Innovation als Strategie: auf zum Banking 2.0 – Stephan Paxmann, Leiter Innovation & Digitalisierung der LBBW
„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen!“, wusste schon Karl Valentin. Innovationsmanagement, also das Überlegen und Umsetzen von neuartigen Lösungen für die Zukunft, ist für viele Banken mitunter ein herausforderndes Thema. Doch man kann es auch clever angehen.
von Stephan Paxmann, Leiter Innovation & Digitalisierung Landesbank Baden-Württemberg
Die Herausforderung liegt an „der Zukunft“. Denn diese Zukunft ist oftmals nicht greifbar, liegt noch in weiter Ferne und unterliegt vielen Variablen, die sich erst noch erweisen müssen. Ein Unsicherheitszustand, den traditionsgemäß risikobewusste Banken nicht als Idealzustand bezeichnen würden. Das zeigt sich auch daran, dass Risiko- und Kreditkompetenz essenziell für die Besetzung einer Bankvorstandsrolle sind und nachweisbare Erfahrung auch von den Aufsichtsbehörden gefordert wird.Innovationsmanagement hingegen ist kein formelles Kriterium. Wird dadurch also schon im Grundkonstrukt die Innovationskraft bei Banken beschnitten?”
Fakt ist: Die Zukunft wartet nicht!
Sie geschieht jeden Tag, ob man möchte oder nicht. Und in den aktuellen Zeiten des technologischen Fortschritts fängt die Zukunft schneller an, als es manchem lieb wäre. So hat beispielsweise OpenAI mit ChatGPT innerhalb kürzester Zeit nicht nur über 100 Millionen Nutzer begeistert, sondern hat in nur einem Jahr die Tür zu einem Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie Unternehmen und Banken arbeiten können, weit geöffnet. Was Banken bei diesem Tempo daher noch weniger gefällt als das Risiko selbst, ist die damit einhergehende Unsicherheit. Gerade wenn auch die Regulatorik noch nicht Schritt halten kann und bestehende Rahmenwerke an ihre Grenzen kommen.
Wie also dieser Unsicherheit begegnen, die sich wenig mit Zahlen, Daten und Fakten mitigieren lässt?”
Für den technologisch geprägten Wandel, zuletzt sichtbar bei der Einführung des Smartphones und weiterer Smart Devices in das Geschäftsleben, ist ein strukturiertes und strategisch ausgerichtetes Innovationsmanagement das beste „Risikowerkzeug“! Vor allem, wenn es eben nicht als Technologie-Einheit betrieben, sondern als Strategie- und Geschäftseinheit verstanden wird.
Böse Zungen haben vor dem Jahrtausendwechsel behauptet, dass ein Innovationsmanagement in Banken immer mit denjenigen Personen besetzt wurde, für die man anderweitig keine besseren Einsatzmöglichkeiten finden konnte. Der oftmals vorherrschende Fokus auf vor allem weiche Faktoren, Change-Bereitschaft oder kreative Methoden für Workshops, gepaart mit der oftmals fehlenden Umsetzungsbefähigung, haben diesen Eindruck bei etablierten Instituten auch nicht wirklich ändern können.
Kein Wunder also, dass in der Folge Neobanken und FinTechs diese echten Innovationen umgesetzt haben und nicht die Banken selbst.”
Doch dieses Bild hat mit dem modernen Ansatz eines Innovationsmanagements und der tatsächlichen Bedeutung nur noch wenig zu tun – wenn ein gleichfalls professioneller Ansatz dahintersteht, wie er beispielsweise auch von der Strategieabteilung oder einer Vertriebssteuerung einer Bank zu Recht erwartet wird.
Um dem Wettbewerb und neuen Marktteilnehmern proaktiv entgegentreten zu können, sind 4 Dimensionen für ein professionelles und modernes Innovationsmanagement zu beleuchten:
1. Die inhaltliche Ausrichtung2. Die organisatorische Verankerung
3. Das „Geschäftsmodell“
4. Die Vermarktung
Inhaltlich überschreibt der Begriff „Relevanz“ sämtliche Aktivitäten des modernen Innovationsmanagements. Eine Selbstbeschäftigung mit neuen Themen, nur weil etwas neu oder gehypet ist, trägt nicht zur Wertentwicklung des Unternehmens bei. Deswegen müssen neue Trends und Marktentwicklungen in erster Linie hinsichtlich ihres Veränderungspotenzials für die eigene Industrie und im Folgenden für die eigene Unternehmung bewertet werden.
Welche Bereiche oder Prozesse werden durch neue Technologien oder innovative Ansätze weiterentwickelt? Wo können bekannte Painpoints durch neue Lösungen behoben werden oder wo laufen Produkte oder auch Geschäftseinheiten Gefahr, sogar zukünftig obsolet zu werden?
Natürlich wird jeder dieser Ambition zustimmen. In der Praxis ist diese Relevanzbewertung aber viel weniger verbreitet, als man annehmen möchte. Das fängt schon dabei an, exakt zu definieren, was genau Relevanz ist!
Neben dem Bottomline Impact oder typischen Cost-Saving-Effizienzen gehören gleichermaßen auch Beiträge zur Risikomitigation, zur Reputationsabsicherung, zur Begeisterung der Mitarbeiter oder auch zur Marktsichtbarkeit dazu. Auch wenn diese monetär schwerer zu bewerten sind, zahlen sie auf den Gesamtwert einer Bank maßgeblich ein!
Wer möchte sich heute schon bei einer Bank bewerben, die nach außen wenig innovativ erscheint und damit eine geringere Arbeitsplatzattraktivität ausstrahlt? Und welcher Unternehmenskunde wählt eine Bank aus, die aufgrund fehlender moderner Technik unzuverlässige Kundenleistungen oder Fehler im Zahlungsverkehr erbringt – Fälle, die heute gerne und schnell in der Presse breitgetreten werden.”
Vor seiner Tätigkeit bei der LBBW war er in leitenden Positionen bei der Deutschen Bank AG in Frankfurt am Main und New York sowie bei der IMG in St. Gallen als Leiter des deutschsprachigen Beratungsgeschäfts tätig. Von 2007 bis 2010 war er Director International Banking bei der Allianz SE in München und Paris sowie Konzernstratege der Commerzbank AG in Frankfurt am Main. Im Jahr 2010 gründete er die TME AG, eine Beratungsboutique für die digitale Transformation von Banken und Versicherungen in Frankfurt am Main, deren CEO er bis 2022 war.
Externalisierte Innovationseinheiten im Banking
Schafft es also das Innovationsmanagement, durch sein Trendmanagement im digitalen Research, bei der Ideengenerierung oder der konkreten Verprobung möglicher innovativer Ansätze, immer eng am Banknutzen und im Weiteren am Kundennutzen zu agieren, werden die Geschäftsbereiche schon aus Eigeninteresse sehr proaktiv unterstützen und involviert sein wollen!
Organisatorisch haben sich Modelle mit externalisierten Innovationseinheiten im Banking nicht unbedingt bewährt. So ist bei diesen Formen der Know-how-Transfer sowie die Identifizierung mit dem Unternehmen immer mit extra Hindernissen verbunden.
Auch ist der Neidfaktor der im Unternehmen verbliebenen Mitarbeitenden nicht zu unterschätzen.”
Eine Reintegration nach einer längeren Phase in der externen Innovationseinheit ist nicht ohne weiteres möglich, wenn sich Mitarbeiter an die „Freiheit“ einer externen Umgebung gewöhnt haben.
Auf der anderen Seite benötigt der erfolgreiche Betrieb einer internen Innovationseinheit auch eine Entscheidungsbefugnis mit verbindlicher Nutzung durch die weiteren Bereiche. Dazu zählt im besten Falle die Verankerung als Strategiebereich, wie auch ein eigenständiges Innovationsbudget, welches für die Entwicklung neuer innovativer Infrastrukturen oder Services genutzt werden kann.
Vorstands-Commitment ist immer wieder gefordert
Ist das Vorstands-Commitment nicht oder nicht ausreichend vorhanden, werden Innovationsaktivitäten vor allem als neue Infrastruktur gegenüber mandatorischen Themen, wie beispielsweise regulatorische Anforderungen oder konkrete Vertriebsmaßnahmen, immer den Kürzeren ziehen. Budgets und Kapazitäten werden im Zweifelsfalle immer auf das regulatorische und mandatorische Thema konzentriert. Kurzfristig mag dies nachvollziehbar sein. Langfristig werden aber innovative und technische Schulden aufgebaut, die einen klaren Wettbewerbsnachteil für das Gesamtunternehmen darstellen und zeitlich nur mit sehr hohem Aufwand nachzuholen sind.
Last but not least ist für die Akzeptanz von Innovation auch die crossfunktionale Involvierung aller Bereiche einer Bank höchst empfehlenswert. Nicht nur der Marktbereiche oder der IT, sondern auch der Funktionsbereiche wie Finance, Operations, Compliance, Datenschutz oder Recht. Im besten Falle nicht erst am Ende eines Innovationsprojektes, sondern direkt von Beginn an.
Durch persönliche Identifizierung können Multiplikatoren geschaffen werden, die sukzessive ein innovatives Mindset ausbreiten und etablieren. Die Innovationseinheit alleine kann dieses nicht schaffen.”
Auch das Geschäftsmodell für Innovation orientiert sich nicht am Geschäftsmodell einer Vertriebseinheit. Im besten Falle wirft jede Idee später einen hohen Profit ab.
In der Realität müssen die exemplarischen 9 von 10 Ideen aber erst scheitern, damit die 10. Idee später floriert.”
Durch einen strukturierten und formalisierten Innovationsprozess kann diese Quote nachhaltig verbessert werden. Wird die Quote von 1 zu 10 beispielsweise auf 3 zu 10 optimiert, weil Relevanz und Unternehmensbereiche frühzeitig bedacht sind, erhalten Innovationsaktivitäten auch einen komplett neuen Stellenwert. Natürlich darf das nicht heißen, dass alles erlaubt ist, koste es, was es wolle. Aber die initiale Verprobung einer neuen Idee darf nicht vom Business-Case abhängig sein. Bei der Entscheidung für die Überführung in einen Regelbetrieb gehört selbstverständlich ein fundierter Business-Case dazu. Und übergreifend sind die Erkenntnisse aus dem Innovationsmanagement und vice versa aus dem Strategiebereich im gemeinsamen Austausch für die Bankstrategie enorm wichtig.
Tue Gutes und rede darüber
Auch das ist für innovative Aktivitäten gültig. Hier spielt die menschliche Psyche eine große Rolle. Neue Themen haben immer ihren Reiz und ziehen Interessenten an, wenn diese Ideen mit einer Ernsthaftigkeit vorangetrieben werden. Das können Unternehmenskunden sein, die einen kompetenten Ansprechpartner für ihre eigenen Geschäftsmodelle suchen und im Gespräch über neue Themen schnell auch auf ihr Kerngeschäft zu sprechen kommen. Ebenso zahlt sich die Transparenz innovativer Aktivitäten auf die Arbeitgeberattraktivität aus. Dies gilt gleichermaßen für Mitarbeiter wie auch für Interessenten, die in ihrem Entscheidungsprozess auch die Modernität einer Bank und im Folgenden für Ihren möglichen Arbeitsplatz bewerten möchten.
Und wer möchte nicht in einer positiv angesehenen Umgebung arbeiten? Es muss ja nicht gleich Apple oder Google sein, aber grundsätzlich sind innovative Unternehmen in Zeiten von Fachkräftemangel bei der Rekrutierung klar im Vorteil.”
Das Innovationsmanagement stellt also einen dedizierten Part der Unternehmensstrategie dar und liefert einen wesentlichen Mehrwert für eine erfolgreiche und zukunftssichernde Unternehmensentwicklung. Eine klare Innovationsstrategie, gepaart mit einem klar strukturierten Innovationsansatz und -prozess gehört somit auf die Vorstandsagenda. Gerade wenn sich die Zukunft in so unsicherem Fahrwassern bewegt, wie in der heutigen Zeit.
Und genau das ist der ideale Zeitpunkt für „German Innovation“, der wir in der LBBW auch unter dem Hashtag #NeuesSchaffen aus Überzeugung und mit professioneller Ernsthaftigkeit folgen!Stephan Paxmann, Leiter Innovation & Digitalisierung Landesbank Baden-Württemberg
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