Kunden-Mehrwert und schnellere Workflows: AI & Open Insurance für andere Anbieter öffnen
Versicherungsunternehmen müssen ihren Kunden Mehrwert bieten und gleichzeitig ihre Workflows optimieren. Mithilfe von innovativen Ansätzen können sie beides erreichen: Mit der AI Factory entfaltet künstliche Intelligenz ihre Wirkung, Open Insurance setzt auf Datenaustausch und Zusammenarbeit. Die Ansätze lassen sich auch verknüpfen – für noch mehr Innovation.
von Dr. Matthias Quaisser, Timetoact
Versicherungen stehen in vielerlei Hinsicht unter Druck, etwa durch eine zunehmende Digitalisierung, veränderte Kundenerwartungen, steigende Kosten und starke Konkurrenz. Um den Herausforderungen zu begegnen, müssen sie sich wandeln – und neue, innovative sowie maßgeschneiderte Dienstleistungen und Produkte bieten. Um sowohl die Kosten zu senken als auch Kunden ins Zentrum zu stellen, müssen Versicherer:- Prozesse effizienter gestalten,
- die Kundenorientierung ausbauen.
Bei der Umsetzung hilft Technologie – mit innovativen Ansätzen zur Digitalisierung des Versicherungsbetriebs. Es geht jeweils darum, Daten intelligenter zu nutzen, denn deren Bedeutung unterschätzen viele Unternehmen immer noch.
Systematischer Einsatz von Künstlicher Intelligenz
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz können Daten schnell, automatisch und effektiv ausgewertet und Entscheidungen getroffen werden. Beim Machine Learning werden zumeist neuronale Netze für bestimmte Aufgaben trainiert – zudem lernen sie immer wieder dazu. So können E-Mails klassifiziert und an die richtigen Sachbearbeiter geleitet werden. Auch Plausibilitätsprüfungen kann KI automatisch erledigen, etwa die von Arztrechnungen. Sie entscheidet eigenständig, ob eine weitere Bearbeitung notwendig ist oder ob Beträge ohne weitere Prüfung ausgezahlt werden. Als Trainingsdaten dienen repräsentative Fälle, an denen die KI die getroffenen Entscheidungen als „Ground Truth“ erlernt. Auf diese Weise beschleunigen sich Arbeitsabläufe und Kunden bekommen schneller eine Antwort oder eine Geldauszahlung.
Zugleich haben Servicemitarbeiter mehr Zeit, sich individuell um mehr Versicherungsnehmer zu kümmern. Die Algorithmen nehmen ihnen Vorarbeiten ab, liefern Informationen oder Handlungsanweisungen und entlasten sie so.”
Im Kontext des Kundendialogs kann die KI Gesprächsleitfäden anbieten, die im Gespräch mit Kunden für proaktive Vorschläge oder persönliche Beratung genutzt werden. Diese fühlen sich verstanden und abgeholt.
KI-Modelle können auf verschiedene Arten designt werden – etwa, um Kundenwünsche oder -verhalten zu prognostizieren und die Client-Experience zu verbessern. Andere Varianten erstellen Kundenprofile oder Scoring-Prognosen für versicherungsinterne Prüfungen, etwa auf Risiken oder Missbrauch.
Viele Versicherer setzen Machine Learning punktuell bereits ein.
Wollen sie den Einsatz systematisieren, so ist ein industrieller Ansatz sehr hilfreich – eine sogenannte AI Factory. Dieser Ansatz greift häufig auf eine vorintegrierte Plattform zurück.”
Das ermöglicht es, den gesamten Lebenszyklus von KI-Modellen systematisch und effizient zu steuern und zu verwalten. Viele Vorarbeiten und unterstützende Tätigkeiten werden hiermit wesentlich effizienter durchgeführt und die Governance über eine größer werdende Zahl von KI-Modellen wird erleichtert.
Im Vorfeld geklärt werden müssen Fragen wie: Welche Daten stehen zur Verfügung, passen sie zu den Anwendungsfällen, dürfen sie genutzt werden und wie sieht es mit Privatsphäre und Sicherheit aus? Zudem müssen die Modelle entwickelt, trainiert, in Betrieb gesetzt und überwacht werden. Erfüllen sie ihre Aufgabe oder müssen sie neu trainiert werden? Sind ihre Entscheidungen transparent und gibt es dafür eine kommunizierbare Rationale, etwa, wenn ein Kunde abgelehnt wird? Alle Kundengruppen müssen obendrein fair behandelt werden, unabhängig beispielsweise von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft oder Hautfarbe. Wichtig ist dafür ein entsprechendes Training der KI, bei dem statistische Gewichtungen der Trainingsgruppen eine Rolle spielen. Seltenere Merkmalsausprägungen müssen überproportional in den Trainingsdaten gewichtet werden.
Open Insurance: Innovationsschub durch digitale Arbeitsteilung im Ökosystem
Autor Dr. Matthias Quaisser, TimetoactDr. Matthias Quaisser ist Business Development Lead für die Versicherungsbranche bei der Timetoact Group (Website) in Köln.Der promovierte Physiker hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Managementberatung von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten. Zuvor hatte er verschiedene Positionen bei IBM Deutschland im Geschäftsfeld Versicherungen sowie bei einer Bank und einem Direktversicherer inne. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Umsetzung innovativer Anwendungsfälle bei Versicherungsunternehmen mit Hilfe neuer Technologien wie Cognitive Computing, Künstlicher Intelligenz, Data Science und Cloud
Innovative Versicherer können neuartige Dienstleistungen anbieten, wenn sie mit Partnern zusammenarbeiten und sich dabei effizient digital vernetzen. Beim Open-Insurance-Ansatz kooperieren Firmen in einem digitalen Ökosystem. Sie tauschen Daten auf sichere Weise aus, möglichst über standardisierte Schnittstellen (APIs). Der Vorteil: Es sind datengetriebene und unternehmensübergreifende neuartige Dienstleistungen für Kunden möglich. Die Herausforderung: Branchenweite Standardschnittstellen für alle Versicherungsanwendungsfälle gibt es noch nicht.
Die Rahmenbedingungen für standardisierte Schnittstellen werden unter dem Begriff „Open Insurance“ insbesondere von privatwirtschaftlichen Initiativen wie bspw. „FRIDA“ vorangetrieben. Die europäische Aufsicht EIOPA und die EU haben Konsultationsprozesse gestartet. Eine mögliche europäische Regulierung ist auf dem Weg, Ergebnis noch unklar. Wie beim Open Banking für Finanzinstitute dürfte auch in der Versicherungswirtschaft ein Innovationsschub bevorstehen. Denkbare Anwendungsfälle gibt es viele. Kunden könnten etwa all ihre Versicherungsprodukte im Überblick ansehen oder alle relevanten Daten zur Rente, jeweils von verschiedenen Anbietern.
Open Insurance eröffnet Versicherern und Drittanbietern im Ökosystem viele neue Möglichkeiten, stellt sie aber auch vor Herausforderungen, zum Beispiel:
- Welche Daten müssen und dürfen zugänglich gemacht werden? Verschiedene Verträge enthalten unterschiedliche Informationen, etwa Lebens- und Sachversicherungen oder von in- und ausländischen Anbietern.
- Welche Dienstleistungen und Geschäftspartner kommen überhaupt infrage?
- Welche Schnittstellen hat das Unternehmen, wie müssen sie gestaltet werden? Welche Design-Richtlinien sollen gelten und wie werden Zugriffsrechte verwaltet?
- Wie stellt der Versicherer Datenschutz, Privatsphäre und Governance beim Datenaustausch sicher?
Versicherer sollten schon heute ihre IT-Architektur weiterentwickeln, so dass sie flexibel auf künftige Anforderungen reagieren können. Dafür müssen sie in jedem Fall ihre Anwendungen so modernisieren, dass sie für die Systematik einer API-Economy geeignet sind.”
Die Kür: Eine AI Factory über Open Insurance für andere Anbieter öffnen
Kunden einen umfassenden digitalen Service bieten und gleichzeitig effizient arbeiten: Diese beiden Ziele können Versicherer mit bestimmten Dienstleistungen erreichen. Die Kür: wenn diese dank eines hohen Mehrwerts eine optimale Customer Experience bieten und zudem kommerziell erfolgreich sind.
Möglich wird das mit einer Kombination aus AI Factory und Open Insurance. Eine Firma entwickelt, trainiert und betreibt dann KI-Modelle für spezialisierte Anwendungsfälle. Sie bietet dann diese vortrainierten Modelle als Service für Abfragen anderer Marktteilnehmer auf Plattformen an. Für den Aufruf des Service wird ein Entgelt fällig. Der Anbieter generiert so zusätzliche Umsätze, das aufrufende Unternehmen kann Innovationen Dritter nutzen und spart gegebenenfalls eigene Entwicklungs- und Betriebskosten.Dr. Matthias Quaisser, Timetoact
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