Praxistest: Das Mobile Payment der VR-Banken … noch braucht man drei Apps
Mobile Payment bei den Genossenschaftsbanken gibt es seit dem 6. Juni 2018. Die VR Bank HessenLand und die Volksbank Mittelhessen sind hierbei die Marktpiloten. Das Besondere, zusätzlich zur Kreditkarte ist es auch möglich, eine girocard ins Smartphone zu packen. Rudolf Linsenbarth hat die Möglichkeit genutzt, diese Lösung ausführlich zu testen.
von Rudolf Linsenbarth
Die Volksbank Mittelhessen und VR Bank HessenLand sind als erste (nach der Family&Friends-Phase) in den Regelbetrieb für das Mobile-Payment gestartet (mehr…). Die Beschreibung der Einrichtung eines Kontos bei der Volksbank erspare ich Ihnen an dieser Stelle. Ich starte an dem Punkt, wo es auch für die Kunden der Genossenschaftsbanken los geht.
Die Installation Für den Test haben wir das das Folgende vorausgesetzt: ein Girokonto und eine Kreditkarte (falls die auch hinzugefügt werden soll). Zudem sind auf dem Smartphone bereits die folgenden beiden Apps eingerichtet, VR- Banking und VR-SecureGo für das Erzeugen von Push-TANs.
Wer so weit vorbereitet ist, muss als erstes eine weitere App mit dem Namen Digitale Karten installieren. Der Start von Digitale Karten führt dann direkt zurück in die VR-Banking App. Dort kann man entscheiden, ob man eine girocard, eine Kreditkarte oder beides hinzufügen möchte.
Die nun hinzugefügte Karte ist eine neue Instanz unabhängig von der Plastikkarte. Leider ist sie nicht sofort nutzbar, da der zugehörige PIN-Brief per Post kommt. In meinem Fall hat das 3 Werktage gedauert. Die vorgegebene PIN lässt sich derzeit nicht ändern.”
Bei der Kreditkarte geht es ähnlich, der Unterschied liegt vor allem darin, dass hier keine neue Instanz, sondern ein digitaler Klon erzeugt wird. Dementsprechend haben dann die Plastikkarte und ihr mobiles Pendant immer dieselbe PIN. Wechsel für beide Produkte inklusive.
Das Handling
Die wesentlichen Einstellungen für das mobile Bezahlen werden in der App Digitale Karten vorgenommen. Zuerst wird man gefragt, ob man Digitale Karten als Standardanwendung nutzen möchte. Das ist wichtig, wenn man wie ich, mehrere Zahlapplikationen installiert hat und bereits eine andere App diese Rolle einnimmt. Hier muss man zwingend zustimmen, denn die genossenschaftliche mobile Payment-Lösung arbeitet nur, wenn Sie als Standard-Zahllösung gesetzt ist.
Die nächste Einstellung, betrifft die sog. Express-Zahlung. Wer den Schalter hier auf aktiv schiebt, kann mit dem Smartphone sofort bezahlen, sobald das Display angeschaltet ist. Ein Entsperren des Smartphones bzw. Einloggen in die App ist nicht notwendig.”
Bei Beträgen bis 25€ einfach tappen, wenn der Zahlbetrag darüber liegt noch die PIN eingeben, ganz wie mit der kontaktlosen Plastikkarte. Wobei einen wesentlichen Unterschied gibt es dann doch:
Die virtuelle girocard kommt ohne Zählcounter daher, man muss also nicht wie beim Plastik-Pendant nach einer bestimmten Anzahl von Taps eine kontaktbehaftete Transaktion tätigen. Das wäre ja auch nicht möglich.”
Wer eine girocard und eine Kreditkarte in der App hat, kann in den Express-Einstellungen auch festlegen, welche Karte dann beim Vorhalten des Smartphones präsentiert wird. Beide Karten scharf schalten und dem Terminal die Selektion zu überlassen, ist nicht vorgesehen. Zum Wechsel der Standardkarte muss man dann wieder in die App. Hier kann man eine andere Karte für einen einzelnen Zahlvorgang selektieren oder auch permanent umschalten.
Unter den Einstellungen kann man noch für jede Zahlung eine Push-Nachricht, Vibrationsrückmeldung und Sound beim Tappen auswählen. Für das Bezahlen muss das Smartphone nicht Online gehen.
Es sind 10 Kryptoschlüssel vorgespeichert, die auch kontinuierlich nachgeladen werden. Erst wenn alle Keys verbraucht sind, ist eine Verbindung zum Backend zwingend erforderlich.”
Das ist aufgefallen
Der erste Test mit der kontaktlosen girocard erfolgte in einer Filiale der Fa. Ernstings Family. Der dortige Zahlungsdienstleister Ingenico zieht auch bei kontaktlosen girocard-Zahlungen eine Lastschrift. Für die mobile girocard wurde aber sofort eine girocard-Transaktion durchgeführt, während eine anschließende kontaktlose Bezahlung per Plastik in einer Lastschrift endete. Das Thema werde ich noch mal in einem separaten Artikel beleuchten.
Alle weiteren Zahlungen danach liefen reibungslos und unspektakulär. Transaktionen mit der girocard wurden immer nur bei Händlern abgelehnt, die noch keine girocard kontaktlos Akzeptanz hatten, ohne das am POS zu kommunizieren. Einzige Ausnahme war noch die Ablehnung eines Zahlungsvorgangs mit der VISA-Karte beim Brezel-Bäcker Ditsch im Duisburger Hauptbahnhof. Da gab es aber anscheinend generelle Probleme bei der Zahlung mit VISA, denn eine kontaktlose Plastikkarte hat auch nicht funktioniert.
In der App Digitale Karten hat man sofort nach dem Bezahlen das Datum und den Betrag. Es werden immer die letzten 10 Transaktionen je Karte angezeigt. Wer mehr wissen will, findet nach erfolgtem Clearing Informationen zum Händler in der VR-Banking App.
Mobile Payment: Fazit des Praxistests
Mit der App Digitale Karten legen die Genossen ein Produkt vor, dass mehr als ein MVP (Minimum Viable Product) ist. An zwei Punkten muss aber dringend nachgearbeitet werden.”
Mit der App Digitale Karten legen die Genossen ein Produkt vor, dass mehr als ein MVP (Minimum Viable Product) ist. An zwei Punkten muss aber dringend nachgearbeitet werden.”
Da wäre zum ersten das Thema CDCVM (Consumer Device Cardholder Verification Method). Wer einmal mit dem Fingerabdruck auf dem Smartphone eine Zahlung über 25€ authentifiziert hat, für den ist alles andere nur noch Second Best! Außerdem sind ohne CDCVM in Frankreich keine Zahlungen über 20€ möglich.
Der zweite Punkt betrifft die Möglichkeit der PIN Änderung für die girocard, ohne das Paradigma der eigenen Instanz aufzugeben. Eine nicht vorhandene PIN-Änderung für ein digitales Produkt ist dem Kunden nicht vermittelbar. Außerdem ist nur über diesen Pfad ein Instant Issuing, also das sofortige Ausspielen einer Karte direkt nach der Kontoeröffnung, möglich.
Das sehen die am Projekt Beteiligten des genossenschaftlichen Finanzverbundes übrigens genauso. Bereits zum bundesweiten Rollout am 13. August wird es ein Update geben. Hier können die Volksbank-Kunden bei der Einrichtung ihre girocard PIN auf die Mobile Karte spiegeln. Damit ist Mobile Payment sowohl für die girocard als auch die Kreditkarte sofort einsatzfähig.
Solche Verbesserungen der eigenen Mobile-Payment-Lösung müssen in adäquater Zeit umgesetzt werden. Das erfordert eine agile Weiterentwicklung der Produkte. Bisher war das nicht die Stärke der deutschen Banken. Auch hier sollen weitere Releases noch in diesem Jahr folgen.
Wer legt die Messlatte?
Was noch schwerer wiegt ist die Tatsache, dass die Mobile-Payment-Lösungen von Apple und Google in Zukunft ständig als Messlatte dienen werden. Hier das Entwicklungstempo mitzugehen, ist die eigentliche Herausforderung. Wie sieht es zum Beispiel beim Thema Wearables oder InApp Payments aus?
Auf Dauer wird es nicht ausreichen, einzelne Feature mit einer Verzögerung von einem halben Jahr nachzuliefern. Warum nicht auch einmal selber den Takt angeben. Ein digitaler Kassenbon oder eine Kundenbindungslösung warten auf eine gute Umsetzung.”
Für die Verbraucher und den Handel wäre es wünschenswert, beim Mobile Payment nicht nur einem Duopol zweier US Unternehmen gegenüber zu stehen.Rudolf Linsenbarth
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