Sibos 2018: Open Banking, Instant Payments, TIPS, Compliance & Security – dichtes Programm in Sidney
Sibos ist vermutlich die größte jährliche Veranstaltung der Finanzindustrie – in diesem Jahr fand sie unter dem Motto „Enabling the Digital Economy“ (22. bis 25. Oktober) in Sidney statt – mit mehr als 7.000 Teilnehmer aus aller Welt. Zentrales Thema war – wen wunderts – der tiefgreifende Wandel in der Finanzindustrie. Die Zusammenfassung.
Wie in jedem Jahr diskutierten Experten aus allen Fachbereichen der Finanzwelt in drei Themenfeldern („Streams“) – Payments, Compliance, Security – aktuelle Trends, Lösungsangebote und Herausforderungen.Zu den neuen Formaten der Veranstaltung gehörten die „Breakfast Keynotes“ mit Vorträgen zu den sogenannten Megatrends. Außerdem haben die Themen Innovation, Kooperation und Zukunftstrends mit der „Discover Zone“ einen neuen eigenen Ort im Rahmen der Sibos bekommen: Dort konnten sich die Besucher in ungezwungener Atmosphäre vernetzen. Im Rahmen des „FinTech-Marketplace“ präsentierten sich Finance-Startups. Außerdem stellten Banken wie CBW Bank, ING, National Australia Bank und Westpac ihre eigenen Innovationslabore vor, und die SWIFT Zukunftsplattform „Innotribe“ wagte mit zahlreichen Rednern und Diskussionen einen Ausblick ins Jahr 2030.
Zum Sibos-Auftakt: Schwerpunkte Instant Payments und Open Banking
Das Plenum wurde von Shayne Elliott eröffnet, dem CEO der Australia and New Zealand Banking Group (ANZ) und drittgrößten Bank Australiens. In seiner Begrüßungsrede unterstrich Elliott die grundlegende Natur der gegenwärtigen Veränderungen. Er erwartet, dass sowohl das Universalbanken-Modell – als die von vielen Banken verfolgte Geschäftsstrategie – als auch das australische Banken-Oligopol selbst unter der Wucht dieser Veränderungen auseinanderbrechen werden. Um in einer unsicheren Zukunft erfolgreich zu sein, müssten Banken daher verstärkt mit Startups und globalen Technologieriesen zusammenarbeiten, so Elliott.
Wesentliche Impulse erwartet er dabei von der Verbindung von Instant Payments und Open Banking. Das mit Unterstützung von SWIFT im Februar eingeführte neue nationale, australische Echtzeitzahlungssystem New Payments Platform (NPP) sieht er als „guten ersten Schritt“, auf dem aber konsequent aufgebaut werden müsse. Im Zusammenspiel mit einer Öffnung der Wertschöpfungsketten der Banken, dem Open Banking, erwartet er „eine Explosion neuer Angebote für die Kunden.“
Das Grundmotiv von Shayne Elliott – die enge Verbindung zwischen dem Umbruch im Zahlungsverkehr und der Transformation der Bankenwelt – wurde auch von SWIFT-Vertretern in ihren jeweiligen Ansprachen aufgenommen. Yawar Shah, Chairman von SWIFT sieht das Unternehmen als das FinTech der Banken. Shah rief die Teilnehmer auf, die weitreichenden Initiativen in den Bereichen Innovation – GPI (Global Payments Innovation) – und Sicherheit – CSP (Customer Security Programme) – engagiert zu unterstützen, denn „aus SWIFT bekommen Sie das heraus, was Sie auch hineinlegen“, kommentierte er.
Wandel begünstigt die aufgeschlossenen Menschen. Wer nicht nach dem Unerwarteten sucht, wird es auch nicht finden.“
Gottfried Leibbrandt, CEO SWIFT
Regionale Echtzeitzahlungssysteme und der Asien-Pilot
Ein weiterer wichtiger Aspekt des ersten Konferenztages war die Entwicklung regionaler Echtzeitzahlungssysteme. So wurde das regionale skandinavische Echtzeitzahlungssystem P27 vorgestellt, das zurzeit von großen Banken aus Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland aufgebaut wird. Das System soll die 27 Millionen Endkunden dieser Länder (daher P27) verbinden und Echtzeitzahlungen in schwedischen, dänischen und norwegischen Kronen sowie Euros ermöglichen – auch mit Hinblick auf den Markteintritt globaler Technologiegiganten wie Apple in den Zahlungsverkehr.
SWIFT hatte bereits im Vorfeld der Konferenz den erfolgreichen Test seines Echtzeitzahlungs-Piloten für grenzüberschreitende Zahlung zwischen Australien, Thailand, China und Singapur verkündet. Der Pilot wurde im Rahmen der SWIFT-Initiative Global Payments Innovation (GPI) durchgeführt und baut auf der australischen New Payments Platform (NPP) auf. Im Rahmen des Piloten testeten zwölf Banken drei verschiedene Länderkorridore: China-Australien, Singapur-Australien und Thailand-Australien.
Die schnellste Zahlung wurde mit einer End-to-End-Abwicklungszeit von 18 Sekunden von China nach Australien geschickt. Die schnellsten Zahlungen auf den anderen beiden Korridoren erreichten die Endbegünstigten in 30 Sekunden. Alle Zahlungen im Rahmen des Pilotprojekts waren innerhalb von höchstens 60 Sekunden abgewickelt – inklusive Screening, Zahlungsvalidierungen, Liquiditätsmanagement und Statusaktualisierungen.
Darüber hinaus hat SWIFT anlässlich der Sibos mit „GPI4Corporates“ auch ein spezifisches Firmenkundenprodukt in den Markt gebracht. Der Dienst erlaube es Unternehmen, grenzüberschreitende Zahlungen bei mehreren Banken gleichzeitig nachzuverfolgen („multi-bank payments tracking“). Er baut auf den FIN- und ISO 20022-Standards auf.
Die Rolle der Zentralbanken im Zahlungsverkehr
Während die Zahlungsverkehrsbranche in vielen Märkten ohne öffentliches Mandat und rein nachfragegetrieben Echtzeitzahlungslösungen anbietet, spielen die Regulierungsbehörden in anderen Märkten eine zentrale Rolle. Weltweit müssen insbesondere die Zentralbanken prüfen, welche Rolle sie bei der Verbreitung von Instant-Payments-Systemen spielen können – und wollen. Ein Beispiel, das auch auf der Sibos in aller Munde war, ist TIPS, das Target Instant Payments Settlement System der Europäischen Zentralbank (EZB). Marc Bayle de Jessé, Director General of Market Infrastructures and Payments bei der EZB, erklärte, dass Europa ein großes Interesse an Innovation im Zahlungsverkehr habe, denn: „Europa braucht die Fähigkeit, Zentralbankgeldzahlungen in Echtzeit abzuwickeln.“
Am Mittwoch der Sibos-Konferenz verkündete SWIFT gemeinsam mit EBA-Clearing den Plan, das EURO1-System für Großbetragszahlungen im Rahmen eines gemeinsamen Projekts bis November 2021 voll auf den ISO 20022-Standard umzustellen – und damit gleichzeitig mit dem Zeitpunkt der Umstellung der TARGET2-Plattform des Eurosystems. Dabei sollen auf Wunsch der Kunden die Kernkomponenten von EURO1 und seine wichtigsten Vorteile erhalten bleiben: effizientes Liquiditätsmanagement, sofortige Finalität von Zahlungen und Kosteneffizienz. Auch soll eine größtmögliche Abstimmung mit anderen EBA CLEARING-Diensten sichergestellt werden.
IT-Sicherheit als Grundlage und Herausforderung für den Zahlungsverkehr
Cyber Security war eines der großen Themen des zweiten Konferenztages. In der „Big Issue Debate“ wurde die Frage gestellt, ob ein vergleichbar einschneidendes Ereignis wie die Terroranschläge des 11. September für die digitale Sphäre unausweichlich sei („Is a cyber 9/11 event inevitable?“). So hatte das World Economic Forum in seinem jährlichen Risikobericht (Global Risks Report 2018) Cyber Security als eines der wichtigsten Risiken nicht nur für den Finanzsektor, sondern für die gesamte Welt identifiziert und gewarnt:
Die Cyber-Security-Risiken nehmen zu, sowohl hinsichtlich ihres Verbreitungsgrades als auch hinsichtlich ihres Zerstörungspotenzials. Angriffe auf Unternehmen haben sich innerhalb von fünf Jahren fast verdoppelt, und Vorfälle, die vor kurzem noch als außergewöhnlich galten, werden immer häufiger vorkommen.
Eine Umfrage unter den Sibos-Konferenzteilnehmern ergab, dass eine Mehrheit mit einer einschneidenden Cyber-Attacke („big one“) in den kommenden 10 Jahren rechnet. Bislang können die wachsenden Ressourcen und Fähigkeiten, die zur Abwehr dieser Gefahren eingesetzt werden, mit dem Anstieg der Angriffe mithalten. Auf SWIFT-Seite spielt dabei das Customer Security Programme (CSP) eine entscheidende Rolle.
Mittlerweile hätten sich mehr als 90% der SWIFT-Teilnehmer ihre Selbstattestierung im Rahmen des CSP abgeschlossen, die 99% der gesamten FIN-Meldungen über das SWIFT-Netzwerk abdecken. SWIFT geht davon aus, dass jeweils 100% erreicht werden. Gleichzeitig arbeiten Marktinfrastrukturbetreiber, Regierungsbehörden und Dienstleister zunehmend enger zusammen, koordinieren große Sicherheitsübungen und tauschen Informationen über Organisationen wie das SWIFT Information Sharing and Analysis Center (ISAC) sowie das thematisch breiter aufgestellte Financial Services Information Sharing and Analysis Center (FS-ISAC) aus. Jenseits aller Maßnahmen ist das Ziel mehr denn je, eine gemeinsame Sicherheitskultur zu schaffen. Nicht die Einzelmaßnahme, sondern diese Kultur bildet den wirksamsten Schutz vor Cyber-Angriffen. Darin war sich das hochkarätig besetzte Panel mit Jacqueline McNamara, Head of Cyber Security bei Telstra, Dimitri Samartsev, Chief Executive Officer bei BI.ZONE, und Troy Hunt, Independent Security Architect, einig, das von Ed Johnson, Managing Editor for Australia/New Zealand bei Bloomberg, moderiert wurde.
Instant Payments und Compliance – zwei feindliche Brüder?
Nach dem Großthema „Cyber Security“ widmete sich der dritte Konferenztag unter anderem der Frage, wie die Branche die bereits hohen und weiter steigenden Anforderungen an die Abwehr von Finanzkriminalität (Stichworte „Money Laundering“ und „Terrorist Finance“) mit den Erwartungen an eine Welt komfortabler Echtzeitzahlungen in Übereinstimmung bringen kann. Mit mehr als 40 Ländern, die bereits Instant Payments-Systeme implementiert haben, ist der Trend zu Echtzeitzahlungen ungebrochen. Wie kann diese Nachfrage bewältigt werden, ohne dass die Sicherheit darunter leidet? Barbara Patow, Global Head of Correspondent Banking bei HSBC, stellte fest, dass „viele globale Banken zwar eine wirksame Sanktionsprüfung etabliert haben, dabei aber nicht effizient sind“. Allein die HSBC überprüft rund 1,2 Millionen Zahlungen pro Tag, von denen rund 70.000 als sicherheitskritisch eingestuft werden.
SWIFT hatte in diesem Zusammenhang anlässlich der Sibos die Einführung eines neuen Dienstes angekündigt: Payment Controls. Dabei handelt es sich um eine in die bestehenden Netzwerkdienste integrierte, intelligente Lösung zur Bekämpfung betrügerischer Zahlungen und zur Stärkung der bestehenden Kundensicherheit, die im Rahmen des SWIFT CSP angeboten wird. Die neue Lösung unterstützt die Kunden durch Alarm- und Berichtsfunktionen dabei, das Betrugsrisiko im Zahlungsverkehr in Echtzeit zu minimieren. Der Service könne so eingestellt werden, dass er risikoreiche oder untypische Zahlungen in Echtzeit markiert, hält, freigibt oder ablehnt, je nach Geschäftsanforderungen. Ursprünglich auf kleinere Finanzinstitute ausgerichtet, wird der Dienst in der SWIFT-Cloud gehostet, um den Benutzern einen sofortigen Zugriff ohne Installation oder Wartung von Hard- oder Software zu ermöglichen.
Innovation und Standardisierung als Ermöglicher der Echtzeitzahlungswelt
Ein zentrales Thema der Sibos, das auch am vierten und letzten Tag intensiv diskutiert wurde, war die Einordnung von Zahlungsverkehrsinnovationen in den allgemeinen Umbruch in der Bankenlandschaft sowie den Gesamtkontext der digitalen Wirtschaft. So warnte Di Challenor, General Manager Global Transaction Services bei Westpac, das Publikum auf der Bühne der ‘Discover Zone’ davor, Innovationen als Selbstzweck zu betreiben.
Der Wandel muss von den Bedürfnissen der Kunden getrieben werden. Außerdem sollten die Banken sorgfältig auswählen, wer die richtigen Partner sind.“
Di Challenor, General Manager Global Transaction Services bei Westpac
Bereits am Tag zuvor hatte im Rahmen der „Big Issue Debate: Disruption in the Payments Landscape“ ein Expertenpanel zu der Frage Stellung bezogen, wie neue Regulierung, veränderte Nutzererwartungen sowie Technologien wie Artificial Intelligence (AI) und Distributed Ledger Technology (DLT) die Wertschöpfungsketten der Banken öffnen. Leila Fouie, CEO des Australian Payments Network, John Gibbons, Head of Global Transaction Banking bei der Deutschen Bank, Ulku Rowe, Technical Director Financial Services bei Google, und Esther George, President und CEO der Federal Reserve Bank of Kansas City, stellten die These in Frage, dass agil agierende FinTechs notwendigerweise die Oberhand haben, wenn es darum geht, die Chancen aus dem Umbruch des Zahlungsverkehrsmarktes zu nutzen. Das Panel arbeitete heraus, dass auch die etablierten Banken über eine Reihe von Wettbewerbsvorteilen verfügen: einen starken Fokus auf operative Robustheit, Prozessstandardisierung und Best Practice sowie Stärken in den Bereichen Risikomanagement, Datenschutz und Cyber Security. Allgemein ging das Panel davon aus, dass sich an der Schnittstelle von Instant Payments und Open Banking kein Oligopol mit wenigen Anbietern, sondern vielmehr ein an den spezifischen Kundenbedürfnissen ausgerichtetes, vielgestaltiges Ökosystem etablieren wird.
Neben Echtzeitzahlungen und Open Banking lag ein weiterer Schwerpunkt des letzten Konferenztages auf dem Thema Standardisierung. Bereits im fünften Jahr berichtete die Real Time Payments Group (RTPG) über jüngste Entwicklungen. Ziel der Gruppe ist die Harmonisierung der Anwendung von Zahlungsverkehrsstandards und Gewährleistung ihrer Interoperabilität weltweit. Die RTPG umfasst mehr als 70 Interessengruppen aus 17 Ländern, darunter Australien, Kanada, Dänemark, Deutschland, Indien, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Japan. In diesem Zusammenhang wies David Chance, Senior Expert Payments Strategy bei Fiserv, darauf hin, dass eine verbesserte Einbindung von FinTechs notwendig ist – auch und gerade bei der Einführung der ISO 20022-Norm. Bei der Standardisierung gehe es nicht nur um technische Umsetzung, sondern um aktives Engagement für einen harmonisierten Zahlungsverkehrsmarkt.
Zum Abschluss der Konferenz weitete Professorin Genevieve Bell, Senior Fellow bei der Intel Corporation und Kulturanthropologin, den Blick der Teilnehmer auf den größeren Zusammenhang, in dem sich die Innovationen im Bereich Echtzeitzahlungen und Open Banking verwirklichen: die vierte industrielle Revolution. Sie plädierte dafür, den Menschen ins Zentrum dieser Transformation zu stellen. Neu entstehende technologische Systeme und Geschäftsmodelle müssen kritisch hinterfragt werden, um sicherzustellen, dass sie die Bedürfnisse der Menschen erfüllen. Shayne Elliott, CEO der ANZ, der bereits das Eröffnungsplenum eingeleitet hatte, kommentierte in diesem Zusammenhang:
Sich hinzustellen und eine Bank zu sein, ist jedenfalls kein erfolgreiches Modell mehr.“
Die nächste Sibos findet vom 23. – 26. September 2019 in London statt.aj
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