelligenz" ... Krempelt der Tech-Trend die Geldanlage um?
LPA

„Herr Roboter, wie sollte ich meine Altersvorsorge gestalten?“ Mit dem Wettrennen der US-Techgiganten und dem Hype um ChatGPT ist das Thema Künstliche Intelligenz derzeit in aller Munde. Strategen aller Branchen beschäftigen sich mit den disruptiven Potenzialen der generativen Technologie. Einen besonderen Reiz haben dabei Anwendungen im Bereich der Geldanlage. Doch taugt „Experte Roboter“ tatsächlich dazu, ein vielversprechendes Portfolio zu kreieren? Welche Anwendungen darf man im Bereich der Geldanlage erwarten? Birgt der verstärkte Einsatz der Technologie für Vermögensverwalter – die Profis der Anlage – Chancen oder gar Risiken?

von Sandro Schmid, Partner bei LPA

Fragt man ChatGPT nach konkreten Anlagetipps, windet sich der Bot um konkrete Empfehlungen herum. Dezidierte Tipps, persönliche Anlageberatung oder individuelle Empfehlungen verweigert die Lösung. Durchaus aufhorchen lassen jedoch Meldungen verschiedener Hochschulen, die KI-Sprachmodelle wie GPT-3 von OpenAI, zur Auswertung von Schlagzeilen aus dem Bereich der Finanznachrichten nutzen. Die Lösung selbst ist in der Lage, die Nachrichtenlage auszuwerten und entsprechende Prognosen hinsichtlich der Kursentwicklung durchzuführen.

Ein auf entsprechender Auswahl erstellter Fonds war in der Lage, den Markt über einige Wochen tatsächlich zu schlagen.”

Zwar sind noch längst nicht alle KI-basierten Pilotversuche erfolgreich, dennoch zeichnet sich im Bereich Vermögensverwalter ab, dass vermehrt Interesse an Produkten besteht, die gemäß KI-getriebener Strategien investieren.

Datenquellen nutzbar machen

Autor Sandro Schmid, LPA
Sandro Schmid ist Partner bei der Bankenberatung LPA (Website). Er verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Finanztechnologie. Sein aktueller Beratungsschwerpunkt liegt auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den Bereichen Banking und Asset Management, Digitalisierungen und Risiko-Management. Davor hatte er verschiedene leitende Funktionen in den Bereichen Finanzen, Betrieb, IT und Transformation inne. Er gründete auch AAAccell, ein globales Top100 Wealth- & RegTech sowie die Swiss Risk Association, die führende NGO in der Schweiz zum Thema Risiko-Management. Er hat Wirtschaftswissenschaften studiert und verfügt u.a. über einen MBA und einen MAS.
Die Idee hinter dem Einsatz der KI ist dabei einleuchtend: So wird die Fülle an Daten, mit denen Vermögensverwalter wie auch Privatanleger konfrontiert sind, stetig größer – es wächst nicht nur der Datenschatz, sondern mit ihm auch die technologischen Potenziale, um diesen tatsächlich zu heben. Die generative KI ist in der Lage, noch einmal gänzlich neue Datenquellen zu erschließen und ohne zeitlichen Verzug für Entscheider nutzbar zu machen. Kern der Analyse sind natürlich weiterhin klassische quantitative Daten rund um die essentiellen Kennzahlen und Kursentwicklungen.

Explorativ wird nun verstärkt daran gearbeitet, auch eine sinnvolle Analyse von Texten, etwa Geschäftsberichten, Nachrichten oder Analystenkommentare und anderen Quellen zu vollziehen.”

In das Blickfeld geraten dabei auch in einigen Fällen eher exotische Quellen – so werten Algorithmen bereits Stimmungen und Trends in den sozialen Medien aus. Auch gänzlich neue Quellen könnten Aspekte zur Analyse beitragen, der Fantasie scheinen kaum Grenzen gesetzt. Ein Equity Analyst der Disney-Aktie könnte über Satelliten- und Kameradaten etwa die Auslastung von Parkplätzen vor den Parks abschätzen und anhand der Wetterprognosen der kommenden Wochen fundierte Ableitungen für zukünftige Besucherströme vornehmen.”

Dank KI wird also die Fülle der Daten und die Analysemöglichkeit dramatisch gestärkt. Für Vermögensverwalter steht dann die Entscheidung an, welche Daten für die Analyse tatsächlich Mehrwerte liefern können.”

ESG-Kennziffern erhöhen Komplexität

Ohne Zweifel hat sich aus Sicht der Vermögensverwalter die Komplexität von Analysen im Bereich Datenmanagement ohnehin deutlich erhöht. Die strengeren Vorgaben im Bereich der Nachhaltigkeit erfordern neue Ansätze im Umgang mit Unternehmensanalysen. Die ESG-Scorings haben nicht nur höchste Relevanz für die Kategorisierung von Fonds, vielmehr hängt an der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien auch zunehmend die Refinanzierung von Krediten und somit die Solvenz von Unternehmen. Unternehmen, die etwa bei Umweltauflagen gegen die Branchenstandards verstoßen bzw. nicht nachweisen, dass sie diese einhalten, werden bei Krediten höhere Zinsen in Kauf nehmen müssen.
Ohne Zweifel besitzt der Bereich ESG inzwischen als höchste Bedeutung für Entscheidungen bei der Geldanlage.

Stehen Vermögensverwalter bei manchen Datenquellen vor der Entscheidung, ob die Nutzung dieser auch tatsächlich Mehrwerte birgt, so ist gerade im Bereich ESG ohne Zweifel eine erhöhte Aufmerksamkeit geboten – auch da die Thematik wirklich vielschichtig ist.”

Gerade hier wird generative KI wertvolle Hilfestellungen dabei leisten, die Vielzahl an Daten zu explorieren und tatsächlich nutzbar zu machen.

KI – Helfer für Privatanleger, Gefahr für die Profis?

Die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz in der Finanzindustrie ist in den letzten Monaten bereits begeistert diskutiert worden. Die smarten Algorithmen bergen das Potenzial, gänzlich neue Produkte zu entwickeln, dem Endkunden unter die Arme zu greifen und darüber hinaus noch Betrüger und Finanzkriminelle auffliegen zu lassen. Der große Mehrwert dabei liegt in der Erfassung, Auswertung und Aufbereitung großer Datenmengen.

Schon jetzt ist klar, dass Künstliche Intelligenz dazu prädestiniert ist, Vermögensverwaltern im großen Stil zuzuarbeiten. Eine größtmögliche Transparenz über Unternehmen und entsprechende Datensätze wird auch an den Finanzmärkten neue Chancen eröffnen.”

Bis dato vorhandene Lösungen sind bereits in der Lage, Profis wie auch Privatanlegern wichtige Ideen und Impulse bei der Geldanlage zu geben. Weiterhin gilt jedoch, dass Vermögensverwalter wie auch Kleininvestoren zwar neue Erkenntnisse erhalten, wie sie diese nutzen, bleibt weiterhin ihnen überlassen. Die Künstliche Intelligenz kann so zu einem essentiellen Helfer bei der Vermögensanlage werden, als letzte Instanz muss sich der Roboter jedoch weiterhin hinter dem menschlichen Entscheider anstellen.Sandro Schmid, LPA

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