Geo-Big-Data für die Filialnetzplanung von Banken: Mit maschinellem Lernen zur perfekten Filialnetzplanung
Das Bankenwesen wandelt sich derzeit in vielen Facetten. Ein Symptom dieser Entwicklung ist, dass sich die Tragfähigkeit klassischer Niederlassungskonzepte zunehmend verschlechtert. Filialfusionen, verstärkter Einsatz von SB-Filialen, Tandem-Filialmodelle, Ersatz durch Geldautomaten oder gar die vollständige Schließung von Filialen. Aber wie findet man den richtigen Mix? Eine clevere Lösung aus Big-Data und maschinellem Lernen demonstrierte Geospin auf der CeBIT.
von Dr. Sebastian Wagner, Geospin
Viele regionale Geldinstitute und überregional agierende Finanzunternehmen haben angekündigt, vermehrt Niederlassungen schließen zu müssen – ein flächendeckendes Angebot von Filialen, insbesondere in ländlichen Regionen, verliert an Rentabilität. Bereits jetzt können einige Niederlassungen nur für sehr kurze Zeithorizonte geplant und aufgebaut werden, was die Gesamtfilialnetzplanung langfristig zu einer Herkulesaufgabe macht.Spagat zwischen Rentabilität und Kundennähe, zwischen Optimierung und Expansion, zwischen Effizienz und Präsenz”
Fusion, SB, Tandem oder die Filiale doch ganz schließen?
Welche Lösung richtig und welche falsch ist, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Je nach Portfolio, Zielgruppe, Strategie und Betriebsmodell des Hauses hat jeder Lösungsansatz individuelle Vor- und Nachteile und damit unterschiedliche Effekte. Die Schließung von Filialen ermöglicht beispielsweise substanzielle Einsparungen, führt aber gegebenenfalls zum Verlust wichtiger Kunden.
Die Umgebung bedingt das Kundenverhalten
Die Lösung liegt auf der sprichwörtlichen – digitalen – Straße. Die Digitalisierung von Karten- und Umgebungsdaten sowie die Verfügbarkeit vieler weiterer Datenquellen mit geographischem Bezug ermöglichen neue Analyseansätze für die Filialnetzplanung. Zusätzlich zu den üblichen sozio-demographischen Daten, die beispielsweise pro Postleitzahlbereich bereitgestellt werden, sind inzwischen weitaus höher aufgelöste Datensätze zum Kauf oder aus offen zugänglichen Quellen (Open Data) verfügbar.
Durch den richtigen geographischen Verschnitt mit den hauseigenen digitalen Ressourcen lassen sich neue Einblicke gewinnen. Die unternehmensinternen Daten enthalten die Information darüber, wie und wann Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, während die geographische Umgebung erklären kann, warum bestimmte Standorte mehr oder weniger profitabel sind. Standorte und Öffnungszeiten verschiedener Geschäfte, Restaurants oder Supermärkte in der Umgebung können für Bankenfilialen beispielsweise wertvolle Informationen offenbaren und damit den Dienstleistungsabsatz einzelner Filialen besser erklären – denn hier wird schließlich das Geld wieder ausgegeben. Bewegungsprofile und Frequenzanalysen zeigen, wann und wo sich tendenziell Personen aufhalten, und können bei der Wahl des richtigen Standorts entscheidend sein.
Weiche Faktoren verfeinern die Genauigkeit
Die Ursache für das Kundenverhalten in einer Region oder einem Stadtteil – und damit die Bereitschaft, bestimmte Dienstleistungen oder Produkte zu bestimmten Konditionen anzunehmen – liegt somit in der Umgebung verankert. Diese Annahme fließt in den Fühlungsvorteil ein, einen weichen Faktor bei der Standortwahl, der die bevorzugte Ansiedlung eines Unternehmens in einem als positiv eingeschätzten Milieu bezeichnet. Auf der Basis großer Datenmengen mit geographischem Bezug und deren Verknüpfung mit unternehmensinternen Leistungskennzahlen werden viele der bisher als weich klassifizierte Standortfaktoren endlich messbar: der genannte Fühlungsvorteil, Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangebote in der Nähe, Mietpreise, Passantenfrequenz und ganz allgemein die Aktivitäten, denen Besucher tendenziell in der Nähe nachgehen.
Datengetriebene Filialnetzplanung
Für die Standortbewertung und damit ebenso für die von Banken bietet diese neue Perspektive erhebliche Vorteile. Absatzmengen und das Kundeninteresse für bestimmte Bereiche des Dienstleistungsportfolios können auf Basis der hauseigenen Geschäftsdaten und Filialperformance mit zusätzlichen Geo-Daten (beispielsweise Wetter, Points of Interest, Soziographie, Demographie, Marktkennzahlen, Kundenaktivität, Niederlassungen in der Nähe, Besucherströme oder Fußgängerfrequenzen) detailliert ausgewertet werden.
Für die Analyse eignen sich Verfahren aus der aktuellen Forschung besonders gut: Maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz, Mustererkennung, Neuronale Netze und Predictive Analytics sind für den wirtschaftlichen Einsatz inzwischen ausgereift. Ganz ohne zusätzliche individuelle Betrachtung sollte man diesen Verfahren allerdings nicht vertrauen. Big-Data-Ansätze tragen grundsätzlich das Potenzial, dass Korrelationen aufgedeckt werden, wo keine echten (kausalen) Zusammenhänge bestehen. Die richtige Datenauswahl und die Interpretation der Ergebnisse durch Statistik-Experten sind daher unverzichtbar. Schließlich müssen die Verfahren gezielt auf die individuellen Kenngrößen trainiert werden, um Antworten auf die tatsächlich gestellten Fragen zu finden.aj
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