STUDIEN & UMFRAGEN20. September 2024

Studie: Versicherer zeigen Pioniergeist bei KI-Einsatz – doch es fehlt an der Datenstrategie

Versicherer sind auf dem Weg zu datengetriebenen Unternehmen sind – und trotzdem verfügen 41% der Versicherungsunternehmen in Deutschland und Österreich nicht einmal über eine Datenstrategie. Das ist ein Ergebnis der neuen Benchmark-Studie KI & Intelligente Prozesse in Versicherungen des Beratungsunternehmens Wavestone (ehemals Q_PERIOR) in Zusammenarbeit mit Google Cloud.

Hat Ihr Unternehmen bereits eine Datenstrategie?
Wavestone
Obwohl Unternehmen den immensen Wert von Daten erkannt haben, stehen sie noch vor Herausforderungen, diesen Wert voll auszuschöpfen. Oft mangelt es an effektivem Datenmanagement, hoher Datenqualität und den nötigen Kompetenzen, um die Daten optimal zu nutzen.

Überraschenderweise wird die Versicherungsbranche oft übersehen, wenn es um Vorreiter in der Datennutzung geht. Dabei haben Versicherer einen historischen Vorsprung im Umgang mit Daten. Seit ihrer Entstehung erfassen und analysieren Versicherungsunternehmen Daten, von Wetterereignissen, über Verkehrsstatistiken und Krankheitsdaten bis hin zu Sterbetafeln.

Datenanalysten   arbeiteten bereits bei Versicherern,  lange bevor es diese Berufsbezeichnung überhaupt gab.”

Über Wavestone
Wavestone (ehemals Q_PERIOR) ist ein Beratungsunternehmen, das Unternehmen und Organisationen bei Transformationen unterstützt. Wavestone (Website) hat nach eigenen Angaben mehr als 5.500 Mitarbeitenden in 17 Ländern Europas, Nordamerikas und Asiens.
Diese Erfahrung mit Daten sollte den Versicherern einen weiteren Vorsprung bei einer anderen großen Entwicklung verschaffen – der künstlichen Intelligenz (KI). Denn mit ihren algorithmischen Prozessen, den großen Datenmengen und dem hohen  Automatisierungspotenzial sind die Anwendungsfelder in der Assekuranz wie geschaffen für die Vorteile intelligenter Systeme. Die Realität zeigt jedoch, dass Versicherer diese strukturellen Vorteile noch viel zu wenig nutzen.

Klassische Methoden dominieren bei Prozessoptimierung

41 % haben also keine Datenstrategie. Diese Zahl wirft Fragen auf. Denn ohne Datenstrategie kann der vorhandene Datenschatz nicht effektiv genutzt werden, geschweige denn KI gewinnbringend eingesetzt werden. Wie verbreitet ist KI also in der Versicherungsbranche? Wo wird sie eingesetzt? Und was sind die größten Herausforderungen?

Die Studie zeigt: Die Versicherer haben die Transformation hin zum datengetriebenen Unternehmen angestoßen. Deutlich wird aber auch, dass derzeit noch enorme Chancen ungenutzt bleiben. Die Selbsteinschätzung der Branche ist dabei durchaus selbstbewusst. Auf die Frage nach dem eigenen Reifegrad stufen  sich 53 Prozent der Befragten als „proaktiv“ ein. Dies bedeutet insbesondere, dass beispielsweise ein Analytics-Team gezielt historische Daten für einzelne use cases nutzt, um zukünftige Ereignisse vorherzusagen und proaktive Maßnahmen zu ergreifen. Dabei kann es sich sowohl um Risikovorhersagen als auch um Prognosen zum Kundenverhalten handeln.

Die Datenstrategie entscheidet - darin sind sich die Entscheider einig. Nur fehlt sie zu oft!
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Weitere 35 Prozent der Unternehmen sehen sich im reaktiven Reifegrad. Hier werden zwar regelmäßig Reports  auf Grundlage historischer Daten erstellt und visualisiert, aber auf Probleme oder Chancen wird reagiert, anstatt proaktiv zu handeln. Schließlich ordnen sich 12 Prozent der Versicherer dem niedrigsten Reifegrad „deskriptiv“ zu. Hier werden Berichte aus historischen Daten hauptsächlich zur Beschreibung und Analyse vergangener Ereignisse genutzt. In den Reifegrad „visionär“ stufte sich keines der befragten Unternehmen ein. Dies würde beispielsweise bedeuten, dass Echtzeit-Reportings die Grundlage für die meisten Prozesse und Entscheidungen bilden.

Bei allem Selbstbewusstsein der Branche zeigt die genauere Analyse der Studienergebnisse jedoch, dass Versicherer beim Einsatz intelligenter Systeme an vielen Stellen noch nicht weit genug denken.

Ein Beispiel: Auf die Frage, welche Ansätze sie für ihre Prozessoptimierung nutzen, antworten 82 Prozent der Befragten mit Robotic Process Automation (RPA) und 71 Prozent mit Workflow-Management-Systemen.

Erst an dritter und vierter Stelle folgen Anwendungen, die unter die Kategorie KI fallen. 65 Prozent geben an, Natural Language Processing einzusetzen, 53 Prozent nutzen Predictive Analytics. Die wichtigsten Ansätze zur Prozessoptimierung sind für Versicherer also nach wie vor  klassische Methoden wie RPA oder das Workflow-Management. Anwendungen, die KI nutzen, rangieren noch auf den hinteren Plätzen. Obwohl sich Versicherer in ihrem KI-Reifegrad weit fortgeschritten sehen, stehen konkrete KI-Methoden noch nicht im Vordergrund.

Wichtigkeit erkannt, aber die breite Anwendung fehlt

Den größten Optimierungspotenzial durch intelligente Prozesse sehen Versicherer in der Schadenregulierung (88%). Dahinter liegt der Bereich Operations (71%), gefolgt von Underwriting und Risikomanagement (53%). Den größten Optimierungsbedarf sehen Versicherer also am Ende ihrer Wertschöpfungskette, dabei könnten KI und intelligente Prozesse auch in vorgelagerten Schritten große Potenziale heben.

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Mit Blick auf konkrete Anwendungen zeigt die Studie, dass die Interaktion mit Menschen, also insbesondere der Kundenservice, (noch) nicht als wichtiges Einsatzfeld für Künstliche Intelligenz bewertet wird. Die wichtigsten Use Cases sind hingegen die KI-basierte Analyse von Schadenschilderungen (59%), die automatische Rechnungsverarbeitung (47%) sowie die KI-basierte Vertragsanalyse (41%).

Diese Einsatzmöglichkeiten werden zwar als wichtig erachtet, finden aber noch keine mehrheitliche Anwendung. So wird die KI-basierte Analyse von Schadensschilderungen als wichtigster use case nur von 12 Prozent der Versicherer bereits genutzt. 60 Prozent geben an, solche Anwendungen zu planen oder interessant zu finden. Der zweitwichtigste use case, die automatische Rechnungsverarbeitung, wird immerhin schon von 41 Prozent der Versicherer genutzt, weitere 35 Prozent planen den Einsatz oder finden diesen interessant. Die KI-basierte Vertragsanalyse, use case Nummer drei, nutzen 24 Prozent der Versicherer, weitere 53 Prozent planen dies oder finden sie interessant.

Großes Potenzial wird auch in der KI-Analyse von Versicherungspolicen und Rechnungen für Alternativangebote gesehen. Zwar nutzen erst 6 Prozent der Versicherer solche KI-Anwendungen, aber 59 Prozent planen dies oder finden es interessant. Wenig Potenzial sehen die Versicherer hingegen im Metaverse für Versicherungsberatung (6% sind hier aktiv, 18% planen dies oder finden die Anwendung interessant).

Die Datenstrategie entscheiden

Die Potenziale von KI haben Versicherer also erkannt. Doch was steht dem breiten Einsatz intelligenter Lösungen entgegen? Das größte Problem ist die komplexe IT-Architektur von Versicherern sowie die mangelnde Datenqualität. Für 41 Prozent der Befragten behindern diese Punkte den Fortschritt bei  KI und intelligenten Prozessen. 29 Prozent geben an, dass fehlende Datenexpert:innen, eine fehlende Datenstrategie sowie mangelnde Datenverfügbarkeit Herausforderungen sind. Auf Platz drei folgt mit 24 Prozent fehlendes technisches Know-how.

Bei der Nutzung ihres historischen Datenvorsprungs haben Versicherer also noch Luft nach oben. An einigen Stellen mangelt es der Branche noch an Durchschlagskraft, die Potenziale von Künstlicher Intelligenz sind jedoch weitgehend erkannt. Doch ob Datenstrategie, Datenqualität oder Datenkultur – Versicherer müssen an ihren Grundlagen arbeiten, bevor sie KI großflächig und gewinnbringend einsetzen können.

Die kompakte Studie kann hier heruntergeladen werden.

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