SWIFT im Mittelpunkt der Finanzwirtschaft: Sibos 2017 – die Zusammenfassung
Unter dem Motto „Building for the Future“ trafen sich Teilnehmer der globalen Finanzwirtschaft zur diesjährigen Sibos (16. bis 19. Oktober, 8.100 Teilnehmer, ‘Hausmesse’ der SWIFT) in Toronto. Der tiefgreifende Wandel in der Finanzindustrie ist spürbar. Panel-Diskussionen, Präsentationen, Vorträge und Debatten an allen vier Konferenztagen boten aktuelle Bestandsaufnahmen, Analysen und Diskussionen zu den Kernproblemen und „Big Issues“ der globalen Finanzindustrie.
Auch in diesem Jahr war die Sibos zentraler Austragungsort für Experten-Diskussionen aus allen Fachbereichen der Finanzwelt – hauptsächlich in vier Themenfeldern: Banking, Compliance, Securities und Technology.Zum Auftakt: Schwerpunkte Innovation und Sicherheit
In seiner Begrüßung zur Eröffnung erläuterte Dave McKay, Präsident und CEO der Royal Bank of Canada (RBC), warum Daten das „neue Schlachtfeld” der Finanzwelt bildeten und gleichzeitig neue Chancen eröffneten. Er unterstrich die entscheidende Bedeutung von Sicherheit und Vertrauen über alle digitalen Berührungspunkte hinweg: „In den vergangenen Jahren haben andere Marktbereiche die Schlagzahl der Interaktionen mit ihren Kunden gesteigert. Unsere Herausforderung als Banken ist es, wie wir in einer digitalen Welt die Verbindung zu unseren Kunden halten.“
SWIFT-Chairman Yawar Shah benannte die aktuell wichtigsten Herausforderungen für die Finanzwelt, die SWIFT wachsam verfolge, um für die Community Probleme zu identifizieren, Lösungen zu erarbeiten und Chancen zu nutzen: Die Bedrohung durch Cyber-Angriffe werde bleiben und zunehmen; Compliance-Aktivitäten und Regulierungsvorgaben werden weiter steigen, vor allem im Bereich Cyber, und Innovation in der Finanzindustrie auch durch FinTechs werde sowohl die Erwartungen der Kunden als auch den Wettbewerb verstärken. „Wir sind darauf eingestellt, der Community jederzeit und sofort zur Seite zu stehen, um neue Kundenbedürfnisse zu erfüllen und den Nutzen unserer Services weiter zu verbessern“, sagte Shah.
SWIFT-CEO Gottfried Leibbrandt verwies auf das im letzten Jahr aufgelegte Customer Security Program (CSP), mit dem SWIFT seine Kunden bei der Sicherung ihrer operativen Umgebung gegen Cyber-Angriffe umfassend unterstützt. Als entscheidende Innovation im Zahlungsverkehr bezeichnete er die Umsetzung des SWIFT Global Payments Innovation Service (GPI): „Das ist Correspondent Banking 2.0 – entwickelt mit der Community für die Community”, sagte er. „Gemeinsam mit den Banken formen wir die Zukunft des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs durch Innovation von innen.“ Die GPI-Nutzung durch die großen globalen Transaktionsbanken zeige bisher schon beeindruckende Erfolge. Mit dem Aufkommen von lokalen und regionalen Echtzeit-Zahlungssystemen würden die Vorteile noch bedeutender, da Banken diese Systeme mit der GPI-Marktpraxis effizient verbinden und ihren Kunden Überweisungen nahezu in Echtzeit bieten können.
SWIFT: Global Payments Innovation (GPI)-Wachstum und KYC-Optimierung
Im Rahmen der Sibos stellte SWIFT neben seinen weltweiten Initiativen, Projekten und Studien neue Erfolge sowie eine Reihe neuer Produkte und Services vor. So wurde bekanntgegeben, dass im September mit dem GPI-Service bereits mehr als zwei Millionen grenzüberschreitende Zahlungen getätigt wurden. Mit diesem raschen Wachstum hat sich GPI inzwischen zum neuen Standard für Auslandsüberweisungen entwickelt. Mehr als 120 führende globale Transaktionsbanken haben sich für den Service angemeldet, die über 75% aller SWIFT-Zahlungen repräsentieren. Bis Ende 2017 werden mehr als 40 Banken den Betrieb mit GPI aufgenommen haben. Mit dem innovativen GPI Tracker – einer cloudbasierten Anwendung mit Zugang unter anderem über APIs – können Firmenkunden ihre Zahlungen ‚End-to-end‘ nachverfolgen und die Gutschriftbestätigung direkt von ihrer Bank erhalten.
Zudem wurden erste Erkenntnisse einer Machbarkeitsstudie für den Einsatz der Distributed Ledger Technology (DLT) zum Abgleich von Nostrokonten vorgestellt, an der sich 30 GPI-Banken beteiligt haben. Die Gesamtergebnisse werden gegen Ende November vorliegen. Darüber hinaus gab SWIFT während der Konferenz erste Bewertungen zur Zusammenarbeit von GPI-Banken mit FinTechs für die Entwicklung von Zusatzservices ab, die den Banken mithilfe der APIs der GPI-Plattform ermöglichen sollen, größeren Kundennutzen zu bieten.
Erweiterte Services im Korrespondenzbankgeschäft
SWIFT hat sein KYC-Register mit dem neuen Wolfsberg ‚Due Diligence Questionnaire’ (DDQ) für Korrespondenzbanken abgestimmt, um die weltweite Standardisierung der Korrespondenzbank-Due Diligence voranzutreiben. Der 2004 erstmals publizierte Wolfsberg-DDQ wurde im Hinblick auf die erwarteten regulatorischen Erweiterungen aktualisiert. Die Mitglieder des KYC-Registers können jetzt jede Frage des Wolfsberg-DDQ direkt auf der Plattform des KYC-Registers beantworten. Damit wird die Transparenz erhöht und der Vorgang der Due Diligence rationalisiert. Das KYC-Register wird heute von mehr als 4.200 Korrespondenzbanken und Fondsanbietern in über 200 Ländern und Regionen genutzt. Über 50 Zentralbanken und Finanzbehörden sind ebenfalls Mitglieder. Die Mitgliedschaft wurde kürzlich erweitert für alle beaufsichtigten Finanzinstitutionen – auch ohne SWIFT-Anschluss –, um Wirksamkeit und Effizienz des Registers noch zu steigern.
Neue Korrespondenz-Paketlösung für kleinere Banken
Eine weitere Nachricht zur Verbesserung der Prozesse im Korrespondenzbankgeschäft ergänzte die Diskussion um dieses Thema: SWIFT erweitert seine Services um die „Correspondent Banking Suite“, eine Paketlösung für kleine bis mittelgroße Banken. Diese benötigen mit steigenden Anforderungen durch regulatorische Vorgaben und Cyber-Risiken umfassende Kenntnisse über ihre Korrespondenten, müssen dabei aber ihre Betriebskosten senken und ihre SWIFT-Infrastruktur auf dem neuesten Stand halten. Diese Lösung gebe Banken direkten und kostengünstigen Zugang zum SWIFT-Netzwerk über die sichere cloudbasierte Schnittstelle Alliance Lite2, verknüpft mit SWIFT-Produkten und -services für das Korrespondenzbankgeschäft: Dem KYC-Register, Sanctions Screening und Name Screening, Daily Validation Report, Bankers World Online und BI Network Management, SWIFTSmart (einer cloudbasierten eLearning-Plattform) und dem GPI Tracker.
„Big Issue Debates“ zur Zukunft der Finanzindustrie
Zentrale Programmpunkte der Sibos bildeten auch in diesem Jahr die „Big Issue Debates“ an allen vier Tagen der Konferenz – lebhafte Diskussionen auf Panels mit hochkarätigen Experten aus allen Bereichen der Finanzwelt zu den gegenwärtigen Problemstellungen der Industrie. Die Big Issue Debate des ersten Tages „Cybersecurity and digitisation: The art of securing the digital enterprise“ eröffnete Admiral Michelle Howard, Commander der US Naval Forces, als Pionierin der Erforschung, Ausarbeitung und Umsetzung des Technologie-Einsatzes bei den US-Streitkräften. Sie diskutierte mit Rohan Amin, CISO von J.P. Morgan sowie dem Technologie-Experten und Hacker Pablos Holman über die Fortbildung von Mitarbeitern zur Schaffung einer robusten Sicherheitskultur in Unternehmen und Organisationen, um digitale Vorhaben und Cyber-Abwehr zu sichern.
Am zweiten Konferenztag sprachen einige führende Experten aus Politik, Wissenschaft und verwandten Bereichen bei der Big Issue Debate zum Thema „Impact of nation first politics on global financial flows, financial organisations and financial regulation”. Moderiert von Anne McElvoy (The Economist) sprachen Tim Adams (Institute of International Finance), Philippe Le Corre (Harvard Kennedy School), Prof. Heather McGregor (Edinburgh Business School) und Tanvi Madan (The India Project). Die Debatte drehte sich um den beispiellosen Wandel und die Verschiebungen in der politischen Landschaft, etwa durch den britischen Exit aus der EU und das Ergebnis der US-Präsidentenwahl. Diskutiert wurde, wie institutionelle Regelwerke zurzeit demontiert und neu verhandelt werden und welche möglichen Auswirkungen dies für Finanzdienstleister haben wird.
Tag 3: Daten, Identität, API und die globale Implementierung einheitlicher Standards
Die Big Issue Debate zum Thema „Future of Money” legte den Fokus auf Daten, wie sie Werte schaffen und wie man sie für erwünschte Muster sowie andere Erkenntnisse einsetzt. Moderiert von Carmel Crimmins (Reuters) tauschte sich das Panel mit Megan Caywood (Starling Bank), Richard Koh (M-DAQ Group) und Ather Williams III (Bank of America Merrill Lynch) intensiv aus über die These, dass Datenzentren die neuen Ölraffinerien des digitalen Zeitalters seien, wobei das Wachstum der „New Economy“ durch Echtzeit-Daten befeuert werde. Eine Frage war, ob die Herausforderung von „Big Data“ darin besteht, dass wir zu viel davon haben. Finanzdienstleistungs-Organisationen müssen sie durchdringen und wirkungsvoll analysieren mit dem Ziel, ihre Kunden besser betreuen und ihre Erwartungen erfüllen zu können.
Am vierten Tag vertiefte die letzte Big Issue Debate das Thema „The growing significance of disruptive innovation and artificial intelligence“. Moderiert von Dean C. Garfield aus dem Information Technology Industry Council diskutierten Alex Manson (Standard Chartered), Axel Lehmann (UBS) und Amber Case (Harvard University) über die „Vierte industrielle Revolution“, die Arbeitswelt und tägliches Leben verändert. FinTechs und Finanzdienstleistungen können nicht separat existieren. Ihre frühere gegenseitige Ablehnung hat sich zur Einsicht gewandelt, dass FinTechs Banken als zuverlässige Partner auf der letzten Transaktionsmeile brauchen. Mit der schnellen Entwicklung von FinTech, RegTech und künstlicher Intelligenz (AI) muss die Finanzindustrie die selbstgeschaffene Disruption aufnehmen und bewältigen. Diskutiert wurden die wichtige Rolle der AI und die Idee, damit Alltagsaufgaben zu automatisieren, um mehr Zeit für Innovation freizusetzen.
Einheitliche Standards global implementieren
Ein zentrales Thema auf dem „Standards Forum“ der Sibos betraf das Setzen von Standards auf globaler Ebene. Während die Finanzindustrie sich fortlaufend infolge von Disruption, verschärfter Regulierung, verstärktem Wettbewerb und steigenden Kundenerwartungen entwickelt, wurde in den Diskussionen die Implementierung weltweit einheitlicher Standards als gangbarer Weg gesehen, um gemeinsam an der Überwindung dieser Herausforderungen zu arbeiten, die Kosten zu senken, Innovation zu beschleunigen und Werte freizusetzen.
Ein Beispiel für erfolgreiche Standardisierung stellte SWIFT im Kontext der Diskussionen des Themenbereichs „Securities“ vor. Mit der Anbindung des dänischen Zentralverwahrers (CSD) VP SECURITIES nach ISO 20022-Standards bietet SWIFT den Banken jetzt volle standardisierte Kommunikation mit VP SECURITIES und anderen nationalen sowie ausländischen Marktinfrastrukturen auf dem SWIFT-Netzwerk. Dies senkt die Kosten für den Wertpapierhandel der Banken in Dänemark erheblich und beseitigt die Notwendigkeit, eine separate Einzelverbindung zu VP SECURITIES aufzubauen und zu pflegen. Durch die Harmonisierung der Marktpraktiken können CSDs ihre operative Effizienz maximieren und dabei Risiken sowie Kosten minimieren.
Übersetzung von Nachrichtenformaten nach ISO 20022 oder MT
SWIFT bietet künftig die Übersetzung von Nachrichten aller Formate nach ISO 20022 an, um den Migrationsprozess zu einem neuen Standard zu rationalisieren. Da alle Marktinfrastrukturen (MIs) sich schrittweise auf ISO 20022 umstellen, müssen Finanzinstitute, die ältere oder proprietäre Formate nutzen, die Kompatibilität ihrer Nachrichten sichern. Viele bestehende Systeme müssen aktualisiert werden, um die neuen Standards zu verarbeiten. Das kann teuer und arbeitsintensiv sein und den Termindruck sowie operationelle Risiken erhöhen. Institute können mit dem „SWIFT Translator” in der ersten Phase ab Frühjahr 2018 ihre Formate und Umsetzungsregeln anpassen und definieren, Nachrichten in ein neues Format übersetzen, nach definierten Formaten validieren und sicherstellen, dass die voreingestellten Regeln korrekt befolgt werden. Zudem wird der manuelle Aufwand für die Pflege sich entwickelnder Standards deutlich reduziert. Die flexible Lösung kann unter Einschluss von Backoffice- und Middleware-Anwendungen überall implementiert werden. Die Nutzer von MyStandards können sich direkt mit dem SWIFT Translator verlinken.
Name Screening auch für kleinere Institute und Firmenkunden
Zum Thema Compliance gab SWIFT die Erweiterung seines Name Screening-Service bekannt. Nun wird auch kleineren Firmen und Institutionen vor allem in Schwellenländern ermöglicht, ihre Kunden-Datenbanken im Hinblick auf Sanktionen und Listen politisch exponierter Personen (PEPs) zu screenen, um Finanzkriminalität vorzubeugen. Name Screening baut auf der SWIFT-Expertise in Sanctions Screening und Testing auf sowie der Partnerschaft mit dem führenden Anbieter von Datenlisten Dow Jones. Der Service ist eine wichtige Komponente für die Compliance von Sanktions-, Geldwäsche- und Kunden-Due-Diligence-Vorgaben bei kleinen Institutionen und Firmen, die meist nicht über die komplexen, kostenintensiven Lösungen großer Organisationen verfügen.
SWIFT Innotribe: Wie geht Innovation?
Die Diskussionen der Zukunftsorganisation Innotribe von SWIFT auf der Sibos 2017 konzentrierten sich auf das „Wie“ von Innovation. Die Agenda hatte zum Thema, wie verwandte Bereiche – Transport, Verwaltung, Einzelhandel, Medizin, Militär – ihre Herausforderungen durch Innovation bewältigen. Ihr Weg wurde als Inspirationsquelle für die Finanzindustrie betrachtet. Ein Höhepunkt des Programms war ein Einblick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Internet mit Sir Tim Berners-Lee, dem Initiator des World Wide Web.
Zum Abschluss der Sibos 2017 sprach der CEO von Microsoft, Satya Nadella, als Gastredner ein packendes Schlusswort. Er griff das zentrale Thema der Konferenz, Innovation, in seinen mit großem Beifall aufgenommenen Überlegungen auf, in welchem Ausmaß Technologie jeden Aspekt unserer Gesellschaft und unserer Ökonomie beeinflusst. SWIFT beschrieb er in diesem Kontext als einen “trusted platform provider” für den Finanzdienstleistungssektor.
Die nächste Sibos findet vom 22. – 25. Oktober 2018 in Sydney statt.aj
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