STRATEGIE14. November 2024

KI in Banken: State of the Art? Nicht für Mitarbeiter! Gamification bietet den Ausweg

Mario Smeets, DCP Deutsche Consulting Partner DCP Deutsche Consulting Partner

Banken setzen auf KI – doch die Mitarbeiter sträuben sich. Während Führungskräfte Effizienz und Zukunft versprechen, herrscht bei vielen Skepsis und Ablehnung. Gamification soll einen Ausweg bieten. Eine cleverere Lösung oder nur Spielerei in einer Branche, die Ernsthaftigkeit fordert?

von Mario Smeets, geschäftsführender Partner bei Eraneos Automation

KI – kaum ein Thema wird derzeit so heiß diskutiert (die DORA mal ausgenommen…), und es gibt wenige Bereiche, in denen nicht massiv in KI-gestützte Technologien investiert wird. Das gilt auch für Banken, die heutzutage mehr Technologieunternehmen und Rechenzentren als papiergebundene Geldverwalter sind. Die Erwartungen sind hoch: Automatisierte Prozesse, intelligentere Entscheidungen und verbesserte Kundenerfahrungen sollen den Weg in eine Zukunft mit einer flächenmäßigen Nutzung KI-basierter Tools ebnen. Ein zentrales Problem bleibt dabei vielfach unerwähnt: Die Mitarbeitenden ziehen nicht mit, vor allem in den IT-ferneren (Fach-) Bereichen. Während die technisch-innovativ geprägte IT und das Management KI als Schlüssel zur effizienteren Gestaltung von Arbeitsabläufen betrachten, begegnen viele Mitarbeiter den neuen Technologien mit Gleichgültigkeit oder sogar starker Skepsis und Ablehnung.

Warum Mitarbeitende KI-gestützte Tools oft meiden

„Ideation-Workshops“ und Potenzialanalysen versprechen eine Vielzahl an Use Cases für den Einsatz von KI. Wer nicht mitmacht, bleibt im Wettbewerb zurück. Die Begeisterung unter Führungskräften ist groß, verspricht der Einsatz von KI doch Zugewinne an Effizienz, ermöglicht die Verarbeitung großer Informationsmengen und lässt auf Qualitätszuwächse in Entscheidungsprozessen hoffen – das gilt sowohl für kleinteilige, operative aber auch strategisch bedeutende und komplexe.

Obwohl KI zweifellos das Potenzial hat, die Arbeitswelt zu revolutionieren, stoßen KI-gestützte Tools häufig auf Ablehnung bei denjenigen, die sie täglich nutzen sollen.”

Das Phänomen nennt sich „Algorithm Aversion“ und zählt zu den sogenannten „cognitive biases“, also menschlichen Urteilsfehlern. Algorithm Aversion lässt sich vor allem bei solchen Tools beobachten, die in Bereichen unterstützen, in denen komplexe Entscheidungen getroffen werden; zum Beispiel in der Gesamtbanksteuerung oder im Controlling. Dafür gibt es verschiedene Gründe, die in vier Kategorien zusammengefasst werden können:

1.Verlust von Kontrolle und Autonomie: KI-gestützte Tools werden oft als „Black-Boxes“ wahrgenommen. Wer nicht versteht, wie ein Tool funktioniert und wie Empfehlungen zustande kommen, nutzt es nur ungern.

2.Fehlendes Vertrauen in die Reliabilität des Tools und seine Performance:

Einzelne Fehleinschätzungen, gerade zu Beginn der Nutzung, können zu einem vollständigen Vertrauensverlust in das Tool führen.”

Zusätzlich nimmt die Relevanz ethisch korrekter Empfehlungen immer mehr zu; einhergehend lässt sich ein grundsätzlicher, initialer Zweifel hieran beobachten.

3.Angst vor Jobverlust und andere soziale Beeinträchtigungen durch die Nutzung: Banken sind stark regulierte und traditionell strukturierte Organisationen. Veränderungen stoßen hier häufig auf Widerstand – insbesondere, wenn sie als Bedrohung der bestehenden Arbeitsweise wahrgenommen werden. Ein Mangel an begleitendem Change-Management und einer grundsätzlich „KI-positiven“ Unternehmenskultur lassen solche Ängste entstehen.

Dabei gilt: Auch wenn sich Job-Profile künftig verändern könnten, spricht aktuell alles dafür, dass der „human-in-the-loop“, der die finale Entscheidung trifft, auch künftig erforderlich bleiben wird.

4.Use-case-spezifische Bedenken: Hierunter subsumiert sich ein zunächst grundsätzlicher Zweifel an der Eignung des spezifischen Tools für den eigenen Anwendungsfall.

Wie können Banken ihren Mitarbeitern die Angst vor KI nehmen und sie motivieren, neue Tools zu nutzen? Wie kann also die Akzeptanz von KI-Tools im Arbeitsalltag erhöht werden?

Gamification: Mehr als ein Spiel

Ein im ersten Moment unorthodox erscheinender Ansatz ist der Einsatz von „Gamification“.

Gamification, also die Anwendung spieltypischer Elemente in einem nicht-spielerischen (beruflichen oder bildungsspezifischen) Kontext, hat in den letzten Jahren in vielen Branchen Einzug gehalten; insbesondere im Bildungssektor.”

Dieser Ansatz funktioniert auch in der Bankenwelt, einer der traditionell besonders seriösesten und regel-orientierten Branchen. Zumindest, wenn man einige Regeln beachtet, dazu später mehr.

Gamification bietet mehrere Ansätze, um den Umgang mit KI-gestützten Tools zu erleichtern und attraktiver zu gestalten:

1.Schulung und Onboarding: Gamification kann helfen, indem sie den Lernprozess spannender und interaktiver gestaltet. Mitarbeitende könnten durch Levels, Badges oder Ranglisten belohnt werden, wenn sie bestimmte Lernmodule oder Aufgaben erfolgreich abschließen.

2.Wettbewerb als Motivator: Interne Wettbewerbe, bei denen Mitarbeitende Punkte für die Nutzung von KI-Tools sammeln, könnten Ehrgeiz und Neugier wecken.

Wer schafft es, eine bestimmte Anzahl an Aufgaben durch KI effizienter zu lösen? Wer sammelt die meisten Punkte und wird „KI-Experte“?”

3.Simulationsspiele: Komplexe KI-Tools könnten durch Simulationen in einer sicheren Umgebung erlernt werden, bevor sie im realen Arbeitsalltag eingesetzt werden. Mitarbeitende könnten spielerisch erleben, wie KI ihre Arbeit vereinfacht, ohne Angst vor Fehlern.

4.Feedback und Belohnungen: Gamification bietet auch die Möglichkeit, das Nutzerverhalten kontinuierlich zu analysieren und auf Grundlage von Feedback zu verbessern. Die Mitarbeitenden erhalten direktes Feedback zu ihrer Leistung und können durch Belohnungssysteme weiter motiviert werden.

Abbildung 1 fasst zusammen, wie Gamification operationalisiert und auf die negativen Einflussfaktoren der KI-Akzeptanz einwirken kann.
Abbildung 1 fasst zusammen, wie Gamification operationalisiert und auf die negativen Einflussfaktoren der KI-Akzeptanz einwirken kann.Eraneos Automation

Psychologische Effekte: Warum Gamification wirkt

Gamification setzt dabei auf psychologischen Prinzipien auf. Der Mensch lernt durch positive Verstärkung und genießt das Gefühl, Herausforderungen zu meistern und Erfolge zu erzielen. Dabei vergleicht er sich mit anderen, meist ähnlichen Personen in einem bestimmten Umfeld und versucht sich diesen und ihren Verhaltensweisen möglichst anzunähern (für Interessierte: Die Social Comparison Theorie liefert hier spannende Erklärungen und weiterführende Eindrücke). Indem spielerische Elemente in den Arbeitsalltag integriert werden, wird die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden gesteigert. Das bedeutet:

Die Nutzung von KI-Tools wird nicht länger als lästige Pflicht empfunden, sondern als Herausforderung, die es zu meistern gilt – insbesondere um Kolleginnen und Kollegen nicht nachzustehen.”

Positiver Nebeneffekt: Die Möglichkeit, im eigenen Tempo zu lernen und sich weiterzuentwickeln und dadurch die Kontrolle über den eigenen Lernfortschritt zu behalten, löst das Gefühl von Selbstbestimmung und Kontrolle aus – ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz neuer Technologien, siehe Abbildung 1.

Herausforderungen und Grenzen

Spielerische Elemente müssen dabei sinnvoll und zielgerichtet eingesetzt werden und nicht die gefühlte Seriosität der Bank gefährden. Regulatorische Anforderungen müssen eingehalten werden, was die Einführung weiterer Anwendungen zur Gamifizierung regelmäßig komplexer macht. In einer Welt, in der Wettbewerb, Vergleichen und Messen allgegenwärtig sind, ist das Schaffen von weiteren Wettbewerben zwischen Mitarbeitern zudem nicht immer die beste Wahl.

Lösungsauswahl und Integration von Gamification Tools in die IT-Landschaft

Im ersten Schritt ist eine Make-or-Buy-Entscheidung zu treffen. Eigenentwicklungen lassen sich bspw. auf Basis von Frameworks wie der Microsoft Power Platform oder Salesforce umsetzen. Bestehende Plattformen sind als SaaS verfügbar, beispielsweise Badgeville oder Bunchball.

Autor Mario Smeets, Eraneos Automation
Mario Smeets ist geschäftsführender Partner der Eraneos Automation, einem Teil der Eraneos Gruppe (Website). Vor­he­ri­ge re­le­van­te Sta­tio­nen wa­ren die Lei­tung des Pro­zess­ma­nage­ment-Teams bei DC-Part­ner, die Ex­pan­si­on und Di­gi­ta­li­sie­rung ei­nes Mo­de­la­bels als Ge­schäfts­füh­rer/ COO und sei­ne Tä­tig­keit in der Spar­kas­sen-Fi­nanz­grup­pe. Ma­rio ist Mas­ter of Busi­ness Ad­mi­nis­tra­ti­on mit Schwer­punkt Ma­nage­ment of Fi­nan­ci­al In­sti­tu­ti­ons und Mas­ter of Sci­ence der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten. Er forscht im The­men­feld der künst­li­chen In­tel­li­genz für Ma­nage­ment Con­trol Sys­tems an der Uni­ver­si­tät Stutt­gart und der TH Aschaffenburg.

Anschließend folgt die Implementierung, dabei sind u.a. folgende Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen:

1.Single Sign-on: Gamification-Lösungen werden im Idealfall in das bestehende Access-Management der Bank integriert. Dies erlaubt eine einfache Nutzung durch Mitarbeitende (hohe Relevanz in Sachen Akzeptanz) und erleichtert das User-Tracking.

2.Datenanbindung und APIs:

Die einfache Integrierbarkeit in zentrale Datenbanken und Systeme ist notwendig, um Daten für Challenges und Aufgaben zu beziehen. Eine API-Schnittstelle ist dabei essenziell, um den Datenaustausch zwischen bestehenden Systemen, der Gamification-Plattform und vor allem der KI-Lösung, um deren Nutzungserhöhung es ja am Ende geht, zu ermöglichen.

3.Sicherheit und Compliance:

Da es sich in aller Regel um sensible Daten (Mitarbeiterdaten) handelt, sind strikte Sicherheitsstandards und Compliance-/ Regulatorik-Anforderungen (wie aus der DSGVO und DORA) einzuhalten.”

Verschlüsselte Verbindungen, Role-Based Access Control (RBAC) und Monitoring müssen integriert werden.

Fazit: Gamification als „KI-Enabler”

Die Einführung von KI in Banken wird nicht durch Zwang oder Anordnung gelingen – sondern durch Motivation und Begeisterung.

Gamification bietet einen vielversprechenden Ansatz, um Mitarbeiter aktiv einzubinden und die Akzeptanz von KI-Tools zu steigern.”

Indem spielerische Elemente in den Arbeitsalltag integriert werden, kann eine Kultur der Offenheit und Neugier, aber auch Belohnung für Ausprobieren und Mut gefördert werden, die die Akzeptanz von KI langfristig vorantreibt. Für IT-Verantwortliche bedeutet das: Give it a try – Gamification ist mehr als Spielerei. Sie ist ein strategisches Instrument, das – von Anfang an richtig aufgesetzt – dabei helfen kann, die Transformation zur datengetriebenen und KI-einsetzenden Organisation erfolgreich zu gestalten.

Neben praktischem Ausprobieren beschäftigt sich auch die wissenschaftliche Literatur seit einigen Jahren mit den Möglichkeiten von Gamification für die Akzeptanzsteigerung von Technologien. Und:

Ja, es funktioniert nachweislich.”

Wer Interesse an weiterführenden Informationen hierzu hat, darf sich gern jederzeit bei mir melden.Mario Smeets, Eraneos Automation

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