Keine Angst vor dem Libra? Jetzt kommt Diem …
Noch im Januar könnte die ursprünglich von Facebook geplante Digitalwährung Libra starten. Vom ursprünglichen Konzept, das die Währungshüter in aller Welt zu scharfen Reaktionen veranlasste, ist allerdings nicht mehr viel übrig geblieben. Trotzdem sind die Sorgen der Politik nicht ausgeräumt.
Bereits im Januar 2021 wird die Libra Association ein erstes digitales Geld auf den Markt bringen, meldet die Financial Times (FT) mit Verweis auf drei unabhängige Quellen aus den Reihen der Beteiligten. Anders als ursprünglich geplant, wird es keine universelle Digitalwährung geben, die auf einem Währungskorb beruht. Sondern zunächst einen einzigen Stable-Coin LibraUSD, der 1:1 an den US-Dollar gebunden ist. Zwar sind auch weitere Stable-Coins auf Basis weiterer Währungen geplant. Doch diese sind ebenso auf unbestimmte Zeit zurückgestellt wie ein übergreifendes digitales Zahlungsmittel, dass die einzelnen Stable-Coins vereinen soll.Die Aussicht auf einen baldigen Start speist sich aus der Erwartung, dass die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma in Kürze die Genehmigung für das Projekt erteilen werde. Den Antrag hatte die Libra Association im Mai gestellt. Auf Nachfrage der Financial Times lehnte die Finma jedoch jede Stellungnahme zum Libra-Antrag ab.”
[UPDATE 2.12.2020]
Die bisherige Libra Association hat sich am 1.12.2020 umbenannt. Der neue Name lautet „Diem Association“, ebenso sollen die Stable-Coins nun den Namen „Diem“ tragen. Das lateinische Wort für „Tag“ stehe für „einen neuen Tag für das Projekt“, so die Mitteilung der Gesellschaft. Zugleich mit der Umbenennung werden einige Personalien angekündigt. Das Management sei nun auf die Einführung vorbereitet, heißt es da – ohne in Bezug auf den Starttermin konkreter zu werden.
Thema nimmt Fahrt auf
Die Meldung der FT fällt in eine Zeit, in der stark über digitale Währungen und Zahlungssysteme diskutiert wird. So sorgt der neuerliche Anstieg des Bitcoin-Wechselkurses für hohe Aufmerksamkeit. Dieser wird in Zusammenhang gebracht mit Bemühungen von Payment-Größen wie Paypal und Square, die für eigene Kryptogeld-Services Bitcoins horten.
Zugleich befasste sich eine Bundesbank-Konferenz am vergangenen Freitag mit dem Thema Zahlungsverkehr und den Auswirkungen neuer Entwicklungen auf den europäischen Wirtschaftsraum. Hier gab es allerdings durchaus widerstreitende Meinungen.
Als Tiger gestartet…
Das ursprüngliche Libra-Konzept hatte Banken und Politik aufgeschreckt. Basierend auf einem breiten Währungskorb, im Endausbau von einem unabhängigen, dezentralen Netzwerk getragen und propagiert von Playern wie Facebook mit 2 Milliarden Kunden, sahen Kritiker die Gefahr, dass nationale Währungen in Teilen der Wirtschaft verdrängt werden könnten. Währungshüter sorgten sich, dass sie die Kontrolle über die Märkte verlieren könnten und ihre Währungen an Stabilität verlieren. Dementsprechend scharf formulierten sie mögliche Gegenmaßnahmen.
Angesichts der massiven Kritik verließen wichtige Partner die Trägergesellschaft, darunter Paypal, Visa, Mastercard, Stripe und Ebay. Im April 2020 legte die Libra Association ein völlig neues Konzept vor, das in wesentlichen Teilen entschärft war. Neben der Einführung einer Reihe unterschiedlicher Stable-Coins zählte dazu auch die Einführung eines robusten Compliance-Frameworks, die Absage an eine Weiterentwicklung der Libra-Blockchain zu einem vollständig dezentralen System sowie der Aufbau umfangreicher Schutzmechanismen für zugesicherte Libra-Reserve. Im Endeffekt wurde aus der ursprünglich geplanten unabhängigen digitalen Währung ein Zahlungsnetzwerk, das weiterhin von der Trägergesellschaft kontrolliert und der Bankaufsicht am Schweizer Sitz der Gesellschaft reguliert wird.
Gefahr gebannt?
Nach wie vor sind die Bedenken nicht ausgeräumt, die Libra-Aktivitäten könnten in Konkurrenz stehen zu digitalem Zentralbank-Geld. So forderten einige europäische Finanzminister noch im September geeignete Kompetenzen, um entsprechende Projekte der Privatwirtschaft stoppen zu können. Die Libra Association signalisiert derweil ausdrücklich Kooperationswillen:
„Darüber hinaus hoffen wir, dass digitale Währungen von Zentralbanken (Central Bank Digital Currencies, CBDC) direkt in das Libra-Netzwerk integriert werden, sobald sie von einer Zentralbank entwickelt wurden.“
Libra-Whitepaper, Kapitel 04
Sind damit alle Gefahren gebannt, die nach dem ursprünglichen Konzept diskutiert worden waren? Nein, sagte die EU-Finanzmarkt-Kommissarin Mairead McGuinness auf der Bundesbank-Konferenz vergangenen Freitag. Sie sorgt sich zum einen um die Privatsphäre der Kunden und plädiert deshalb für ebenso strenge Aufsicht und Regulierung solcher Player wie bei traditionellen Banken. Denn jeder, der Zugang zu diesen Daten hat, wisse sehr viel über unseren Geschmack, unseren Wohlstand und unsere Gewohnheiten, so die Kommissarin in ihrer Rede.
Darüber hinaus sieht sie die digitale Souveränität der EU bedroht, wenn die größten globalen Konzerne ihre Datenquellen auch noch auf Zahlungssysteme und darüber hinaus ausweiten:
„Schließlich ist die Zahlungspolitik von großer Bedeutung, wenn wir über die offene strategische Autonomie der EU sprechen. Wer Zahlungssysteme kontrolliert, kontrolliert zunehmend unsere modernen, stark digitalisierten Volkswirtschaften.“
Mairead McGuinness, EU-Kommission
Sie forderte, weltweit einsetzbare europäische Alternativen zu den „nicht-europäischen“ Zahlungsdiensten und Kreditkarten zu entwickeln statt Lösungen, die nur innerhalb der Grenzen ihrer Herkunftsländer funktionieren. Dazu gebe es entsprechende Initiativen.
Wann kommt der E-Euro?
Die Einführung des Libra, auch wenn nur als US-basierter Stable-Coin, könnte dennoch Fakten schaffen, die den Interessen der Politik zuwiderlaufen. Denn wenn Händler und Kunden ab Januar die Lösung einsetzen können, hat sie einen Startvorteil gegenüber später verfügbaren Alternativen, seien es private Lösungen oder Zentralbankgeld wie der E-Yuan oder der E-Euro, die sich noch in der Vorbereitungsphase befinden.
Während der deutsche Finanzminister Olaf Scholz auf der gleichen Bundesbank-Konferenz dazu aufrief, nun eine rasche Entscheidung in Bezug auf den digitalen Euro zu treffen und EZB-Direktor Fabio Panetta die Vorteile einer digitalen EU-Währung hervorhob, bremsten die Finanz-Kommissarin sowie die EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Euphorie.
Zwar läuft derzeit eine öffentliche Konsultation zum digitalen Euro, die im Januar abgeschlossen werden soll. Ob es tatsächlich wie vermutet bereits Mitte 2021 eine Entscheidung geben wird, ist jedoch fraglich. Für McGuinness sind derzeit noch mehr Fragen offen als beantwortet. Und Lagarde will die mögliche Einführung davon abhängig machen, ob der Markt Bedarf für einen digitalen Euro zeige. hj
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