KI & Quantencomputing für Bankenprozesse: Thomas Rechnitzer, VP Banking & Financial Markets, IBM
IBM setzt auf Künstliche Intelligenz und Quantencomputing, um Banken bei der Bewältigung technologischer Herausforderungen und regulatorischer Anforderungen zu unterstützen. Thomas Rechnitzer, Vice President Banking und Financial Markets, erläutert die neuesten Entwicklungen und Anwendungen im exklusiven Interview.
Herr Rechnitzer, welche technologischen Herausforderungen und Innovationen interessieren Ihre Kunden derzeit im Finanzsektor besonders?
Generative KI und KI-gestützte Automatisierung stehen sicher ganz oben auf der Themenliste. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Institute for Business Value (IBV) haben nur 14% von 600 befragten Instituten angegeben, aktuell keine Pläne zur Umsetzung von generativer KI zu haben.Größte Hindernisse beim Einsatz von KI werden vor allem in der Verfügbarkeit von Daten und den regulatorischen Vorgaben gesehen. KI Governance spielt daher sicher eine zentrale Rolle, um KI erfolgreich einzusetzen.”
KI-Einsatz ist ja kein Selbstzweck. Wo macht KI bei Banken wirklich Sinn und wie werden praktische KI-Anwendungen aussehen?
Laut genannter Studie verwenden erst 8 % der befragten Institute systematisch Generative AI, aber fast 80 % experimentieren damit und sind mit taktischen Ansätzen unterwegs. KI wird omnipräsent sein, sowohl an der Kundenschnittstelle als auch für interne Prozesse.
Was wir bei unseren Kunden im Einsatz sehen, sind hauptsächlich klassische Maschine Learning Anwendungen sowie KI gestützte Assistenten und Chatbots – sowohl in der direkten Kundenansprache als auch im Back Office, um Prozesse zu automatisieren.”
Gerade im beratungsintensiven Finanzgeschäft können Large Language Models den Kundenservice optimieren und die Kundenberater entlasten. Laut der IBV-Studie ist in den Unterstützungsfunktionen Audit der führende Bereich. Wir haben z. B. für eine amerikanische Großbank eine Lösung entwickelt, welche den Zeitaufwand zur Erstellung eines internen Audits um 35 % reduziert.
Sie erwähnen die regulatorischen Anforderungen als einen Treiber für den Einsatz von KI. Können Sie dies näher erläutern?
Eine KI Governance sollte nicht nur beim Regulator im Fokus stehen, sondern möglichst automatisiert aufgesetzt werden und auch ein Monitoring enthalten.
Es gibt bereits automatisierte AI-Governance-Lösungen, die für regulatorisch anspruchsvolle Unternehmensanforderungen konzipiert sind und sich an verschiedenste Geschäftsmodelle und -bereiche anpassen.”
Eine integrierte Plattform wie zum Beispiel IBM whatsonx.governance sorgt dafür, dass KI immer nachvollziehbar und transparent eingesetzt wird, dass die KI-Modelle nach gleichen Standards trainiert werden und dem neuen EU AI Act entsprechen.
Ich habe von erheblichen Legacy-Sorgen rund um Cobol gehört und dass IBM hierzu eine KI-Lösung haben soll. Was ist da dran?
Im Rahmen unserer watsonx-Lösung bieten wir eine Variante unserer Large-Language-Basismodelle an, die für den Umgang mit Code optimiert sind. Diese Modelle werden integriert in unsere Lösungen zur Codeanalyse und -Entwicklung.
Dabei geht es generell darum, Entwicklungszyklen zu verringern und bei der Konvertierung von COBOL nach Java zu unterstützen.”
COBOL ist durchaus eine moderne Sprache; eine automatisierte Übersetzung ist daher nur ein Teilaspekt – genauso wichtig ist es, die Codeanalyse und Dokumentation intelligent zu unterstützen.
Thomas Rechnitzer ist Vice President Banking and Financial Markets bei IBM Technology (Website). Seit 2024 verantwortet er den Vertriebsbereich für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Zuvor leitete er als Senior Partner den Bereich Versicherungswirtschaft für IBM Consulting in einer EMEA-Rolle. Thomas Rechnitzer ist Diplom-Wirtschaftsingenieur der Fachhochschule Heilbronn und hält einen MBA des Henley Management College, London.
Wie sieht IBM die Rolle von KI bei der Adressierung des Fachkräftemangels in der Cobol-Programmierung?
Wir adressieren dies beispielsweise, indem wir versuchen, die Produktivität der Mitarbeiter durch den Einsatz von KI zu steigern. Prozesse werden mehr und mehr automatisiert und die Einarbeitung von neuen Kräften gelingt schneller, indem die bankeneigene Wissensbasis leichter zugänglich wird. RAG (Retrieval Augmented Generation) spielt eine zentrale Rolle: Statt der Suche nach Dokumenten wird eine Frage / Antwortmaschine bereitgestellt. Diese antwortet in verständlicher Sprache und verweist auf die Quellen zur Nachvollziehbarkeit.
Daten sind für den KI-Einsatz wichtiger als der KI-Algorithmus selbst. Wie gehen Sie bei der Datenaufbereitung und der Datenstrategien vor – gerade in Bezug auf regulatorische Anforderungen?
Bei KI verfolgen wir einen Plattformansatz mit den Säulen KI-Entwicklung, Governance und Daten. Am Beispiel unserer Large-Language-Modelle der Granite-Familie haben wir detailliert beschrieben, wie Daten aufbereitet werden sollten, damit sie zum Training vertrauenswürdiger Modelle geeignet sind.
Wichtig ist, dass Daten- und KI-Governance von Beginn an, also direkt bei der Use-Case Definition mit berücksichtigt werden, um Mehraufwände oder Compliance-Verstöße zu vermeiden.”
Im Detail nachlesen kann man das auf der IBM Homepage.
Alle Systeme werden gehackt. Das ist auch bei KI-Systemen zu erwarten – aber die Auswirkungen dürften schwer nachvollziehbar sein, oder? Können, müssen, sollten sich Banken um spezifische Sicherheitsmaßnahmen bei der Integration von KI-Systemen Gedanken machen?
Ja, mit KI werden auch neue Angriffsflächen geschaffen.
Bei „Adverserial Attacks“ (Feindliche Angriffe) werden die Eingangsdaten derart manipuliert, dass die Modelle manipulierte Ausgaben oder Klassifikationen liefern. Hierzu werden wir demnächst spezialisierte Produkte am Markt sehen.”
Um die Sicherheit von KI-Anwendungen zu realisieren, ist eine Kombination von klassischen Security-Produkten, zum Beispiel API-Security erforderlich.
Und als Nächstes steht das Quantencomputing an. Ist das ein Thema, dass Banken schon heute beschäftigen sollte? Welche Anwendungsfälle sehen Sie für Banken?
Viele Banken erforschen Quantencomputing bereits für Anwendungsfälle, von der Beschleunigung von Monte-Carlo-Simulationen für das Risikomanagement bis hin zur Optimierung von Lösungen z.B. für die Vermögensallokation, Optionspreisgestaltung und Betrugserkennung.”
Weitere Informationen finden Sie im Dokument “Quantum Optimization: Potential, Challenges, and the Path Forward”, das im vergangenen Jahr von mehreren Organisationen der IBM Quantum Optimization Working Group veröffentlicht wurde. Darin wird beschrieben, wie die Optimierung des Portfoliomanagements und anderer Dienstleistungen von Quantencomputing profitieren könnte.
Gehen wir ein paar Jahre in die Zukunft. Welche infrastrukturellen Herausforderungen sehen Sie für Quantencomputing-Lösungen in Banken?
Die Herausforderung liegt nicht im eigentlichen Zugang zum Quantencomputing. IBM bietet mehrere Möglichkeiten, über die Cloud auf eine Vielzahl von Quantensystemen im Utility-Bereich (d. h. mit jeweils über 100 Qubits) zuzugreifen.
Die Herausforderung besteht vielmehr darin, Quantencomputing zu verstehen, zu erforschen und vorbereitet zu sein, um von den Vorteilen profitieren zu können, sobald die Technologie ausgereift ist.”
In dem Artikel , der den Titel “Seizing the opportunities: quantum technology and financial services” trägt und den das IBM Quantum-Team zusammen mit dem Handelsverband UK Finance verfasst hat, betonen die Autoren, dass für Finanzinstitute der Zeitpunkt, sich auf die Quantentechnologie vorzubereiten, gekommen sei:
Quantencomputing hat das Potenzial, die Optimierung, das Portfoliomanagement und die Anlagestrategien in der Finanzdienstleistungsbranche zu revolutionieren.”
Durch Techniken, die komplexe mathematische Modelle effizient lösen können, indem sie eine große Anzahl von Variablen und Einschränkungen berücksichtigen und Quanten- und maschinelle Lernalgorithmen nutzen.
Mal wieder was ganz Handfestes: DORA kommt im Januar 2025. Was treibt Finanzinstitute um? Welche Themenstellungen treffen da auf IBM?
Es gibt keinen allgemeingültigen Weg für Finanzinstitute, um DORA anzugehen. Daher sollte jedes Unternehmen die Möglichkeit nutzen, um mit geschäfts- und risikoorientierten Priorisierungen den maximalen Wert aus der DORA-Umsetzung zu generieren.
Die Steigerung der digitalen Resilienz – die Kernmotivation von DORA – erfordert die Beherrschung grundlegender Fähigkeiten in vier Schlüsselbereichen: Daten, Betrieb, IKT-Risikomanagement sowie Automatisierung und KI.”
Wir sind davon überzeugt, dass DORA die Möglichkeit bietet, Compliance-Ausgaben in eine Reihe strategischer Investitionen umzuwandeln, die darauf abzielen, eine höhere Geschäftsleistung zu erzielen. Mit dieser Denkweise können Finanzinstitute sowohl Compliance als auch langfristigen digitalen geschäftlichen Nutzen aus ihren Investitionen in die Ausfallsicherheit digitaler Abläufe erzielen.
Herr Rechnitzer, vielen Dank für das Gespräch.aj
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/210667
Schreiben Sie einen Kommentar