Krypto-Beben trifft deutsche Nuri-Nutzer
Der jüngste Absturz von Krypto-Währungen wie Bitcoin, Ethereum und Co. führt in den USA erneut zu Verwerfungen. Ein Anbieter von Krypto-Anlagen, Celsius Network, hat deshalb sämtliche Transaktionen seiner Kunden auf Eis gelegt. Inzwischen zeigt sich, dass auch deutsche Anleger betroffen sind, denn Nutzer des Bitcoin-Ertragskontos von Nuri sind in Wirklichkeit Kunden von Celsius.
Wie oft haben Sie schon AGB und Sicherheitshinweise abgenickt, ohne sie zu lesen, wenn Sie sich irgendwo online angemeldet haben? Dass so ein Verhalten fatal sein kann, dürfte den Kunden des Berliner FinTechs Nuri (ehemals Bawala) gerade schmerzlich bewusst werden. Denn eine scheinbar attraktive Anlageform für Kryptowährungen steht derzeit im Feuer – die Anleger können weder darauf zugreifen, noch ist derzeit klar, ob sie ihr Geld überhaupt jemals wiedersehen. Die aktuellen Vorgänge dürften auch die Diskussionen traditioneller Banken über eine eigene Krypto-Strategie befeuern.
Krypto-Währungen abgestürzt
Anfang November markierte der Kurs des Bitcoin einen neuen Höchststand von über 69.000 US-Dollar. Seitdem ging es steil bergab. Hohe Inflationsraten und die Zinswende der Zentralbanken in den USA und Europas sorgen dafür, dass verzinste Anlageformen wieder attraktiver werden und aus spekulativen Anlagen – wie etwa Kryptowährungen – derzeit viel Kapital abfließt, was die Kurse drückt. Inzwischen lag der Kurs des Bitcoin zeitweise unter 20.200 Dollar, der von Ethereum bei weniger als 1030 Dollar – ein Absturz, der Anleger zusätzlich in die Flucht treibt.
Celsius Network, ein Anbieter von Bitcoin-Anlagen, wollte angesichts der jüngsten Kursverluste möglicherweise einem „Bank-run“ zuvorkommen und hat in der Nacht zu Montag den Zugriff der Anleger auf ihre Guthaben gesperrt. Celsius teilte mit, man habe diese Maßnahme ergriffen, um die Liquidität und den reibungslosen Ablauf für die gesamte Community zu stabilisieren. Wie lange dieser Stopp anhält, ist derzeit nicht bekannt.
Der Krypto-Finanzdienstleister vergibt Kredite auf Bitcoin-Basis und erzielt darüber Einnahmen. Das nötige Krypto-Kapital sammelt Celsius über eine Art Bitcoin-Sparkonto ein, für das es eine attraktive Rendite gibt. Bis zu 18 Prozent können die Anleger erwirtschaften. Angesichts eines Kursverlustes von mehr als 60 Prozent seit November hat diese Form der Geldanlage allerdings massiv an Attraktivität verloren. Die Mittel für eine Rückzahlung der Einlagen sind allerdings begrenzt, da ja ein großer Teil des Kapitals an Kreditnehmer ausgegeben ist. So musste Celsius wohl nun die Notbremse ziehen.
Deutscher Vermittler – ausländischer Finanzdienstleister
Wie sich nun gezeigt hat, sind auch Kunden von Nuri betroffen, sofern sie ihr Geld auf dem „Bitcoin-Ertragskonto“ angelegt haben. Denn dieses Produkt liegt direkt bei Celsius und ist ebenfalls vom Transaktionsstopp betroffen. Nuri ist lediglich ein Vermittler von Finanzdienstleistungen, normalerweise unter dem Dach der Solarisbank. Doch letztere hat mit dieser Krypto-Anlage nichts zu tun.
Mit einer Rendite von 3 Prozent auf Krypto-Einlagen warben die Berliner für das „Bitcoin-Ertragskonto“ – kein Vergleich zu „Old-School-Anlagen“, so eine der Marketing-Aussagen. Große Chancen bedeuten in der Regel auch großes Risiko, doch das wurde weitaus dezenter kommuniziert – im sogenannten Kleingedruckten, also den AGB sowie Sonderbedingungen und Risikohinweisen zu dieser Anlageform. Immerhin kann man den Verantwortlichen von Nuri nicht vorwerfen, die Kunden im Unklaren gelassen zu haben. Wer diese tatsächlich liest, findet unter anderem folgende Aussagen:
Sonderbedingungen Bitcoin Ertragskonto
(§2) […] Beim Bitcoin-Ertragskonto schließen Kunden mit Celsius Network ein eigenes Vertragsverhältnis, an dem Nuri nicht beteiligt ist. […] Für das Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden und Celsius gelten die AGB Celsius (abrufbar unter https://celsius.network/terms-of-use/.) […]
(§8) […] Nuri haftet nicht für Schäden, die einem Kunden durch die Nutzung des von Nuri vermittelten Bitcoin-Ertragskontos entstehen. […]
und
Besondere Risikohinweise für das Bitcoin-Ertragskonto
1. Keine Einlagensicherung
Für die über das Bitcoin-Ertragskonto investierten Kryptowährungen besteht keine gesetzliche oder freiwillige Einlagensicherung. […]
2. Insolvenz von Celsius Network
Die Anleger tragen vollständig das Risiko der Insolvenz von Celsius Network. […]
4. Keine staatliche Aufsicht
[…] Gleichwohl unterliegt Celsius Network und ihre Geschäftstätigkeit keiner umfangreichen staatlichen Aufsicht. […]
Darüber hinaus betont Nuri im Rahmen dieser Risikohinweise, dass das Unternehmen keine Angemessenheitsprüfung vornimmt, also nicht dafür verantwortlich zu machen ist, wenn diese Geldanlageform den Kenntnissen und Erfahrungen des Anlegers nicht angemessen ist. Auch in den AGB findet man klare Aussagen – sofern man sich die Mühe macht, diese auch zu lesen:
§ 8 – Risikohinweise zu Kryptowährungen; keine Anlageberatung
[…] Die Investition in Kryptowährungen ist hochspekulativ und mit Verlustrisiken bis hin zum Totalverlust verbunden. […] Der Kunde erkennt die genannten Risiken an und nutzt die Nuri Apps auf eigenes Risiko.
Der Kunde erkennt an, dass Nuri dem Kunden gegenüber keine Anlageberatung erbringt. […]
Sprich: Kunden sollten sich bewusst sein, dass sie mit Kryptowährungen ihr komplettes Kapital verlieren können und sie niemand anderen als sich selbst dafür verantwortlich oder haftbar machen können. Das Bitcoin-Ertragskonto ist also eine Anlageform ohne Netz und doppelten Boden.
Ein solches Konstrukt rief sogar die US-Finanzaufsichtsbehörden auf den Plan – obwohl Celsius Network nicht ihrer Kontrolle unterliegt. Nach „Gesprächen“ hatte Celsius ihr Modell freiwillig umgestellt und die verzinste Krypto-Anlage nur noch für professionelle Anleger angeboten. Das galt allerdings nur im Inland. Ausländische Privatanleger, wie Nutzer der Nuri-App, hatten weiterhin Zugang zu dem umstrittenen Produkt.
Zukunft offen
Inzwischen hat Nuri die Vermarktung des Bitcoin-Ertragskontos bis auf weiteres ausgesetzt. Den betroffenen Kunden macht man mit einer Erklärung auf der Webseite Hoffnung auf eine Rückkehr zum Normalzustand:
[…] Für das Nuri Bitcoin Ertragskonto bedeutet das, dass Erträge auf deine Bitcoin nicht pausiert werden. Sie können wie gewohnt ausgezahlt werden, sobald diese Maßnahmen aufgehoben werden. […]
Noch ist nicht klar, wie es weitergeht. Sollte sich die Lage tatsächlich beruhigen und Celsius allen seinen Verpflichtungen nachkommen können, ist alles in Ordnung und die Anleger erhalten irgendwann ihr Geld und die aufgelaufenen Zinsen. Wenn der Krypto-Finanzdienstleister jedoch zahlungsunfähig wird, können deutsche Kunden ihre Anlagen vermutlich weitgehend abschreiben. Den Rechtsweg in den USA im Rahmen eines dort anhängigen Insolvenzverfahrens zu bestreiten, dürfte kompliziert und teuer werden.
Krypto-Strategien auf dem Prüfstand
Die derzeitigen Verwerfungen dürften zu neuen Diskussionen bei den „Old-School“-Banken führen, wie man mit dem Thema Kryptowährungen umgehen soll. Insbesondere von den Sparkassen und den Genobanken hatte man in der Vergangenheit Äußerungen vernommen, die auf gespaltene Meinungen in den Entscheidungsgremien schließen ließen. Die ablehnende Fraktion will Privatanleger komplett von Bitcoin & Co. fernhalten, weil diese als hochspekulative und möglicherweise sogar mit Betrugs- bzw. Manipulationsrisiken behaftete Anlagen eingeschätzt werden. Dagegen argumentiert die Gegenseite, dass die Kunden trotzdem investieren würden und man diese nicht mehr oder minder fragwürdigen Online-Anbietern und -Plattformen überlassen sollte, sondern ihnen mit Beratung und sicheren Anlageformen zur Seite steht.
Einzelne Institute waren bereits vorgeprescht. So hat die VR Bank Bayern Mitte ein komplettes Krypto-Programm entwickelt. Auch von der BVR-Spitze waren zuvor positive Signale zu hören. Bereits vergangenen Dezember war auch ein Krypto-Projekt der S-Payment in einem frühen Entwicklungsstadium publik geworden. Doch das hatte öffentliche Kritik aus der Verbandsspitze nach sich gezogen. „Kryptowährungen sind hochspekulativ und erinnern eher an ein Schneeballsystem”, zitierte Bloomberg im Januar den Präsidenten des Sparkassenverbands Bayern, Ulrich Reuter. Der dürfte sich aktuell bestätigt sehen. hj
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