Sicheres Geld für Europas Zukunft: Bargeld und der digitale Euro
In einer Rede bei der Veranstaltung „Die Zukunft des Geldes“ des Wirtschaftsclub Bamberg e.V. sprach Bundesbanker Burkhard Balz über das Geld für das Europa der Zukunft. Dabei betonte er einerseits die Vorteile eines digitalen Euro und zeigte in Szenarien, wie sich die Rolle des Bargelds künftig darstellen könnte. Eine Zusammenfassung seiner Rede.
von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Bisher ist Bargeld die einzige Möglichkeit, mit Zentralbankgeld zu bezahlen. Künftig wollen wir im Euroraum das Bargeld um ein digitales Äquivalent ergänzen, und zwar durch den digitalen Euro. Der digitale Euro wäre ein wichtiger Schritt, um unsere gemeinsame Währung zukunftsfest zu machen.Projektstand digitaler Euro
Das Eurosystem hat schon 2021 begonnen, die „Retail“-Variante eines digitalen Euro zu prüfen. Inzwischen hat der EZB-Rat ein erstes Konzept für den digitalen Euro gebilligt. Sicherlich war dieses Konzept eine wichtige Inspiration für den Verordnungsentwurf, den die Europäische Kommission Ende Juni letzten Jahres vorgelegt hat.
Parallel dazu hat der EZB-Rat im vergangenen Herbst die Vorbereitungsphase eingeleitet. Der erste Teil ist auf zwei Jahre angelegt, in denen weitere, entscheidende Vorarbeiten für die mögliche Einführung eines digitalen Euro geleistet werden sollen.
Dazu zählt die Fertigstellung des Regelwerks für die Nutzung des digitalen Euro. Zudem wird das Eurosystem die Anbieter identifizieren, die unterschiedliche Komponenten für den digitalen Euro bereitstellen sollen. Und es wird darum gehen, durch das Experimentieren mit neuen Technologien weitere Erkenntnisse zu gewinnen.
Souveränität Europas
Mit dem digitalen Euro bekämen die Menschen ein standardisiertes digitales Zahlungsmittel, das im gesamten Euroraum im täglichen Zahlungsverkehr funktioniert: an der Ladenkasse ebenso wie im Online-Handel. Auch könnte man damit von Person zu Person zahlen, ohne dass außereuropäische Konzerne mit im Boot sitzen.
Die geopolitischen Entwicklungen haben gezeigt, dass Deutschland und Europa noch stärker darauf achten müssen, wie sie ihre Unabhängigkeit in kritischen Bereichen sichern können. Der digitale Euro würde auf europäischen Infrastrukturen beruhen und damit die Souveränität Europas stärken.”
Der digitale Euro könnte privaten Bezahllösungen dabei helfen, widerstandsfähiger und innovativer zu werden und zugleich europaweite Akzeptanz zu erreichen. Es geht darum, gemeinsam mit dem Bankensektor Innovationen und Produktivitätsfortschritte zu fördern. Wir wollen die Rolle des staatlichen Geldes auch in der digitalen Welt langfristig verankern. Dazu setzen wir auf Kooperation.
Mit dem digitalen Euro würde eine Plattform entstehen, die Kreditwirtschaft, Industrie und Handel neue Spielräume bietet. Sie könnten völlig neue Dienste wie zum Beispiel Smart Contracts für das Internet der Dinge implementieren. Denn digitales Geld wird als Schlüssel zu völlig neuen Prozessen im digitalen Zeitalter gesehen. Davon könnte letztlich auch die Wettbewerbsfähigkeit Europas profitieren.
Privatsphäre als Kernelement
Beim digitalen Euro geht es für viele Menschen vor allem um die Frage der Preisgabe persönlicher Informationen. Ein digitaler Euro ist auf jeden Fall so konzipiert, dass weder die EZB noch die anderen Zentralbanken des Eurosystems imstande wären, Transaktionen mit dem digitalen Euro einzelnen Personen zuzuordnen.
Für Offline-Zahlungen könnte sogar ein noch höheres Datenschutzniveau eingeräumt werden. Ähnlich wie bei Bargeld würde die Geschäftsbank nur den abgehobenen Betrag sehen und die tatsächliche Verwendung wäre nicht nachvollziehbar. Aber auch bei Online-Zahlungen würde der digitale Euro ein deutlich höheres Niveau an Datenschutz bieten als vergleichbare digitale Bezahlverfahren.
Flankierung durch den Gesetzgeber
Beim digitalen Euro handelt es sich um ein bedeutendes Vorhaben, das die Gesellschaft als Ganzes bewegt. Für mich ist ein solches Projekt undenkbar ohne die Rahmensetzung der Politik bzw. des europäischen Gesetzgebers. Das gibt dem digitalen Euro die notwendige gesellschaftliche Legitimation.
Die Europäische Kommission veröffentlichte ihren Verordnungsvorschlag, der zurzeit mit dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union abgestimmt wird. Er sieht ein hohes Maß an Privatsphäre für Zahlungen mit dem digitalen Euro vor. Außerdem stellt er sicher, dass die Grundfunktionen unentgeltlich wären. Halteobergrenzen für den digitalen Euro in der Wallet sollen verhindern, dass zu viele Bankeinlagen in Zentralbankgeld getauscht werden.
Die Veröffentlichung erfolgte im Rahmen eines Gesetzgebungspakets – dem „Single Currency Package“. Neben den Vorschlägen für den rechtlichen Rahmen des digitalen Euro enthält das Paket auch Vorschläge über Euro-Bargeld.
Beide Formen des Zentralbankgeldes sollen künftig gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum sein. Der digitale Euro soll unser Bargeld keinesfalls ersetzen, sondern ihm soll ein digitales Gegenstück zur Seite gestellt werden. Der Legislativvorschlag stärkt nun auch die Stellung des Bargeldes und soll sicherstellen, dass Bargeld an der Ladenkasse akzeptiert wird und verfügbar bleibt.”
Das Bargeld der Zukunft
Mit der Stärkung des Bargelds reagiert die EU-Kommission auf die sich ändernden Zahlungsgewohnheiten in Deutschland und vielen anderen Ländern des Euroraums.
Für uns in der Bundesbank ist die Wahlfreiheit beim Bezahlen wichtig. Wir wollen, dass alle, die lieber mit Bargeld bezahlen, dies auch in Zukunft tun können. Sinkt aber im Zuge des Rückgangs der Bargeldnutzung die Verfügbarkeit oder Akzeptanz von Bargeld im Handel, dann könnte genau diese Wahlfreiheit in Gefahr sein.
Grund genug, uns grundsätzlich mit der zukünftigen Rolle und Bedeutung des Bargeldes für die Gesellschaft zu beschäftigen. Dazu haben wir eine Studie zum „Bargeld der Zukunft“ erstellen lassen, die mit den Methoden der Zukunftsforschung drei mögliche Szenarien zur Nutzung von Bargeld in Deutschland im Jahr 2037 aufzeigt. Die Studienergebnisse haben wir Anfang dieses Jahres veröffentlicht.
Die Szenarien sind ausdrücklich keine Prognosen, sondern lediglich plausible und datengestützte Zukunftsbilder, die unterschiedliche Entwicklungspfade aufzeigen. Sie basieren auf einer Vielzahl von Experten-Interviews, einer umfassenden Literaturrecherche und einer repräsentativen Umfrage der Bevölkerung.
- Szenario 1
„Die hyperdigitale Bezahlwelt“ zeichnet das Bild einer insgesamt stark digitalisierten Welt, aus der das Bargeld weitgehend verschwunden ist.
Bargeld spielt allenfalls noch als Wertaufbewahrungsmittel eine bedeutende Rolle, nicht jedoch als Zahlungsmittel. Nur noch 15 Prozent der Transaktionen erfolgen in bar. Auch Zahlungen zwischen Privatpersonen oder an die öffentliche Verwaltung erfolgen in der Regel digital.
Die flächendeckende Nutzung digitaler Lösungen bedeutet für die deutsche Wirtschaft eine gewisse Abhängigkeit und Verwundbarkeit. Fallen digitale Systeme zeitweise aus oder werden sie angegriffen, können Zahlungen nicht oder nur schwer abgewickelt werden. - Szenario 2
„Die Bezahlwelt in der Bargeld-Renaissance“ geht davon aus, dass die Menschen auch in Zukunft Bargeld in größerem Umfang nutzen werden, wenn auch etwas seltener als heute.
Der Grund dafür ist, dass sich die Menschen angesichts des gestiegenen Bewusstseins für Krisensituationen und für den Datenschutz auf die Vorteile von Bargeld zurückbesinnen.
Die Renaissance des Bargeldes ist Teil eines Trends hin zu lokalem und nachhaltigem Einkaufen. Das Bezahlen mit Bargeld wird zum Statement für Einfachheit, Ausgabenkontrolle und Unabhängigkeit von externen Zahlungsdienstleistern. - Szenario 3
„Die verschwindende hybride Bezahlwelt“ entwirft die Vision einer Welt, in der es stark von den individuellen Lebensumständen und Einstellungen abhängt, ob und wie häufig mit Bargeld bezahlt wird.
Innovationsfreudige Menschen nutzen verstärkt digitale Zahlungsmittel. Menschen mit traditionellen Wertvorstellungen oder Skepsis gegenüber digitalen Bezahllösungen bleiben dagegen dem Bargeld treu.
Insgesamt ist allerdings ein deutlicher Rückgang der Bargeldnutzung zu beobachten, der durch ein sinkendes Angebot an Geldautomaten und eine rückläufige Akzeptanz von Bargeld im Einzelhandel flankiert und verstärkt wird.
Das schleichende Verschwinden des Bargeldes wird von der Bevölkerung in diesem Szenario größtenteils gleichmütig hingenommen. Eine gesellschaftliche oder politische Bewegung zur Erhaltung des Bargeldes bildet sich nicht.
Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen. Erstens: Bei einer deutlich reduzierten Verfügbarkeit von Bargeld und einer gleichzeitig sinkenden Akzeptanz im Handel wäre die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Bezahlen de facto eingeschränkt.
Zweitens: Bargeld kann in Krisensituationen insgesamt stabilisierend auf die Volkswirtschaften wirken. Wenn digitale Lösungen einmal von einer Störung oder einer Krise betroffen sind, dann ist es gut, ein Backup zu haben und ganz klassisch mit Scheinen und Münzen bezahlen zu können. Auch diese stabilisierende Funktion wäre bei einem weitgehenden Verschwinden des Bargeldes gefährdet.
Wenn wir die Wahlfreiheit und Krisenresistenz auch in Zukunft sicherstellen wollen, müssen wir aktiv Maßnahmen ergreifen, um die Position des Bargeldes zu stärken.”
Die Politik muss den rechtlichen Rahmen setzen. Hier ist man schon auf einem guten Weg. Die Bargeldakteure in der Wirtschaft sind aufgefordert, weitere Schritte zur Effizienzsteigerung zu unternehmen und weitere Einsparpotenziale zu realisieren.
Die Bundesbank und das gesamte Eurosystem bekennen sich klar zum Bargeld. Das Eurosystem arbeitet derzeit auch an einer neuen, dritten Euro-Banknotenserie. Letztlich haben es auch die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Hand. Indem Sie regelmäßig bar zahlen, können Sie Bargeld entscheidend stärken. Denn wenn das Bargeld rege genutzt wird, müssen wir uns um Zugang und Akzeptanz keine Sorgen machen.
Die vollständige Rede von Burkhard Balz finden Sie hier.pp
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