P27 – globale Echtzeitzahlungen: “Dieser Dienst wird einmalig sein” – Dr. Robejsek, Mastercard im Interview
P27 ist die Initiative der nordischen Staaten, einen einheitlichen Echtzeit-Zahlungsdienst mit Transaktionsabwicklung in mehreren Währungen zu erschaffen (Website). Im Zielbild bedient dieser Dienst 27 Millionen Menschen mit Echtzeit-Zahlungen, daher P27. IT Finanzmagazin hat mit Dr. Peter Robejsek gesprochen. Er verantwortet bei Mastercard (Pressemitteilung) das Produktmanagement für Deutschland und die Schweiz.
Hallo Herr Dr. Robejsek, in Europa haben wir nun Instant Payment. Aber global gesehen: Wo steht global die Entwicklung hin zu Echtzeit-Zahlungen?
Weltweit haben Zahlungsinfrastrukturen vielfach ein hohes Alter erreicht. Das ist synonym mit einer hohen Effizienz aber auch damit, dass die Technologien und Regelwerke, welche diesen Systemen zugrundeliegen, oft nicht mehr modern sind und daher auch für Echtzeit-Zahlungen ungeeignet. Volkswirtschaften nutzen also diese Gelegenheit dazu, ihre Infrastrukturen und Regelwerke auf den Prüfstand zu stellen und zu modernisieren. Dies führt zu einer hohen Dynamik bei Echtzeit-Zahlungssystemen.Aktuell sind über 40 Echtzeit-Zahlungs-Schemes weltweit live oder gehen in den Betrieb. In Europa ist hier neben dem Faster Payments System in Großbritannien und dem SEPA credit transfer instant (SCT inst) auch die jüngste Bestrebung der nordischen Staaten hervorzuheben, bekannt als P27.”
Hier werden Zahlungen in den Heimatwährungen und in EUR auf eine Echtzeit-Technologie gehoben. Begünstigt wird diese Entwicklung natürlich auch von dem Trend zum neuen Nachrichten-Standard ISO 20022. Dieser bildet sozusagen die Sprache, in der Zahlungssysteme künftig miteinander kommunizieren werden, und wird künftig beispielsweise auch in der Kommunikation zwischen Banken und Zentralbanken vorausgesetzt.
Ist das, was wir als Instant-Payments haben, auch das, was Sie unter einer Echtzeit-Zahlung verstehen?
Wenn sie mit Instant-Payments so etwas wie SCT Inst meinen, so lautet die Antwort ja. Eine Echtzeit-Zahlung ist eine elektronische Zahlung von Konto zu Konto, die die sofortige Gutschrift beim Zahlungsempfänger vorsieht. Das allein reicht aber nicht, um unserem Verständnis von Echtzeit zu genügen. Sie muss zudem auch unwiderruflich und sofort verfügbar sein.
Das aktuelle Zahlungssystem funktioniert ja – brauchen wir globale Echtzeit-Zahlungen wirklich?
Echtzeit-Zahlungen haben viele Vorteile, sowohl national, regional als auch global. Insbesondere in Volkswirtschaften mit weniger gut entwickelten, sprich langsamen und schlecht verfügbaren, Zahlungssystemen können Echtzeit-Zahlungen erhebliche Vorteile bringen. Diese sind zum Beispiel Reduktionen im sogenannten „Float“, also Umlaufvermögen, welches aufgrund von Bearbeitungszeiten im Zahlungssystem sozusagen gefangen ist. Man darf nicht vergessen, dass – Niedrigzins hin oder her – Unternehmen nicht über unbegrenzte Kreditlinien verfügen.
Vielfach halten Unternehmen auch finanzielle Reserven speziell für den Fall von Zahlungsverzögerungen. Diese können in einem System mit sofortigen, unwiderruflichen Zahlungen natürlich aufgelöst werden.”
Außerdem, so zeigt zum Beispiel Thailand, können Zahlungen in Echtzeit die Effizienz des Steuersystems verbessern insoweit Echtzeit-Zahlungen Bargeld ersetzen.
Elektronische Zahlungssysteme – vor allem Echtzeit-Zahlungssysteme – verdrängen zudem erfolgreich ineffiziente, bearbeitungsintensive Bezahlverfahren wie bspw. Schecks und tragen damit zu einer Senkung der volkswirtschaftlichen Kosten eines Zahlungssystems bei.
Je mehr Echtzeit-Zahlungssysteme weltweit entstehen und je mehr diese miteinander kompatibel sind, umso eher werden Staaten, Unternehmen und Bürger von diesen Vorteilen profitieren.
Wir dürfen auch einen psychologischen Faktor nicht vergessen: Der Konsument versteht vielfach nicht mehr, warum Dinge heutzutage NICHT in Echtzeit passieren.”
In einer digitalen, vernetzten Welt sollten doch bitteschön auch Zahlungen reibungslos und sofort erfolgen. Das allein sollte Finanzdienstleistern ein Anreiz sein, möglichst schnell und flächendeckend Echtzeit-Zahlungen anzubieten.
Dr. Robejsek blickt auf eine langjährige Erfahrung im Financial Services Sektor zurück, insbesondere im Wealth Management und in der Strategieberatung. Dort hat er bei Strategy& sowie bei Mastercard Advisors Finanzdienstleister und deren IT Serviceprovider zu Themen rund um Strategie, Technologie und Payments beraten. Dr. Robejsek hat an der Durham University im Vereinigten Königreich promoviert. In seiner wissenschaftlichen Arbeit hat er Verfahren des maschinellen Lernens auf die Schätzung ökonomischer Zusammenhänge angewendet.
Wer hat ein verschärftes Interesse an globalen Echtzeit-Zahlungen?
Globale Echtzeit-Zahlungen sind im Interesse aller. Regierungen, Unternehmen und Bürger profitieren davon, wenn das Zahlungssystem effizienter und schneller wird.
Sanktionslistenüberwachung und noch mehr Anti-Fraud sind bei Echtzeit-Zahlungen ja aufgrund der Geschwindigkeit ein erhebliches Problem. Wie löst das P27?
Das beste Beispiel ist hier sicher Vocalink, der Dienstleister, welcher hinter der P27-Initiative steht.
Vocalink (Website, anm. d. Red.), eine 100% Tochtergesellschaft von Mastercard, betreibt seit Jahren erfolgreich das Echtzeit-Zahlungssystem in Großbritannien. In diesem System gilt es, genau dieser Herausforderung Herr zu werden. Mit fortschrittlicher Infrastruktur und mit maschinellem Lernen bzw. Methoden der künstlichen Intelligenz gelingt es hier, verdächtige Konten und Transaktionen sehr schnell und zuverlässig zu identifizieren.
Dies erleichtert den angeschlossenen Banken nicht nur Betrugsprävention, sondern auch das Aufspüren von Netzwerken betrügerischer Konten und deren Eliminierung – und zwar nach Möglichkeit proaktiv.”
Damit wird also neben dem Thema Betrug auch noch das Thema Geldwäsche erfolgreich adressiert.
Worum handelt es sich bei der Initiative „P27“ und was macht diese besonders?
Dieser Dienst wird einmalig sein, indem er in unterschiedlichen Währungen funktioniert und so die nahtlose Brücke zwischen den in EUR handelnden Staaten der EU und den nordischen Staaten bildet.”
Es wird eine einheitliche, effiziente Infrastruktur und ein einheitliches Regelwerk geben, auf dessen Basis die nordischen Staaten miteinander in Echtzeit Zahlungen austauschen. Besonders ist auch, dass hier eine regional bedeutsame, besonders sensible Infrastruktur einem Dritt-Dienstleister anvertraut wird. Dies bedarf eines Dienstleisters mit besonders hoher Kompetenz in der Lösungsfindung. Aber die beauftragenden Banken sowie Zentralbanken und Regierungen müssen zu diesem Dienstleister auch ein sehr ausgeprägtes Vertrauensverhältnis aufbauen. Daher freut es uns ganz besonders, dass Vocalink als Dienstleister für P27 ausgewählt wurde.
Warum macht Mastercard das? Was sind motivierende Faktoren für Initiativen wie P27?
Mastercard versteht sich als Technologieunternehmen, welches Endkunden, Unternehmen und Banken mit- und untereinander vernetzt. Zum Wesen eines Technologieunternehmens gehört es auch, ständig neue Lösungen und Services zu entwickeln, so wie es die Kundenbedürfnisse erfordern. Für uns ist die Welt der Kartenzahlungen enorm wichtig und wird ständig weiterentwickelt. Aber darüber hinaus ist die Zahlung zwischen Konten ebenfalls relevant und die funktioniert künftig in Echtzeit. Mit der Akquisition von Vocalink, dem Betreiber des Echtzeit-Zahlungssystems in Großbritannien, haben wir die notwendige Erfahrung und Kompetenz an Bord, um diese Lösungen zu liefern. Davon konnten wir auch unsere nordischen Auftraggeber im Rahmen von P27 überzeugen.
Was kann Mastercards Rolle bei der Entwicklung hin zu Echtzeit-Zahlungen sein?
Mastercard kann im Umfeld der Echtzeit-Zahlungen – so wie im Fall von P27 – die Infrastruktur bereitstellen. Aber auch Anwendungen und Services rund um das Bezahlen in Echtzeit kann Mastercard liefern.
Diese sind dann Infrastruktur-agnostisch. Mit anderen Worten ist es keine Voraussetzung, dass in einem Land oder in einer Region eine von Mastercard betriebene Infrastruktur für Echtzeit-Zahlungen vorliegt, um unsere Anwendungen und Services nutzen zu können.”
Unsere Anwendungen und Services dienen dabei dazu, unseren Kunden konkrete fertig implementierte Use Cases anzubieten, die auf Echtzeit-Zahlungen basieren. Dazu gehören sowohl solche, die auf Konsumenten abstellen als auch solche wie der bereits zitierte Betrugs- und Geldwäschebekämpfungs-Dienst, die sich an teilnehmende Institute richten.
Wir sehen uns mit diesem vollumfänglichen Angebot an Infrastruktur, Anwendungen und Services als Partner, der Finanzdienstleister, Staaten und Regionen den Weg zur Echtzeit-Zahlung ebnen und erleichtern kann und diese im neuen Ökosystem unterstützt und begleitet.
Herr Dr. Robejsek, vielen herzlichen Dank für das spannende Gespräch!aj
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