KI in Banken: Sechs Thesen zur Zukunft der Anlageberatung
Finanzinstitute bieten ein ideales Umfeld für den breiten Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). In der Anlageberatung liegen die Chancen in der Analyse großer Datenmengen und der gesprächsbegleitenden Aufbereitung relevanter Informationen in Echtzeit.
von Dr. Jörg Brock, Senior Manager bei Cofinpro
Was vor wenigen Jahren noch als Science-Fiction galt, ist mit dem Aufkommen neuer KI-Systeme bereits heute realisierbar. Was bedeuten diese Möglichkeiten für Mitarbeiter, Kunden und Kontrollorgane? Mit sechs Thesen zur Zukunft der Anlageberatung werfen wir einen Blick in die Glaskugel.Die Technologie bietet enorme Effizienzvorteile. Die Branche steht damit vor einem tiefgreifenden technologischen und kulturellen Wandel.“
Ein Fazit können wir vorwegnehmen: Allen Unkenrufen zum Trotz werden auch in Zukunft Menschen in Finanzinstituten arbeiten. Aber sie werden ihren Kunden einen besseren Service bieten als je zuvor.
These 1: Das Angebot wird individueller und besser denn je
Mit KI-Unterstützung lässt sich das Produktangebot leichter konfigurieren und in kürzester Zeit an die spezifischen Bedürfnisse des Kunden anpassen. Während der Bankberater dem Kunden bisher meist nur Standardbausteine zu einem kombinierten Produkt zusammenstellt, können in Zukunft auch einzelne Anlagen oder individuell ausgewählte Produkte gezielt ausgesucht werden. Die dafür notwendige Auswertung verschiedenster Informationsquellen und Analysen ist für den Menschen aus Zeit- und Kapazitätsgründen nicht zu bewältigen. Für Computer sind diese Aufgaben dagegen ideal.
So sollten die Banken vorgehen:
KI unterstützt künftig in allen Prozessschritten: von der Kundenansprache über die individuelle Beratung bis hin zum Abschluss und der langfristigen Betreuung. Dieser hochqualifizierte Ansatz kann sich auch positiv auf Margen und Kundengruppen auswirken, wenn die Systeme eine intelligente Zusammenarbeit zwischen Berater und KI ermöglichen.
These 2: Profis für künstliche und emotionale Intelligenz
Der Anlageberater einer Bank wird in der persönlichen Interaktion weiterhin über Kapitalmarkterfahrung verfügen müssen, allerdings kombiniert mit einer gehörigen Portion Technologie-Know-how. Denn auch eine KI muss überwacht und richtig bedient werden. Im Gegenzug gewinnen Kunden aber auch mehr Vertrauen in die Arbeit der Berater, weil diese ihre Entscheidungen fundierter und besser begründen können. Andererseits wird die KI künftig oft der erste Kontaktpunkt einer Bank sein. Vor allem jüngere Generationen, die mit Bots oder automatisierten Antragsprozessen vertraut sind, werden damit gut umgehen können. Aber auch sie schätzen die emotionale Intelligenz des Kundenberaters, sobald das Thema komplexer wird. Die Vorteile der Kombination aus persönlicher und digitaler Beratung stellen einen Mehrwert dar, für den der Kunde vermutlich auch zu zahlen bereit ist.
So sollten Banken vorgehen:
Auch die Regulierung wird dafür sorgen, dass KI nicht allein entscheidet. Je besser Finanzinstitute das Zusammenspiel von Mensch und KI gestalten, desto erfolgreicher wird die Zusammenarbeit sein. Technische Lösungen zu schaffen und Berater darin auszubilden, schafft einen deutlichen Mehrwert.
These 3: Die KI verleiht dem Berater Expertenstatus
Für viele Kundenberater sind Stift und Papier noch immer die wichtigsten Hilfsmittel, um komplexe Zusammenhänge im Anlagegeschäft zu erklären. KI hingegen kann schneller und anschaulicher passgenaue Visualisierungen erstellen – und wichtige Hinweise geben. Denn selbst erfahrene Bankmitarbeiter haben nur wenige Einzeltitel im Blick. Meist beschränkt sich das Wissen auf allgemeine Anlagetipps. Mit KI im Rücken kann auch ein durchschnittlicher Kundenberater mit Expertenwissen glänzen. Die Informationsbeschaffung erfolgt in Echtzeit und ist umfassender als je zuvor. Während der Beratung können Anwendungen das Gespräch verfolgen und mit relevanten Informationen anreichern. Dazu werden in Sekundenschnelle Millionen von Nachrichten, Publikationen und Datenbanken durchsucht, zusammengeführt und ausgewertet.
So sollten Banken vorgehen:
Bei aller Unterstützung durch Kollege Computer gilt auch in Zukunft: Der Berater muss sich in seinem Fach auskennen, schließlich gilt es, die Empfehlungen der KI Anlageberatung zu überprüfen.
Von der Kundenansprache über die individuelle Beratung bis hin zum Abschluss und der langfristigen Betreuung wird die KI Berater und Kunden künftig wie ein persönlicher Assistent unterstützen. In Zukunft wird nicht mehr der Börsenguru der König unter den Beratern sein, sondern derjenige, der Finanzwissen mitbringt und die Möglichkeiten der KI gezielt einsetzen kann.“
These 4: Die größten Zeiträuber in der Beratung werden durch KI beseitigt
Der Finanzberater sollte in erster Linie mit dem Kunden sprechen und Anlage- oder Vorsorgeprodukte erklären bzw. verkaufen. Die Realität sieht jedoch anders aus: Gut drei Viertel der Arbeitszeit entfallen auf Routineaufgaben und Dokumentationspflichten. Hier unterstützt künftig der digitale KI-Assistent durch Prozessautomatisierung. Bereits in der Vorbereitung erstellt er automatisiert für jeden Termin eine individuelle Briefingmappe. Dazu verknüpft er relevante Daten zur jeweiligen Lebenssituation und Risikoneigung des Kunden mit statistischen Informationen und Prognosen. Auf diese Weise verkürzt KI die zeitaufwändige Datenerhebung und kann zudem eine Vorauswahl geeigneter Produkte sowie wichtiger Beratungsthemen treffen.
So sollten Banken vorgehen:
Banken sollten KI-Systeme auch als eine Art persönlichen Assistenten des Beraters verstehen und entwickeln. Dieser zeichnet Beratungsgespräche auf, erstellt eine rechtssichere Abschrift und eine automatisierte Zusammenfassung inklusive der Erfüllung regulatorischer Anforderungen vom Beratungsprotokoll bis zur Aufbewahrungspflicht.
These 5: Banken können mit KI regulatorische Anforderungen besser erfüllen
Die Aufsichtsbehörden zwängen die Finanzinstitute in ein enges Korsett umfangreicher Vorschriften. Diese dienen dem Verbraucherschutz, erhöhen aber den internen Aufwand erheblich. KI kann Banken bei der Erfüllung dieser Anforderungen unterstützen, indem sie Compliance-Prozesse automatisiert, das Risikomanagement verbessert und mögliche Risikoquellen identifiziert. Gleichzeitig können viele Arbeitsschritte automatisiert werden, die heute oft noch mit hohem Zeitaufwand manuell durchgeführt werden, wie z.B. die Protokollierung wichtiger Kundengespräche.
So sollten Banken vorgehen:
Den positiven Aspekten eines umfassenden Einsatzes von KI stehen auch regulatorische Herausforderungen gegenüber: Transparenzrisiken, mögliche Verzerrungen oder Fehlinformationen. Daher ist ein ausgewogener und risikobasierter Ansatz für die Regulierung von KI erforderlich, um Innovation und Vertrauen im Bankensektor zu fördern.
These 6: Gewinnen wird, wer KI von Anfang an verantwortungsvoll einsetzt
Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass der Gesetzgeber das Regelwerk für neue Technologien sukzessive verfeinert. Häufig hinken die Aktualisierungen jedoch der rasanten Entwicklung hinterher. Ähnliches ist auch für die Gesetzgebung zu KI zu erwarten. Einen ersten Eindruck von den künftigen Rahmenbedingungen vermittelt der aktuelle AI-Act der EU. Dieser legt fest, dass eingesetzte KI-Systeme sicher sein und bestehende Grundrechte und Werte respektieren müssen.
So sollten Banken vorgehen:
KI-Anwendungen werden künftig in Finanzinstituten flächendeckend zum Einsatz kommen und die Arbeitsprozesse in zentralen Bereichen maßgeblich beeinflussen. Banken dürfen dabei die hohen Anforderungen an Transparenz, Qualitätssicherung, Kontrolle und Datenschutz nicht vernachlässigen. Anders als in der Vergangenheit gilt es jedoch nicht, auf finale regulatorische Vorgaben zu warten, sondern die neuen Standards von Anfang an mitzugestalten und Eigenverantwortung zu übernehmen.
Denn wer verantwortungsbewusst mit den neuen Technologien umgeht, kann in Zukunft ständige Nachbesserungen durch die Regulatoren vermeiden und Vertrauen beim Kunden aufbauen.
Banken sollten daher eine deutlich aktivere Rolle im Zusammenspiel mit den Aufsichtsbehörden einnehmen.
Fazit: Der KI-Anlageberatung gehört die Zukunft
Finanzinstitute sollten die Chancen nutzen, KI auf breiter Basis einzusetzen. Zu groß sind die Vorteile – vor allem in der Anlageberatung. Die Herausforderung besteht darin, die neue Technologie schrittweise so in die bestehenden Arbeitsprozesse zu integrieren, dass Mitarbeiter und Kunden schnell und reibungslos von den neuen Möglichkeiten profitieren.
Das Thesenpapier finden Sie hier zum Download.Dr. Jörg Brock, Cofinpro
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