MaRisk-ESG-Novelle: “Die Branche ist unvorbereitet und sucht Lösungen”
Mit den MaRisk-Novellen reguliert die BaFin das Risikomanagement von Banken. Besonders die Integration von Environmental-, Social- und Governance-Risiken (ESG) stellt IT-Verantwortliche bei Banken vor Herausforderungen, dabei gibt es Lösungen. Konkrete Hinweise & Strategien für die Einhaltung dieser neuen regulatorischen Anforderungen, insbesondere im IT-Bereich
von Dr. Frank Schlein, Geschäftsführer von Crif
Seit dem 29.06.2023 gilt die MaRisk-Novelle. Damit hat die BaFin die Aufnahme von ESG-Risiken in das Risikomanagement, genauer die europäische Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) aus dem Jahre 2021, in deutsches Recht übersetzt. Ziel der BaFin ist es jedoch nicht primär, eine umweltbewusstere Industrie zu schaffen, sondern Risiken offenzulegen und Mechanismen zu schaffen, um diese beurteilen zu können.Ein zentraler Teil der neuen Regularien sind daher auch die EBA-Guidelines. Diese verlangen von Banken, dass sie ihre Scoring-Modelle zur Risikoeinschätzung sowie der Umsetzung einer Kreditentscheidung noch umfassender gestalten.”
Die BaFin will Taten sehen
Aus Sicht der BaFin hatten Banken lange genug Zeit, sich auf diese Änderungen vorzubereiten. Jetzt sollen Taten folgen. Daher gewährt die BaFin für große Teile der ESG-Anforderungen auch keine Übergangsfrist. Das heißt, diese müssen bereits seit dem 1. Juli 2023 nachvollziehbar, konkret und dokumentiert in allen Kreditprozessen berücksichtigt werden.
Nur für die EBA-Richtlinien und quantitative Aspekte gibt es Aufschub bis Anfang 2024 – auch dies keine lange Frist für diejenigen, die mit der Umsetzung betraut sind.”
Dabei weiß die BaFin um den Aufwand, der bei der Integration eines weiteren Risikofaktors in den Prüfungsprozess entsteht und lässt mit dem Proportionalitätsprinzip auch eine vereinfachte Risikobetrachtung zu. Und dennoch stellt die Novelle für viele IT-Abteilungen bei Banken eine Herausforderung dar. Denn der Grundsatz des Problems bleibt: nur wenige Banken haben ausreichend ESG-bezogene Daten für ihr Kreditportfolio und keine Zeit, eigene Bewertungsmethoden zu entwickeln. Daten zu sammeln, zu analysieren und zu speichern, ist eine echte Herausforderung.
Banken fehlen ESG-bezogene Daten und eigene Bewertungsmodelle
Die gute Nachricht:
Banken müssen diese Aufgabe nicht allein bewältigen – dafür gibt der Gesetzgeber Instituten explizit Spielraum. So können diese etwa auf spezialisierte Datenlieferanten zurückgreifen.”
Und auch bei der Bewertung von ESG-Risiken müssen Banken keine hauseigenen Indikatoren entwickeln, sondern können externe Scores nutzen – vorausgesetzt, sie basieren auf wissenschaftlich fundierten Szenarien.
Dies bietet für Banken erhebliche Vorteile. So ermöglichen extern entwickelte Scores etwa eine effiziente Erst- oder Basisbewertung von Kreditportfolios ohne direkte Befragung der Kunden. Dafür muss die Bank nur wenige Datenpunkte zur Verfügung stellen. In der Regel sind Firmenname, Umsatzsteuernummer und Firmenadresse ausreichend. Damit lässt sich das gesamte Kundenportfolio eines Instituts schnell und aufsichtskonform bewerten. Ein weiterer Vorteil: Aufgrund der gleichbleibenden Methodik lassen sich die Bewertungen sogar standortübergreifend vergleichen.
Banken können damit nicht nur zeitnah die regulatorischen Anforderungen der MaRisk-Novelle erfüllen, sondern erhalten darüber hinaus umfangreiche Daten zu Transitionsrisiken und CO2-Emissionen ihrer Kunden.”
Dabei ist die Integration solcher Scores im Vergleich zur Eigenentwicklung oft wesentlich kostengünstiger und auch technisch äußerst einfach. So können diese etwa mittels Batch-Verfahren in bestehende IT-Systeme integriert werden. Dadurch entstehen keine komplexen Anforderungen an die IT und trotzdem können ganze Kundenportfolien automatisiert erst- und wiederbewertet werden. Die BaFin sagt dazu eindeutig, dass für die langfristige Risikobetrachtung ESG-Daten im Antragsprozess verwendet werden und online zur Verfügung gestellt werden müssen. Nur so ist die letztendlich notwendige Integration von ESG-Risiken möglich. Diese ist auch mittels APIs möglich, jedoch aufgrund der benötigten Bandbreite an Programmiertechniken die aufwändigere Variante.
Für die Dokumentation lohnt sich ein Blick auf die Regulierungen der EZB für europäische Banken, wie die SFDR-Richtlinie.”
Denn die BaFin hat noch keine Vorgaben zu dem Reporting der Risikobetrachtung gemacht. Für die Integration externer Scores ist es deshalb sinnvoll, diese erweiterten Anforderungen bereits mitzudenken. Hier wird erheblicher Aufwand entstehen.
Im eigenen Interesse
Autor Dr. Frank Schlein Dr. Frank Schlein ist seit Mai 2020 Geschäftsführer vom Informationsdienstleister Crif Deutschland (Website) und dort für den Ausbau der Marktposition sowie die Beschleunigung des Wachstums in den Märkten Deutschland, Österreich und Polen zuständig. Zuvor war er 6 Jahre President Risk Management bei arvato Financial Solutions und Geschäftsführer der Post Adress GmbH & Co KG. Sein Studium in Betriebswirtschaftslehre absolvierte er an der Universität zu Köln.Entscheider stehen jetzt vor zwei Aufgaben. Die erste ist eine umfassende Risikoinventur, also die Darstellung, welche Relevanz und Bedeutung haben die ESG-Risikotreiber oder Scores für mein Portfolio. Mit der daraus gewonnenen Transparenz muss in einem zweiten Schritt die Frage geklärt werden, was das für meine Prozesse wie eine Kreditentscheidung bedeutet. Abschließend müssen diese Prozesse mithilfe einer umfassenden Berichterstattung nach außen kommuniziert werden.
Die MaRisk-Novelle birgt die Gefahr, dass Banken Kredite ablehnen, wenn nicht ausreichend Daten zur Verfügung stehen.”
Die MaRisk-Novelle birgt die Gefahr, dass Banken Kredite ablehnen, wenn nicht ausreichend Daten zur Verfügung stehen.”
Das kann jedoch weder für das Finanzinstitut noch für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung – speziell des Mittelstandes in Deutschland – die Lösung sein. Vielmehr sind Banken gefordert, neue Wege zu finden, um dem Kreditnehmer ein faires Angebot unterbreiten zu können – weitere Auflagen, wie etwa höhere Sicherheiten können hier eine Lösung sein. Insbesondere in einem zunehmenden Wettbewerb wird für Kreditinstitute jedoch ein anderer Weg zum Erfolgsfaktor:
Wer im Vergleich zum Wettbewerb ein kostengünstiges Angebot machen will, ist auf bessere Daten und eine ausgefeilte Analytik angewiesen.”
Denn mehr Daten bedeuten ein besseres Risikomanagement und ein besseres Risikomanagement bedeutet nun mal günstigere Konditionen.
Auf externe Dienstleister bei Daten und Risikomodellen zurückzugreifen, bringt dabei einen weiteren erheblichen Vorteil: Denn oft greifen diese auf modernste Technologien und eine wesentlich breitere Datenbasis zurück als die eigenständig entwickelten Lösungen von Finanzdienstleistungsinstitute. Das Bewusstsein über die eigenen Risiken und somit die Integration von ESG-Risiken liegt im eigenen Interesse der Banken und wird das nächste große Thema – nicht nur für ITler, sondern für die Wettbewerbsfähigkeit der Institute.Dr. Frank Schlein, Crif
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/160061
Schreiben Sie einen Kommentar