Kampf den alten IT-Plattformen: Versicherer entdecken Standardlösungen
Eine Interpretation der PPI-Studie und Ratgeber von Studienleiter Tobias Kohl, Versicherungsexperte und Partner der PPI
In deutschen Versicherungsunternehmen wurden bisher die historisch gewachsenen IT-Plattformen weiterentwickelt, statt in neue Lösungen zu investieren. Die Folge sind hohe Kosten durch Betrieb, Wartung und Weiterentwicklung sowie geringe Effektivität und Funktionalität durch die Verwendung veralteter Programmiersprachen und Technologien. Viele der IT-Plattformen, mit denen deutsche Versicherer arbeiten, wurden vor mehr als 15 Jahren entwickelt. Inzwischen rufen Makler auf Tablets die aktuellen Tarife ab und Kunden melden Schäden über Apps. Die Informationsmöglichkeiten im Internet führen zu einer steigenden Vergleichbarkeit und damit zu schnelleren Produkteinführungen. Das macht Anschlussmöglichkeiten für Makler- und Vergleichsportale notwendig. Auch Regularien wie Solvency II und die Vermittlerrichtline IMD 2 fordern laufend IT-Anpassungen.75 Prozent der Versicherer erkennen, dass ihre Altsysteme an funktionale und technische Grenzen stoßen. Das zeigt die Studie „IT-Plattformen für den Versicherungsbetrieb“ (1.950 Euro) von PPI, für die führende deutsche Versicherer befragt wurden. 83 Prozent wünschen sich mehr Flexibilität bei technischen Änderungen sowie die Möglichkeit, durch offene Schnittstellen zum Beispiel webbasierte Maklerportale anbieten zu können.
Dazu kommt für 58 Prozent der Wunsch nach modernen Programmiersprachen. Die Eigenentwicklungen basieren oftmals auf Cobol oder Assembler. Für diese Anwendungen wird es schwierig, Programmierer zu finden. Heute wird üblicherweise in Java oder C# programmiert.
Standard wird salonfähig
Darum wenden sich viele Assekuranzen von ihren IT-Eigenentwicklungen ab und suchen nach Lösungen für moderne IT-Plattformen. Wie die PPI-Studie zeigt, bevorzugen zwei von drei Versicherern eine Standardlösung, die sie später mit wenigen Handgriffen individuell konfigurieren können. Ebenfalls von Interesse sind Standardlösungen, bei denen benötigte Komponenten durch das Setzen von Parametern aktiviert werden können.
Um nach Jahren von Flickwerk endlich eine einheitliche Systemlandschaft herzustellen und dabei die Kosten im Zaum zu halten, planen 67 Prozent der Assekuranzen eine IT-Plattform für den kompletten Versicherungsbetrieb. Dafür suchen sie nun den richtigen Softwarepartner.
Die Analyse von 21 am Markt erhältlichen IT-Plattformen ergab, dass sämtliche Anbieter eine Self-Service-Funktion für den Versicherungskunden anbieten oder dies planen. Auch die Machine-to-Machine-Kommunikation gehört für 85 Prozent zum Standard. 55 Prozent stellen hochflexible Maklerschnittstellen zur Verfügung, bei weiteren 20 Prozent wird dies in naher Zukunft der Fall sein. 42 Prozent unterstützen bereits die Integration von Clouds.
Der Markt für Standardsoftware bietet demnach moderne Produkte. Trotzdem sollte er vor einer Entscheidung intensiv geprüft werden. Denn gerade bei der fachlichen Abdeckung in Bestand und Schaden gibt es sehr große Unterschiede. Dies hat der detaillierte PPI-Fragebogen ergeben, mit dem zahlreiche Einzelfunktionalitäten erfragt wurden. Auch die Kultur des Softwareherstellers muss zum eigenen Unternehmen passen. Kleinere Versicherer sind beispielsweise mit einem mittelständischen Anbieter oft besser beraten.
Die herrschende Skepsis vor ausländischen Anbietern sollten die hiesigen Assekuranzen dagegen ablegen. Diese haben oft mehr Erfahrung bei der internationalen Einführung von Standardlösungen als die Konkurrenz aus Deutschland. Zudem stellen sie sich zunehmend mit national angepassten Lösungen und Kundenbetreuern auf die speziellen deutschen Anforderungen ein. Denn 92 Prozent der deutschen Assekuranzen erwarten einen deutschsprachigen Kundenbetreuer, jeweils 83 Prozent einen deutschsprachigen Support und deutsche Referenzkunden.
Der Weg zur Zukunftsfähigkeit
Das Interesse und die Anforderungen der Versicherer zeigen: Es wird Zeit für einen Paradigmenwechsel. Denn die Altsysteme können die Erfordernisse von heute nicht mehr bewältigen. Wo kein Differenzierungsmerkmal zu den Wettbewerbern besteht, empfiehlt sich der Einsatz von Standardlösungen.
Ist die Entscheidung für eine neue IT-Plattform gefallen, beginnt ein mehrjähriger Prozess der Umstellung. Dabei ist es wichtig, einen genauen Abschaltplan für die Altsysteme zu erstellen. Schrittweise werden die aktuellen Programme in die vorhandene IT-Landschaft integriert, ohne das ganze System sofort abzulösen. Dabei gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Beispielsweise können alle Neukunden schon ins neue System eingepflegt werden, während Bestandskunden noch im alten System verbleiben. Empfehlenswert ist eine Komplettumstellung nach Sparten oder Produktgruppen. Die Wartung des Altsystems kann an einen externen Dienstleister übertragen werden. So können sich die eigenen IT-Mitarbeiter intensiver mit dem neuen System auseinandersetzen.Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
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