ARCHIV16. Mai 2024

Neue Verordnung zur Video-Identifikation: Rechtssicherheit oder Augenwischerei?

WebID

Das Bundesfinanzministerium erarbeitet derzeit einen Referentenentwurf zu einer Verordnung über Video-Identifikation. Damit soll dieses Online-Identi­fizierungs­verfahren auf eine rechtlich sichere Basis gestellt werden. Doch die Kritik daran reißt nicht ab.

Das Bundesfinanzministerium erarbeitet momentan einen Referentenentwurf zu einer

„Verordnung zur geldwäscherechtlichen Identifizierung durch Videoidentifizierung (Geldwäschevideoidentifizierungsverordnung – GwVideoIdentV)“.

Bereits Ende 2023 ging das Ministerium „davon aus, dass in den nächsten Wochen ein Verordnungsentwurf zur Konsultation an die Ressorts, Bundesländer und Verbände übermittelt und veröffentlicht werden kann.“

Bislang bestand die rechtliche Grundlage für den Einsatz des Video-Ident-Verfahrens auf einem Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dem RS 3/2017 (GW) vom 10. April 2017. „Erst mit der Neufassung des Geldwäschegesetzes vom 23. Juni 2017 wurde die Verordnungsermächtigung des § 13 Absatz 2 des Geldwäschegesetzes geschaffen, von der bislang kein Gebrauch gemacht wurde“, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.

Dass jetzt überhaupt an einer Verordnung gearbeitet wird, beweist für mich, dass das Video-Ident-Verfahren bislang ohne Rechtsgrundlage eingesetzt wird. Gäbe es schon eine Rechtsgrundlage, bräuchte man diese Rechtsverordnung nicht.“

André Zilch, Geschäftsführer der IT-Sicherheitsberatung LSc.

Doch zufrieden ist Zilch nicht: „Schon seit vielen Jahren weise ich auf die grundsätzliche rechtliche Unmöglichkeit von Video-Identifikation hin. Der juristische Knackpunkt ist nicht die bislang fehlende Verordnung, sondern die Unmöglichkeit, eine Urkunde – und nichts anderes ist ein Ausweisdokument – per Video in die digitale Welt zu bekommen.“

Schließlich sei ein Video nichts anderes als eine digitale Kopie – und damit agieren alle Video-Identifizierungsverfahren nicht mit Originalen.

Krumpholz

Die einzige rechtlich saubere Online-Identifizierung ist die per eID des Personalausweises, also die Nutzung des Chips, mit dem alle neueren Personalausweise ausgestattet sind.“

Dr. Otfried Krumpholz, Notar

Thomas Walkner, Managing Principal und Transaction Banking Spezialist bei CapcoCapco

„In Zukunft könnten neue Lösungen in den Fokus rücken – etwa die eID, die in Deutschland bis dato ein Nischendasein fristet, auch weil viele Bürger diese Anwendung schlicht nicht kennen“, kommentiert Thomas Walkner, Managing Principal und Transaction Banking Spezialist bei Capco, den nun vorliegenden Verordnungs-Entwurf.

Zumal sowohl im BaFin-Rundschreiben aus dem Jahr 2017 als auch in dem aktuellen Referentenentwurf die Video-Identifikation als „Brückentechnologie“ bezeichnet wird. „Diesem Begriff haben wir damals auch zugestimmt“, sagt Armin Bauer, Co-Founder und Chief Technology & Security Officer beim digitalen Identifizierungs-Dienstleister IDnow. Er freut sich, dass mit der Verordnung nun „eine rechtlich saubere Lösung gefunden“ wird. Sein Unternehmen habe seit 2020 versucht, auf eine Verordnung hinzuwirken.

Der Referentenentwurf beschreibt vier Online-Identifizierungsvarianten, neben dem klassischen Video-Ident sind dies teil- und vollautomatisierte Verfahren sowie die Identifizierung per eID. Für vollautomatisierte Video-Identifikationsverfahren ist eine zweijährige Erprobungsphase vorgesehen.

Armin Bauer, CTO IDnow
IDnow

Wir erwarten da [Identifizierung per vollautomatisierter Video-Identifikation, Anm. d. Red.] nur eine geringe Nutzung, denn für die Unternehmen besteht das Risiko, dass das BSI dieses Verfahren wieder verwirft.“

Armin Bauer, Co-Founder und CTO IDnow

In der Begründung für den Verordnungs-Entwurf heißt es: „Nach § 13 Absatz 1 des Geldwäschegesetzes können Verpflichtete die zum Zweck der Identifizierung erhobenen Angaben durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments überprüfen oder mittels eines sonstigen Verfahrens, das zur geldwäscherechtlichen Überprüfung der Identität geeignet ist und ein gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweist.“ Doch genau daran zweifeln IT-Experten – vor allem mit Blick auf die qualitativen Quantensprünge von Künstlicher Intelligenz, die immer bessere Deep-Fakes ermöglicht. Die Kommentare in einschlägigen Chatgruppen gehen bis hin dazu, dass diese Verfahren „…Organisierter Kriminalität Tür und Tor … öffnen“.

Statistiken von IDnow belegen bislang jedoch keine Angriffe durch Deep-Fakes: Fast die Hälfte des Frauds im Zusammenhang mit Video-Identifikation geschah im Jahr 2023 mittels gefälschter oder in irgendeiner Art veränderter Ausweisdokumente (43,28 %). Money Mules, also Personen, die Kriminellen ihre Bankdaten zur Verfügung stellen, machen gut ein Drittel aller Fälle aus (35,95 %). Ein Fünftel aller Identitätsbetrügereien sind Identitätsdiebstähle, bei denen das Ausweisdokument und die zu identifizierende Person nicht übereinstimmen (20,77 %).

Diese Statistik belegt für Experten jedoch nur, dass die KI-basierten Fake-Identifizierungen bisher noch nicht aufgefallen sind, weil sie so gut gemacht wurden.gr/aj

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