MOBILE PAYMENT20. Juli 2016

Sieben Gründe warum TWINT – gerade gegen Apple Pay – erfolgreich sein wird

Claudio Gisler, Leiter des Beratungszentrum der WIR BankWIR Bank
Claudio Gisler, Leiter des Beratungszentrum der WIR BankWIR Bank

Apple führt seinen mobilen Bezahlservice Apple Pay in der Schweiz ein und keiner merkt es so richtig. Währenddessen arbeitet eine Allianz von namhaften Unternehmen an einer Alternative: TWINT. Denn kampflos möchte man den mobilen Zahlungsverkehr nicht den Großfirmen aus Übersee überlassen. Ist der Kampf David gegen Goliath zum Scheitern verurteilt? Vermutlich nicht. Es gibt 7 gute Gründe, warum TWINT erfolgreich sein wird – mindestens.

von Claudio Gisler, Leiter Beratungszentrum WIR Bank 

Auf die drohende Konkurrenz von Apple, Google und Samsung im Bereich Mobile Payment bereitet man sich in der Schweiz schon lange vor. Die Bankenwelt unter der Führung von SIX, der Anbieterin von Payment Services, entwickelte Paymit und die PostFinance ihr mobiles Bezahlsystem TWINT. Die Nummer zwei im Schweizer Detailhandel, Coop, entschied sich rasch, Zahlungen mit TWINT an Ihren Kassen anzubieten. Die Nummer eins, Migros, kündigte an, nachzuziehen.

Kooperation, um gegen globale Riesen zu bestehen: Ein neues TWINT

Als immer mehr Banken auf die Lösung der PostFinance aufsprangen, kam Bewegung ins Spiel. Die Verantwortlichen von TWINT und Paymit entschieden sich, die beiden Systeme zusammenzulegen. Die einzig richtige Entscheidung: Denn wenn sich Schweizer Unternehmen gegenseitig bekämpfen, würden die globalen Riesen ein leichtes Spiel haben.

TWINT
TWINT

Gemeinsam arbeiten nun also die größten Banken, PostFinance, SIX, Swisscom, Coop und Migros an einer neuen Lösung, an einem neuen TWINT. Doch durch die anfänglich parallele Entwicklung von zwei Systemen entstand ein Zeitverlust – und der wiegt schwer. Denn die Schweiz ist ein iPhone-Land mit hoher Kaufkraft. Nur logisch, hat sich Apple die Schweiz als zweites Land in Europa für die Einführung von Apple Pay ausgesucht.

Den Markt Apple, Google und Samsung überlassen? Die Kampfansage der Schweizer Banken

Lohnt es sich überhaupt, eine schweizerische Lösung zu entwickeln und einzuführen? Die TWINT-Allianz scheint diese Frage mit einem klaren „Ja“ zu beantworten. Die TWINT-Allianz hat ein Ass im Ärmel: Sie kontrolliert den Schweizer Markt in vielfältiger Hinsicht. So kontrolliert sie die wesentlichen Kreditkarten-Issuer und –Acquirer in der Schweiz – direkt oder indirekt. Entsprechend hat sie Apple Pay gleich mal aufs Abstellgleis geschickt – nur wenige, unbedeutende Kreditkarten können eingesetzt werden. Und so wird Apple Pay in naher Zukunft nur ein Mauerblümchendasein fristen.

Eine langfristige Chance für TWINT

Wenn die ganze Welt mit Apple Pay bezahlt, kann die kleine Schweiz doch nicht ein eigenes System betreiben, mag man denken. Aber es gibt gute Gründe, dass TWINT langfristig erfolgreich sein und sich gegen Apple Pay behaupten könnte:

1. Die Allianz der Großverteiler: Die beiden Detailhändler Coop und Migros haben zusammen einen Marktanteil im Lebensmittelbereich (Food und Near Food) von ca. 70%. Mit dieser Marktmacht und ihren finanziellen Möglichkeiten können sie schnell ein Zahlungssystem schweizweit einführen – oder auch eines verhindern.

2. Die Allianz der Finanzindustrie: Im Kampf gegen Apple Pay haben sich alle vereint – Banken, PostFinance und Zahlungsanbieter. Nur wenn dieses Konsortium es zulässt, wird Apple Pay auch genügend Akzeptanzstellen aufbauen können: Denn über dieses Konsortium wird die Mehrheit der Bezahlterminals in der Schweiz kontrolliert.

3. Swisscom will/kann nicht: Diejenigen, die sonst noch was auf die Beine stellen könnten, wie z.B. Swisscom mit Tapit, wollen oder können nicht. Swisscom als einer der grössten BPO-Anbieter in der Finanzindustrie würde mit einem Alleingang wohl ihre größten Kunden verärgern.

4. Kundenpotenzial: TWINT lässt sich direkt mit dem Konto bei der Bank verbinden. Der Nutzer braucht keine Kreditkarte. Es werden also auch Kunden erreicht, die keine Kreditkarte haben.

Autor Claudio Gisler
Claudio-Gisler-WIR-Bank-516Claudio Gisler leitet das Be­ra­tungs­zentrum der WIR Bank Genos­senschaft und ist Mit­glied der Direkti­on. In die­ser Funkti­on setzt er sich in­ten­siv mit Trends in der Fi­nanz­indus­trie aus­ein­an­der. Er hat ei­nen Mas­ter of Advanced Studies in Banking & Fi­nance der Fachhoch­schule Ka­laidos und bloggt zu den Themen „Innovationen in der Fi­nanz­indus­trie“ und „Komplementärwährun­gen“ und kommentiert die­se auf Twit­ter un­ter @clau­diogisler. Alle Bei­träge schreibt Clau­dio Gisler in ei­ge­nem Namen – sie reflektie­ren nicht die Mei­nung sei­ner Arbeitgebe­rin.
5. Vertrauen: TWINT wird von angesehenen Schweizer Unternehmen betrieben, die einen einwandfreien Ruf haben und denen man vertraut. Die Kunden- und Nutzungsdaten bleiben in der Schweiz.

6. Gebühren: Die sehr tiefen Transaktionskosten von 2 – 20 Rappen pro Transaktion für den Zahlungsempfänger bei TWINT werden viele Händler veranlassen, Zahlungen mit TWINT zu bevorzugen – denn die Kreditkartengebühren bei Apple Pay sind wesentlich höher

7. Unabhängigkeit vom Gerät: TWINT funktioniert, egal ob man Apple- oder Android-Nutzer ist. iPhone werden sogar schon ab Version 4S unterstützt, während man für Apple Pay mindestens eine iPhone 6 benötigt

So oder so: Apple Pay wird in Zukunft auch in der Schweiz weit verbreitet sein. Neben TWINT.”

Denn als Land mit einer starken Tourismusindustrie wird die Schweiz auf jeden Fall Apple Pay einführen. Schließlich sollen die Touristen ihr Geld in der Schweiz ausgeben – und sei es mit Apple Pay.aj

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