Kundenorientierung und Digitalisierung – Wachstumsmöglichkeiten für Banken
“Die Welt aus der Sicht des Kunden sehen” ist ein Leitgedanke, der in vielen Unternehmensphilosophien als oberster Grundsatz verankert ist. Dies gilt in dieser oder in ähnlicher Form sicher auch für eine Reihe von Finanzinstituten und Banken. Ob und wie das aber gelebt wird und ob und wie Banken im Zeitalter der Digitalisierung mit dieser Ausrichtung auch Wettbewerbsvorteile und neue Wachstumsmöglichkeiten für sich erschließen können, soll im Folgenden beleuchtet werden.
von Anno Lederer
Die Entwicklung der deutschen Automobilindustrie in den letzten Jahren hat gezeigt, dass Unternehmen Gefahr laufen, ihres ursprünglichen Unternehmenszweckes und damit auch ihres Erfolgs beraubt zu werden, wenn sie nicht rechtzeitig in neue und zukunftsorientierte Konzepte und die sich daraus ergebenden Wachstumschancen investieren.Die deutsche Automobilindustrie hat sicher rückblickend Einiges versäumt und zu lange an alten Geschäftsmodellen und Produktlinien festgehalten.”
Damit hat sie ihre Position als Marktführer und deutsche Schlüsselindustrie in Teilen aufs Spiel gesetzt. Jetzt muss man sich sorgen, nicht am Ende zum Zulieferer in einem ansonsten von anderen Playern dominierten, sich neu entwickelnden Marktgeschehen zu werden.
Gleiches könnte auch den Banken widerfahren, wenn sie nicht rechtzeitig das Ruder herumreißen und vor allem kundenorientierte Wachstumsmöglichkeiten stärker in den Vordergrund rücken. Dies gilt umso mehr, da in den vergangenen Jahren all zu oft Kernkompetenzen in der Marktausrichtung, im Pricing sowie ganz besonders in der Analyse und dem Management von Kundendaten vernachlässigt wurden.
Die meisten Finanzinstitute haben ausreichend Kompetenzen und Stärken, um ein solches Szenario zu verhindern und sie haben reichlich Erfahrung in sich verändernden Märkten, haben sehr gute Marktkenntnisse und eine breite Kundenklientel.”
Sie haben zumeist nicht nur eine solide Kapitalausstattung, sondern auch sehr gut ausgebildete, hochqualifizierte und engagierte Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen, die in der Lage sind, neue Konzepte und Lösungen nicht nur mitzuentwickeln, sondern diese auch erfolgreich in den Markt zu bringen.
Um aber auch in sich aktuell massiv verändernden Märkten weiter erfolgreich zu bleiben, müsste Einiges optimiert oder sogar drastisch verändert werden. Dazu zählen nur bedingt organisatorische Umwälzungen inklusive möglicher weiterer Konzentrationen. Der Schlüssel ist viel mehr in einer veränderten Kultur und einer damit einhergehenden veränderten Einstellung zum Kunden bzw. dem gesamten Marktgeschehen zu suchen.
Neo- und Smartphone-Banken: Nur in Nischen?
Wenn klassische Banken im Zeitalter der Digitalisierung über neue Mitstreiter aus dem Bereich der Neo- und Smartphone- Banken oder über die oft zitierten FinTechs bzw. die Non- und Nearbanks reden, schwingt nicht selten eine gewisse Überheblichkeit mit, die sich in Aussagen niederschlägt wie “die machen doch nur Zahlungsverkehr”, “die geben gerade mal eine Kreditkarte raus”, “die schreiben doch keine schwarzen Zahlen” oder “ohne die Nutzung unserer Infrastruktur wären die gar nicht lebensfähig” usw. usw.
Und ja, vieles davon trifft auch zu. Dennoch hat der “FinTech-Trend” im Zuge der Digitalisierung die Finanzdienstleistungsbranche in den letzten Jahren deutlich und nachhaltig durcheinandergewirbelt und birgt nicht zu unterschätzende Gefahren.
Vor diesem Hintergrund wäre es ratsam, sich intensiver und detaillierter mit den Erfolgsgeschichten neuer Marktteilnehmer wie N26, Revolut, Tomorrow etc. auseinanderzusetzen und zu versuchen, sie besser zu verstehen.”
Auch wenn sich deren Aktivitäten und Erfolge noch und fast ausschließlich in den digitalen Segmenten bewegen, stellen sie schon heute eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Dass sie irgendwann auch in die analoge Welt investieren und damit auch ihr Angebot weiter abrunden oder sogar ausbauen, ist zumindest nicht gänzlich auszuschließen.
Bei den klassischen Finanzanbietern wurde Bankentechnologie lange Zeit vor allem im Backoffice-Bereich genutzt, und zwar um Kosten zu reduzieren und die Produktivität zu erhöhen. Das hat sich mittlerweile verändert. Heute stehen den Kunden eine Vielzahl von digitalen Kanälen, Produkten und Leistungen zur Verfügung. Rund um die Uhr ist praktisch jede Transaktion digital möglich. Damit ist zwar ein Großteil der Bankdienstleistungen und Bankprodukte inzwischen auch digital verfügbar, ob das aber aus Kundensicht vergleichbar einfach und komfortabel ist wie bei den neuen Marktteilnehmern, ist fraglich.
Er trieb federführend die Entwicklung innovativer Lösungen für Kreditinstitute voran und hat gemeinsam mit seinem Team eine Vielzahl von IT-Produkten für Banken erfolgreich zum Einsatz gebracht. Auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand ist er weiterhin aufmerksamer Beobachter aktueller Entwicklungen in der Bankenlandschaft und verfolgt intensiv Veröffentlichungen und Diskussionen rund um das Thema Digitalisierung in der gesamten Finanzbranche.
Die meisten Bankkunden legen auch zukünftig sicher Wert auf eine persönliche Beratung und Betreuung. Persönliche Kontaktpunkte wird und muss es weiter geben.”
Schließlich sind sie Grundlage für das gewachsene Vertrauen zwischen Kunde und Finanzinstitut. Aber diese Kontaktpunkte werden sich in Zukunft mehr und mehr auch zu digitalen Zweigstellen und Zugangspunkten entwickeln und nicht mehr vollumfänglich den gewohnten und sehr kostenintensiven Service bieten müssen.
Möglich, dass für Bankkunden auch dauerhaft das Erlebnis eines Bankbesuchs und der direkte und persönliche Kontakt zum Berater eine entscheidende Rolle spielen. Aber wird das auch ausreichen, um neue Wachstumschancen zu erschließen und im Markt dauerhaft bestehen zu können?
Verstärkte Kundenorientierung, Kundenfokussierung, Kundenzentrierung und eine deutliche Intensivierung des Kundenmanagements sind die Agendapunkte, die auch in Banken vor diesem Hintergrund deutlich mehr ins Bewusstsein rücken müssen. Und das bedeutet nicht, dass man durchweg möglichst günstige oder einfache Leistungen anbieten muss. Es bedeutet nicht, dass man jedes Bedürfnis und jeden Wunsch eines Kunden ohne Betrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen für die Bank erfüllen muss. Und es wird auch keinen Sinn machen, die Geschäftsmodelle der neuen Player eins zu eins zu kopieren.
Stattdessen sind kreative, innovative und trotzdem solide neue Geschäftsmodelle erforderlich, die sicherstellen, dass man auch dauerhaft im hart umkämpften Markt bestehen kann.”
Dabei muss das Gleichgewicht zwischen dem Wert für das Finanzinstitut und dem Wert für den Kunden gesichert sein. Das kann in der Folge zu sehr unterschiedlichen Konzepten und Lösungen für die unterschiedlichsten Kundensegmente führen. Standardisierte und kostengünstige Angebote für das eine und demgegenüber sehr spezifische und individuell bepreiste Produkte für ein anderes Kundensegment könnten sich z.B. als ein Lösungsansatz herausbilden. Unterschiedliche Bepreisungsmodelle für rein digitale bzw. ausschließlich analoge Nutzer sind zusätzlich denkbar und werden von einigen Instituten in unterschiedlichen Ausprägungen schon praktiziert.
Aber um damit erfolgreich sein zu können und nicht am Ziel vorbeizuschießen, muss man das, was man über seine Kunden weiß, dezidiert analysieren, auswerten und in ein diversifiziertes Produkt- und Leistungsangebot für die unterschiedlichen Zielgruppen einfließen lassen.
Und hier können etablierte Finanzinstitute gegenüber ihren neuen Mitbewerbern durchaus massive Vorteile in die Waagschale werfen. Sie kennen ihre Kunden in der Regel schon sehr lange und gut. Eigentlich wissen sie mehr als jeder Anbieter sonst im Markt.”
Sie besitzen umfassende Informationen über deren Verhalten im allgemeinen wie auch im speziellen, z.B. im Zahlungsverkehr, in der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung oder auch im Anlage- und Kreditbereich. Das haben sie den neuen Marktteilnehmern voraus und besitzen damit eine hervorragende Ausgangsposition, um neue Wachstumsmöglichkeiten auch in Zeiten gravierender Veränderungen zu erschließen.
Der Schlüssel ist: Daten analysieren und tatsächlich Entscheidungen treffen
Entscheidend wird dabei aber nicht nur sein, welche Qualität diese Daten haben und wie man sie analysiert, sondern vor allem wie man auf den Ergebnissen dieser Analysen aufbauend konsequent Entscheidungen trifft. Dazu sollten herkömmliche Werkzeuge der Datenanalyse unbedingt auch um neue Technologien ergänzt werden, um auf Basis eines möglichst umfassenden und sehr detaillierten Wissens über die Wünsche und Anforderungen der Kunden die erforderlichen spezifischen Angebote für die einzelnen Kundensegmente zu entwickeln. Klassische CRM-Systeme ergänzt um KI-Systeme könnten da zielführend sein.
Und die daraus entstehenden spezifischen Angebote sollten den Kunden dann nicht mehr nur im Rahmen einer klassischen Filialberatung zu gewohnten und traditionellen Öffnungszeiten zu Verfügung gestellt werden. Die meisten Kunden erwarten diese Angebote längst auch auf digitalen Kanälen. Und das in möglichst einfachen Onlinediensten, die ihnen rund um die Uhr zur Verfügung stehen.
Für einen solchen Strategie reicht es nicht aus, allein den digitalen Vertriebskanal in Form des Multichannel-Gedankens zusätzlich vorzuhalten bzw. anzubieten.
Die Erwartungen des Kunden zielen viel mehr darauf ab, dass die Banken ein möglichst nahtloses medienübergreifendes Omnichannel-Angebot beherrschen und so digitale und persönliche Vertriebskanäle nutzerfreundlich miteinander verbinden.”
In einem Artikel im “Banking Hub”(Website) der ZEB heißt es unter “Warum Omnichannel-Management in einer Welt der Digitalisierung und Kundenorientierung so wichtig ist”:
“Viele Banken sind bereits von rein filialbezogenen Single-Channel-Vertriebsstrategien zu Multichannel-Strategien übergegangen. Sie liefern nun Informationen und verkaufen Produkte über eine Vielzahl von Kanälen wie Apps, Telefon und Websites. Was jedoch oft fehlt, ist die Verbindung zwischen den einzelnen Vertriebskanälen. Unterbrechungen in der Customer Journey lassen die Kunden den Bankvorgang als langwierig, zu kompliziert und frustrierend empfinden. Im Gegensatz dazu nutzen neue Wettbewerber wie Apple und andere Technologiegiganten ihren technologischen Vorsprung, um schlanke und einfach zu bedienende Banklösungen anzubieten. Genau dies erwarten die Kunden in unserem digitalisierten Zeitalter. Die Banken müssen jetzt handeln, um ihre Multichannel-Angebote in ein wirklich allumfassendes Bankerlebnis umzuwandeln.”(vgl. https://bankinghub.de/innovation-digital/omnichannel-banking)
Und daraus ergibt sich konkreter Handlungsbedarf für die meisten Institute.
Um auf allen Vertriebskanälen und über alle Medien ein durchgängiges, möglichst medienbruchfreies Angebot bereitstellen zu können, ist vielerorts ein deutliches Umdenken im Management erforderlich. Darüber hinaus sollte eine kundenorientierte intelligente technische Infrastruktur geschaffen oder ausgebaut werden. Diese sollte in der Lage sein, kanalübergreifend sämtliche vorhandenen Kundeninformationen zu erfassen, diese zu analysieren und anschließend in Ergebnisse, Konzepte und am Ende in Produkt- und Dienstleistungsangebote zu überführen, die dann über die Berater bzw. Vertriebsteams an den Kunden gebracht werden.
Und dabei sollten die Banken stets vor Augen haben, dass die Kunden künftig noch stärker als bisher auf die Form der Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem jeweiligen Finanzdienstleister Einfluss nehmen wollen. Sie allein wollen z.B. entscheiden, wie und wann sie mit ihrer Bank in Kontakt treten.
Die meisten Kunden informieren sich über bestimmte Bankprodukte seit langem schon vorher online. Produktabschlüsse ohne vorherige Online-Recherchen finden daher kaum mehr statt. Schon in dieser Phase muss also die Bank nach Möglichkeit auf allen Kanälen und Vertriebswegen präsent sein.”
Auf Basis eines Omni-Channel-Ansatzes muss sie stets den gesamten Prozess im Fokus haben. Im Rahmen einer Customer Journey sollte die Bank den Kunden kanalübergreifend begleiten. Das gilt vom ersten (Produkt-) Interesse, geht über die konkrete Beratung hinaus bis zum Abschluss und im Idealfall auch darüber hinaus. Die Betreuung und Nachsorge und das Einholen des Kundenfeedbacks sind in diesem Zusammenhang extrem wichtig. Daraus generieren sich Anschlussaktivitäten, die dazu beitragen können, weitere Produkte erfolgreich zu platzieren und den gesamten Prozess kontinuierlich zu optimieren. Customer Journey und Customer Experience sind also auch für Banken unverzichtbar.
Ratsam wäre diesbezüglich sicher auch auf die Big-Player im übrigen Marktgeschehen zu schauen. Die Triple A – also Alphabet, Amazon und Apple – machen es tagtäglich vor, wie es funktionieren kann.”
Auch wenn sie ihre Kunden in der Regel nicht persönlich kennen und längst nicht so viele Detailinformationen über sie haben wie Banken, sie gehen absolut kundenzentriert vor. Sie führen sämtliche Informationen z.B. aus Kundenrecherchen, Kaufabschlüssen und After-Sales-Bewertungen zusammen, analysieren diese und überführen sie in neue Angebote, die dem Kunden auf unterschiedlichsten Kanälen dann wieder unterbreitet werden. Und dass sie damit Erfolg haben, lässt sich an den kontinuierlich steigenden Börsenwerten dieser drei Unternehmen jederzeit ablesen.
Die Technologien, die es dazu braucht, sind grundsätzlich auch in Banken vorhanden. Man muss sie nur nutzen.”
Um in einer digitalen Welt also langfristig bestehen zu können, müssen Banken ihre traditionellen Stärken einer qualifizierten persönlichen Beratung und eines gewohnten Servicelevels auf die digitale Welt übertragen, deren neue technologischen Möglichkeiten einbeziehen und im Ergebnis ein ausgewogenes und ertragbringendes Verhältnis zwischen analoger und digitaler Bankdienstleistung darstellen.
So erschließen sie kundenorientierte Wachstumschancen und sollten sich vor einem Wettbewerb auch mit neuen Markteilnehmern kaum fürchten müssen.Anno Lederer
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