Legacy-Modernisierung: Können Banken noch Schritt halten mit dem Tempo technischer Innovationen?
Veraltete technische Anwendungen und Infrastrukturen wirken wie ein Bremsklotz auf Unternehmen: Die Innovations- und Wachstumsfähigkeit sinkt, gleichzeitig steigen Sicherheits- und Kostenrisiken deutlich an. Für 42 Prozent der deutschen Banken und Finanzdienstleister stellen Legacy-Systeme daher eine der größten Herausforderungen für ihr Transformationspläne dar, das belegt eine aktuelle Studie von Expleo. Diese Roadmap zeigt Lösungsansätze auf.
von Luca Stassar, Head of Banking, Financial Services & Insurances Germany bei Expleo
Die Modernisierung veralteter Soft- und Hardware in etablierten digitalen Ökosystemen wird aufgrund der hohen Komplexität und der damit verbundenen Risiken für das Tagesgeschäft allzu oft auf die lange Bank geschoben. Bei aller berechtigten Sorge ist jedoch klar:Legacy-Systeme können die Anforderungen an moderne Dienste und Produkte nicht erfüllen.”
Eine Erneuerung ist aus folgenden Gründen unumgänglich:
- Innovationen müssen immer schneller umgesetzt werden und sind zunehmend auf die intelligente Vernetzung verschiedener digitaler Dienste angewiesen. Alte Systeme sind für diese Integration nicht ausgelegt.
- Digitalisierte Prozesse und neue Geschäftsmodelle funktionieren nur dann reibungslos, wenn modernste technologische Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Altsysteme sind aufgrund unzureichender Technologie, Architektur oder Funktionalität nicht in der Lage, die notwendige Flexibilität und Skalierbarkeit zu gewährleisten.
- Der Fachkräftemangel führt bereits heute zu überlasteten IT-Abteilungen. Diese Situation wird durch Legacy-Systeme noch verschärft, da neben neuen Mitarbeitern auch immer mehr Spezialisten für die alten Technologien vorgehalten werden müssen. In diesem Spannungsfeld sind die Entwicklungsmöglichkeiten der IT-Teams stark eingeschränkt.
- Agile Unternehmen können schnell und flexibel auf Marktbewegungen reagieren und neue Produkte und Dienstleistungen schneller als die Konkurrenz anbieten. Damit sich eine Organisation entsprechend aufstellen kann, müssen die technischen Systeme im Hintergrund diese Agilität unterstützen.
Im Global Business Transformation Index 2023 von Expleo wird das Ausmaß des Problems deutlich.
Auf die Frage nach den größten Herausforderungen bei der Business Transformation antworten 42 Prozent der deutschen Banken und Finanzdienstleister: Kern-/Legacy-Systeme und Infrastruktur werden nicht modernisiert.”
Umso wichtiger ist es deshalb, proaktiv zu handeln und den Modernisierungsbedarf in der Organisation schrittweise anzugehen. Denn die Herausforderungen lösen sich nicht im Zuge des allgemeinen technologischen Fortschritts von selbst, sondern nur durch sorgfältige Planung und aktive Gestaltung. Investitionen in die Modernisierung der Systeme sind ein unumgänglicher Schritt, um allzu große Legacy-Monolithen mit einer Unmenge an Spaghetti-Code zu verhindern. Kurz:
Je länger Unternehmen zögern, desto größer werden die personellen, finanziellen und geschäftlichen Risiken.”
Die Roadmap Richtung Zukunft
Für die Modernisierung von Legacy-Anwendungen gibt es keine allgemeingültigen Lösungen, da jedes Unternehmen andere Technologien und individuelle Prozesse einsetzt.
Maßgeschneiderte Modernisierungspläne und Zeitpläne sind wichtig.”
Damit unterliegen auch die systemabhängigen Prozesse und Arbeitsabläufe innerhalb der Organisation einer Umstrukturierung. Die Ablösung von Altsystemen sollte daher als ganzheitliche Aufgabe betrachtet werden. Dazu gehört die Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitern, um den größtmöglichen Nutzen aus den neuen Technologien zu generieren. Auf diese Weise können die im Unternehmen vorhandenen Ideen und Möglichkeiten als Blaupause für eine Gesamtmodernisierung dienen. Die ursprüngliche Legacy-Modernisierung reift so zu einer umfassenden Neuausrichtung mit einem einheitlichen Ansatz für kommende Technologiewechsel, Technologiebereitstellung und dem Aufbau einer technischen Basis wie DevOps für das Unternehmen.
Time-to-Market kann verkürzt werden
Ein Vorteil des DevOps-Ansatzes für die Softwareentwicklung:
Automatisierte Tests und gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung.”
Auf diese Weise können Unternehmen Fehler schnell erkennen und beheben. Das verkürzt die Time-to-Market für Produkteinführungen und Funktionserweiterungen bestehender Angebote. Low-Code/No-Code-Entwicklungen haben sich dabei als besonders erfolgreich erwiesen, da sie bestehende Technologien ergänzen und die Bereitstellung von Funktionen durch vorgefertigte, einsatzbereite Lösungen beschleunigen, die leicht an individuelle Bedürfnisse angepasst werden können.
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Im Zusammenspiel mit einer meist cloud-basierten modernen Architektur können die alten monolithischen Anwendungen in überschaubare und isolierte Microservices aufgeteilt werden. Das wirkt sich später auch positiv auf kürzere Release-Zyklen aus. Die Microservices können zudem als Brücke zwischen Cloud- und On-Premise-Anwendungen dienen und so beispielsweise im international aufgestellten Finanzumfeld vorteilhaft sein, um regionale Besonderheiten zu gewährleisten.
Mit diesem schrittweisen Ansatz entfällt auch der noch vor einigen Jahren häufig forcierte Aufbau eines zentralen Data Warehouse.”
Stattdessen wird heute – insbesondere in der Finanzwelt – meist der Ansatz gut integrierter Schnittstellen gewählt. Dies ermöglicht es, die vorhandenen Datenbestände zumindest vorerst vor Ort zu belassen und sich stattdessen auf eine vernetzte Datennutzung und -verarbeitung zu konzentrieren.
Fazit
- Im Rahmen der Legacy-Modernisierung kann die Quadratur des Kreises gelingen, d.h. IT-Kosten und -Komplexität zu reduzieren und gleichzeitig die Produktivität zu steigern. Die neue Systemlandschaft zeichnet sich aus durch:
- Einen schlanken Kern mit angedockten Systemen und Microservices, die Modernisierungen und Anpassungen langfristig einfacher handhabbar machen.
- Viele Standardprogramme auch als Software as a Service (SaaS) oder Platform as a Service (PaaS). Eigenentwickelte Speziallösungen werden langfristig nur in Ausnahmefällen eingesetzt.
- Fokus auf Integration statt auf Komplexitätsreduktion, denn erst die integrierte Nutzung verschiedener Datenbestände und Anwendungen schafft Klarheit über Abhängigkeiten und ermöglicht eine fundierte Entscheidung, welche Anwendungen und Strukturen langfristig beibehalten werden sollen.
- Entkopplung verschiedener Systeme statt Planung eines großen “Big Bang”.Luca Stassar, Expleo
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