Italiens Banken haben Clearing-Prozesse dank Blockchain vereinfacht
Knapp 100 Banken nehmen inzwischen am DLT-Projekt Spunta des italienischen Bankenverbandes ABI teil. Statt monatlich die Fälle von nicht übereinstimmenden Daten auszutauschen und in mühevoller Kleinarbeit zu klären, wo welche Korrekturen nötig sind, werden die Prozesse nun automatisiert per Blockchain über Nacht abgewickelt. 97,6 Prozent der Transaktionen, die ein Clearing benötigen, können so schnell erledigt werden. Auch andere Banken in Europa interessieren sich für das Projekt, dessen Erkenntnisse auch in die Entwicklung des „Digitalen Euro“ durch die EZB einfließen könnten.
Das Blockchain-Projekt „Spunta“ sei inzwischen voll funktionsfähig, meldet der italienische Bankenverband ABI. Im März war das Projekt zur automatischen Abwicklung von Clearing-Prozessen mittels Blockchain live gegangen. Zunächst waren 32 Institute aus 18 Unternehmensgruppen beteiligt, die 78 Prozent der italienischen Bankenmitarbeiter repräsentierten. Mit der zweiten Welle im Mai stießen weitere 23 Banken hinzu, und im Oktober folgten nochmals 42 Institute, so dass nun 97 Banken an das Projekt angeschlossen sind.Aufwändige Inter-Banken-Prozesse
Ausgangspunkt für das Projekt Spunta Banca DLT war die Notwendigkeit, das Interbanken-Clearing für dokumentäres, nichtdigitalisiertes Geschäft zu vereinfachen. Dazu zählten unter anderem Transaktionen unter Beteiligung von Schecks und Unternehmensanleihen. Bei einem Testlauf in einer frühen Projektphase konnten 1,2 Millionen reale Transaktionen, die dem Aufkommen von zwei Monaten bei 14 involvierten Banken entsprach, innerhalb von rund drei Sekunden auf einen DLT-Knoten (Distributed Ledger Technology) abgebildet werden. Bislang dauerte allein der Abgleich der monatlichen Kontobewegungen zwischen zwei Banken mehrere Tage.
Ziel der Initiative war es, das Interbanken-Clearing zwischen allen italienischen Banken zu vereinheitlichen und damit die bisher üblichen bilateralen Clearing-Konten (Nostro-/Vostro-Konten) abzulösen. Jedoch sollte dazu keine zentrale Infrastruktur aufgebaut und betrieben werden müssen. Bislang war die Zahl der Clearing-Fälle relativ hoch, die Auflösung der Konflikte erforderte umfangreiche manuelle Nachbearbeitung, die teils sehr lange dauerten.
Die Technik dahinter
Koordiniert wird das Projekt vom ABI-Lab, dem Forschungs- und Innovationszentrum des ABI. Beteiligt ist zudem NTT Data mit einem Team von 25 Blockchain- und IT-Experten. Die Blockchain-Infrastruktur inklusive Knoten und physischer Vernetzung der Banken entwickelte die italienische SIA. Zum Einsatz kam dabei die Open-Source-Software Corda in der kostenpflichtigen Enterprise-Version 3.1 des Blockchain-Konsortiums R3.
Weitere Komponenten sind unter anderem ein Web-Frontend, das allen Beteiligten zur Verfügung steht, sowie eine RESTful-API, die als Schnittstellensammlung die Interaktion mit den unterschiedlichen Banking-Systemen ermöglicht, aber auch die Anbindung der Identity-Provider.
Mittels Blockchain kann die benötigte große Datenbank dezentral auf zahlreiche DLT-Knoten verteilt werden. Laut ABI ermögliche dies, die Beziehungen und den Austausch zwischen den teilnehmenden Banken auf völlig neue Weise zu konzipieren und zu gestalten. Die Infrastruktur des ABI, das dazu genutzt wird, kann auch andere Applikationen hosten. Somit stünden die Tore offen für weitere zukünftige Entwicklungen auf dieser Basis.
Der Bankenverband ABI hat beispielsweise Interesse bekundet, sich auf Basis des Spunta-Projektes an der Entwicklung einer digitalen Zentralbank-Währung (CBDC) – dem „Digitalen Euro“ – beteiligen zu wollen. Ebenso gibt es Überlegungen, die Technik für weitere Prozesse zu nutzen oder die Anwendung auf weitere Branchen auszudehnen, um die Zusammenarbeit zwischen Banken und Unternehmenskunden zu verbessern.
Messbare Erfolge
Laut ABI wurden seit dem Projektstart am 1. März bis Ende September 204 Millionen Transaktionen der bislang 55 beteiligten Banken verarbeitet. Statt der zuvor monatsweisen Abarbeitung werden die Clearing-Fälle nun täglich abgestimmt. Die Verarbeitung erfolgt jeweils über Nacht und umfasst jeweils rund eine Stunde. Dabei konnten durch den gemeinsam entwickelten Algorithmus 97,6 Prozent der Fälle automatisch erkannt werden. Wo noch zusätzliche Abstimmungen nötig sind, wird die entsprechende Kommunikation ebenfalls in der Blockchain dokumentiert. Aufgrund der gemeinsamen Regeln für die symmetrische Abstimmung im Fall von Konflikten sowie der vollständigen Transparenz von Informationen und Kommunikation erfolgt das Clearing nun wesentlich schneller und verursacht weniger Kosten.
Bis Ende des Jahres erwartet der ABI ein Anwachsen der verarbeiteten Transaktionen auf 350 Millionen. Dies sind nach Angaben des Verbandes rund drei Mal soviel wie beim Bitcoin. Dessen Blockchain habe 2019 rund 117 Millionen Transaktionen verzeichnet. Die Kapazität der eigenen Infrastruktur schätzt der ABI derzeit auf rund 8,4 Milliarden Transaktionen.
Das Spunta-Projekt wird auch von anderen europäischen Banken mit Interesse verfolgt. Dazu zählt beispielsweise eine internationale Arbeitsgruppe der EZB, die eine Studie zu den Anforderungen erstellt, um das Clearing von Nostro-/Vostro-Konten im internationalen Zahlungsverkehr zu vereinfachen. So könnte der gesamte europäische Banksektor vom Projekt Spunta profitieren. hj
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