Siegeszug der Einfachheit: Zahlungsprozesse als Innovationstreiber in der E‑Mobilität
Wandelt sich die Gesellschaft, dann verändert sich die Rolle der Banken. Wenn Neo-Banken und Tech Companies sich immer weiter in klassische Bankgeschäftsfelder hineindrängen, wird es für Banken Zeit, ihre zukünftige Rolle im Ökosystem kritisch zu hinterfragen. Längst besteht auch das Commercial beziehungsweise Business Banking nicht mehr nur aus dem Finanzieren und Abwickeln von Zahlungsverkehr von A nach B – immer stärker sind zusätzliche Kompetenzen wie Beratungs- oder IT-Leistungen gefragt. Gelegenheiten zur Neupositionierung gibt es genug, schließlich ändert sich die Welt um die Banken herum rasant. Ein Beispiel ist das Management kleinteiliger und komplexer Zahlungsströme zwischen verschiedenen Partnern, sogenannte Micro- und Multi-Party-Payments, auf Plattformen. Dringend gesucht sind im konkreten Fall gangbare Payment-Lösungen im E-Mobility-Bereich.
von Daniel Höfelmann, Aareal Bank
Gesellschaftliche und technische Entwicklungen verändern das Bankengeschäft rasant. Manchmal scheint es, als würde eine unsichtbare Macht die alteingesessenen Banken vor sich her treiben. Ob kleine, innovative FinTech-Spezialisten, alternative Finanzierungsangebote und nicht zuletzt das Niedrigzinsumfeld – alles scheint daran zu arbeiten, die vielbeschworene Systemrelevanz des Sektors zu erodieren. Warum sollten Banken auch immun sein gegen diese (R)Evolution? Wer bestehen will, muss sich an die äußeren Bedingungen anpassen – und diese geben auch im Finanzsektor nicht zuletzt die Kunden vor. Wenn beispielweise eine einfache Finanzierung oder ein simpler Geldtransfer von anderen Anbietern bequemer, schneller oder günstiger erstellt werden kann, dürfte es vielen klassischen Banken schwerfallen, diesen Wettbewerbsvorteil zu neutralisieren. Gut beraten scheinen daher diejenigen, die sich auf ihre Stärken fokussieren, ihre Angebote an die sich wandelnden Bedürfnisse anpassen und auch den selektiven Schulterschluss mit Herausforderern nicht scheuen, wenn es im Sinne des Kunden ist.Wenn heute alle Welt vom Siegeszug der Ökosysteme oder der Plattform-Ökonomie spricht, sollten sich Banken vor Augen halten, dass sie den Ökosystem-Gedanken eigentlich in den Genen haben.”
Neue Ökosysteme auf dem Vormarsch
Digitale Ökosysteme verknüpfen mehrere Anbieter, die sich an Kundenbedürfnissen der Nutzer orientieren. Wesentlicher Aspekt ist dabei die Ausrichtung auf die End-to-End-Erfüllung eines Kundenbedürfnisses. Plattformen bringen auf einfache Weise Anbieter und Nutzer zusammen. Dabei denken heute natürlich alle zuerst an Amazon (und seinen Marketplace), den Giganten der Plattform-Ökonomie, der dieses Prinzip fast bis zur Perfektion entwickelt hat. Ökosysteme begegnen uns in der Wirtschaft immerzu, der Ökosystem-Gedanke ist keineswegs neu. Gerade im B2B-Bereich bieten oft viele Unternehmen gemeinsam Leistungen an. Durch die Digitalisierung stößt das Prinzip jedoch in andere Dimensionen vor:
Neu ist, dass immer kleinteiligere Transaktionen durch Prozessautomation ökonomisch attraktiv werden.”
Spätestens dann, wenn es zur Abrechnung kommt, ist jedoch schnell Schluss mit Simplizität – denn der Zahlungsprozess gestaltet sich oft kleinteilig, kompliziert und mühsam und kann so den gesamten Business Case in Frage stellen. Was nutzt das überzeugendste Angebot, wenn es in einem komplexen und ergo teuren Prozess mündet?
E-Mobilität als Musterbeispiel kleinteiliger Multi-Party-Payments
Ein spannendes, aktuelles Beispiel bietet sich im Bereich der immer schneller fortschreitenden Verbreitung der Elektromobilität in Deutschland. Stadtwerke und andere Energieversorger sind als Anbieter von Ladesäulen dabei, die Ladeinfrastruktur im Land auf- und auszubauen. Verbunden ist die Schaffung eines möglichst flächendeckenden Ladenetzes für sie – unter anderem – mit großen Payment-Herausforderungen.
Deutschlandweit haben in den vergangenen Jahren viele Stadtwerke Ladesäulen aufgestellt. Zunächst konnten daran nur Vertragskunden laden und bezahlen. Wer früh auf E-Mobilität setzte und in verschiedenen Städten unterwegs war, hatte darum oft das ganze Handschuhfach voller Kundenkarten der verschiedenen Stadtwerke. Nutzerfreundlichkeit geht anders!
Seit 2017 gilt die Ladesäulenverordnung 2, laut der jeder E-Auto-Fahrer an jeder Ladesäule tanken und bezahlen können muss. Auch deshalb machen inzwischen immer mehr Roaming-Angebote – ähnlich wie im Mobilfunk – dem Kunden Ladepunkte von Fremdanbietern zugänglich und stellen gleichzeitig den nötigen Datenaustausch zwischen allen Beteiligten sicher: Plattformen zum Beispiel, auf denen sich die Ladesäulenbetreiber zusammenschließen und ihre Leistungen im Verbund anbieten können. Für alle angeschlossenen Ladesäulen braucht der Nutzer nur noch eine einzige Kundenkarte, mit der er sein E-Auto laden kann.
Herausforderung: Zahlungen an vielen Tausend Ladesäulen verrechnen
Was für den E-Autofahrer ein Plus an Komfort bedeutet, ist für Plattformbetreiber und Stadtwerke mit technischen Implikationen verbunden und stellt sie vor große Herausforderungen: Wie sollen sie umgehen mit der wachsenden Menge an Micro- und Multi-Party-Payments – also mit den vielen, kleinteiligen Bezahlvorgängen, die bei jedem Ladevorgang an den tausenden Ladesäulen in Deutschland anfallen und zwischen den Stadtwerken verrechnet werden müssen? Aufgrund der hohen Komplexität haben einige Anbieter zeitweise sogar auf die Abrechnung untereinander verzichtet beziehungsweise haben Flat-Tarife angeboten. Die Suche nach Lösungen wird immer dringlicher:
Je stärker sich die E-Mobility in Deutschland verbreitet, desto stärker steigt das Umsatzpotenzial für die Energieanbieter – desto größer wird aber auch die Menge an Einzeltransaktionen, die es zu verarbeiten gilt.”
Konsolidieren und automatisch abrechnen
Hier nun kommt die Payment- und Branchenexpertise von Banken ins Spiel, um praktikable Lösungen für Plattformbetreiber und deren energiewirtschaftliche Kunden zu finden. Gesucht ist eine Abrechnungslösung, die Plattformbetreiber integrieren können, um darüber den Zahlungsverkehr zwischen den involvierten Anbietern automatisiert abwickeln zu lassen.
Statt jedes kleine Micro-Payment einzeln und bilateral abzuwickeln, gilt es die Zahlungsströme auf ein Minimum zu konsolidieren, also alle Einzelabrechnungen pro Abrechnungszyklus zu bündeln und über einen Zahlungsdienstleister automatisch abzurechnen. Nicht zu vergessen: Alle Anbieter brauchen im B2B-Kontext elektronische Einzelrechnungen, die auch steuerliche Besonderheiten berücksichtigen, und damit eine vollumfängliche Transparenz über sämtliche Vorgänge im Zahlungsprozess zu gewährleisten. Der bis dato enorme Abrechnungsaufwand der Stadtwerke untereinander wird so auf ein Minimum reduziert.
Payment-Lösung für E-Mobility-Plattformen – die wichtigsten Prozessschritte:
- Input der Zahlungsdaten
- Input der Kunden- und Rechnungsstellungsdaten
- Matching der Transaktionen zwischen den beteiligten Anbietern
- Errechnung und Netting der Forderungen bzw. Verbindlichkeiten zwischen den Anbietern
- Digitale und automatisierte Rechnungserstellung
- Digitaler Rechnungsversand
- Durchführung und Kontrolle der Zahlungsabwicklung im Bereich der Forderungen
- Durchführung und Kontrolle der Zahlungsabwicklung im Bereich der Auszahlungsansprüche
Von den komplexen Prozessen, die im Hintergrund ablaufen, sollte der Endkunde natürlich nichts mitbekommen – er freut sich über ein reibungsloses Nutzererlebnis. Plattformbetreiber können unterdessen ihren Service gegenüber den Stadtwerken erweitern – und diese wiederum bringen mehr Effizienz in ihre Zahlungsprozesse auf diesem Zukunftsmarkt.
Cross-sektorale Zusammenarbeit
Das Thema Elektromobilität und Abrechnung wird künftig weiter an Wichtigkeit gewinnen. Mit der Immobilienbranche wird künftig eine weitere Partei stark in das Thema E-Mobility und Ladeinfrastruktur involviert sein. So werden zum Beispiel für viele Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Mieterinnen und Mieter Konzepte entwickelt werden müssen, wie sie künftig an ihrem Arbeits- beziehungsweise Wohnort das Laden ihrer Fahrzeuge sicherstellen können. Einen Schritt weiter gedacht: In einer urbanen Zukunft nehmen der on-Demand-Individualverkehr und vernetzte Tür-zu-Tür-Mobilitätskonzepte mit einer Vielzahl an involvierten Anbietern zu. Micro- und Multi-Party-Payments gewinnen dadurch aller Voraussicht nach weiter an Bedeutung.
Mehr denn je ist hier eine cross-sektorale Zusammenarbeit gefragt. In der Vergangenheit war das Silodenken in einigen Branchen noch stark ausgeprägt. Doch Prozesse enden nicht an der Unternehmenstür. Perspektivisch sind deshalb viele Parteien – aus der Automobil-, Immobilien- und Energiebranche – gefordert, stärker über Sektorengrenzen zu kooperieren.
Daniel Höfelmann, Aareal BankDie Bank agiert als Schnittstelle zwischen den Branchen und kann ihnen rund ums Thema Payment beratend zur Seite stehen. Damit übernehmen die Banken im Bereich der E-Mobilität eine Rolle, die ebenfalls in ihren Genen steckt – die des Business Enablers.”
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