STUDIEN & UMFRAGEN8. August 2024

KPMG-Studie: Sourcing-Potenziale ungenutzt – Finanzdienstleister setzen auf Cloud und KI

Daniel Wagenknecht, Partner bei KPMGKPMG

Von Public Cloud über generative KI bis Prozessautomatisierung: Obwohl die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern im Finanzsektor nichts Neues ist, steht die Branche vor einer Sourcing-Revolution. Selten war das Potenzial so groß. Die aktuelle Studie „Sourcing in der Finanzbranche“ (Website) von KPMG hat das Sourcing-Niveau der deutschen Finanzdienstleister untersucht. Die Autoren Daniel Wagenknecht und Olaf Rösener entdeckten dabei einen hohen Vernetzungsgrad – aber auch ungenutzte Potenziale.

von Daniel Wagenknecht, Partner bei KPMG und Olaf Rösener, Senior Manager KPMG

Viele Kunden eines großen deutschen Telekommunikationsunternehmens erinnern sich mit Schrecken an die vor einigen Jahren neu aufgesetzte Kundenbetreuung mit automatischer Sprachsteuerung: „Ich habe sie nicht verstanden“, lautete die Lieblingsantwort des Systems. Gespräche mit dem berüchtigten TelKo-Bot verursachten Wutanfälle von Flensburg bis Freilassing.

Olaf Rösener, Senior Manager KPMG
Olaf Rösener, Senior Manager bei KPMGKPMG

Seitdem hat sich zum Glück einiges getan, denn Technologien wie generative KI haben Serienreife erlangt. Spätestens seit der Veröffentlichung von OpenAI im Herbst 2022 ist der Hype riesig und die Potenziale scheinen mögliche Macken und Kinderkrankheiten bei Weitem zu überwiegen.

Hohe Readiness, Ziel: Qualität

Auch Finanzdienstleister haben die Chance, von Technologie-Innovationen – zum Beispiel für die Prozessautomatisierung – zu profitieren, indem sie durch Sourcing ihre Effizienz steigern, Kosten senken und ihre Qualität erhöhen. Sie versprechen sich Zugang zu den Technologien Cloud (52 %), KI und Machine Learning (51 %), Robotic Process Automation (RPA, 35 %), Distributed Ledger Technology (DLT, 26 %), Internet of Things (IoT, 25 %), Quantencomputing (22 %) und Low- bzw. Low-Code-Plattformen.

Dieses Zusammentreffen eines hohen technologischen Reifegrads und einer hypervernetzten Welt macht Sourcing derzeit zu einem so spannenden Bereich in der Finanzbranche.”

Zumal 90 Prozent der Finanzunternehmen ihre eigene Sourcing Readiness als „hoch“ oder „sehr hoch“ einschätzen – die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für Sourcing also vorhanden sein sollten.

In diesem Kontext haben sich auch die Ziele gewandelt: Stand bis vor wenigen Jahren meist Kostenoptimierung im Fokus der Unternehmen, belegt heute die Steigerung der Qualität (46 %) Platz 1, gefolgt von Effizienzsteigerung (42 %) und finanzieller Flexibilität (40 %). Zudem bezeichnen 61 Prozent der Finanzdienstleister Sourcing als grundlegend für ihre Digitalisierung

Autor Daniel Wagenknecht, KPMG
Daniel Wagenknecht ist Partner bei KPMG im Bereich Financial Services (Website). Dort verantwortet er die Sourcing & Cloud Transformationsberatung. Neben dem Thema Sourcing liegt sein persönlicher Schwerpunkt auf den Themen Cloud-Strategie und Cloud Governance / Risk / Compliance (GRC) und Datenschutz. Damit befähigt er Unternehmen, Public-Cloud-Services sicher und aufsichtsrechtlich konform zu nutzen.
Und in der Tat: Ende-zu-Ende-Automatisierung an der Kundenschnittstelle, Accounting Services und intelligente Betrugsprävention sind nur einige Beispiele für hoch wirkungsvolle externe Leistungen. Viele Anbieter solcher Services haben einen Spezialisierungsgrad erreicht, mit dem Banken, Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften selbst nicht mithalten könnten. Einige verfügen über einzigartige technologische Entwicklungen wie bestimmte Algorithmen zur Betrugsprävention oder generative KI.

Offshore-Sourcing kommt zu kurz

Durch das Auslagern bestimmter Geschäftsbereiche erreichen Finanzdienstleister nicht nur mehr Effizienz und Qualität, sie begegnen auch dem in Deutschland so akuten Fachkräftemangel: Je mehr Sourcing, desto mehr Personal steht vor Ort zur Verfügung, das sich um die Kernkompetenzen des Unternehmens kümmern kann. Eine Zahl fällt in diesem Zusammenhang besonders auf:

Nur acht Prozent der Institute setzen beim Sourcing auf Offshore-Modelle, also Dienstleister außerhalb Europas.”

Natürlich sind Datenschutzbestimmungen (39 Prozent der Unternehmen bezeichnen sie als Hindernisfaktor), Regulatorik (31 Prozent) und technische Anbindung (31 Prozent) im Nicht-EU-Ausland mitunter komplexer. Allerdings lohnt es sich trotzdem, diese Investitionshürden in Angriff zu nehmen.

Autor Olaf Rösener, KPMG
Olaf Rösener ist Senior Manager bei KPMG und Experte für Outsourcing in der Finanzbranche (Website). Mit über 25 Jahren Erfahrung in IT und Beratung (IBM, KPMG, Finleap) berät er Banken und Versicherungen in Sourcing-Strategien und IT-Risikomanagement. Er entwickelt Auslagerungssteuerungen, unterstützt bei Providerauswahl und verantwortet die Software-Entwicklung einer IT Governance Suite. Zudem managt er Risiken in großen Banken-Outsourcing-Projekten.

Neue Dimension der Kosteneffizienz

Allerdings ist der Fachkräftemangel kein rein deutsches Phänomen. Rückläufige Geburtenraten und die Überalterung der Bevölkerung werden in Europa weiter um sich greifen und das Anwerben von Fachkräften in der gesamten EU in den kommenden Jahren schwieriger machen. Hinzu kommt: Kosteneffizienz außerhalb Europas spielt sich in einer anderen Dimension ab. Wollen die Institute hier mit internationalen Trends schritthalten, führt am Offshore-Modell in Zukunft kein Weg vorbei. Wie immer werden hier die Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben, die den Trend frühzeitig erkennen.

Und noch eine Zahl sticht ins Auge:

Obwohl 96 Prozent der Unternehmen über ein effizientes, softwaregestütztes Sourcing Management verfügen und 40 Prozent dieses in eine übergreifende Compliance- und Risiko-Softwaresuite integriert haben, arbeiten die Institute mit vergleichsweise vielen Dienstleistern zusammen.”

Fast ein Drittel der Banken (28 %) hat zwischen 100 und 249 Sourcing-Partner. Das deutet einerseits auf einen hohen Integrationsgrad des Sourcing-Modells hin, andererseits aber auf eine noch zu wenig homogene Sourcing-Strategie. Je konsequenter die Branche Sourcing künftig umsetzt und auf kompetente, vertrauenswürdige Partner setzt, desto weiter wird diese Anzahl voraussichtlich sinken.

Die vollständige Studie „Sourcing in der Finanzbranche“ erhalten Sie hier nach Eingabe der Kontaktdaten.Daniel Wagenknecht und Olaf Rösener, KPMG/aj

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