GenAI & Kundendaten: Zwischen GenAI als Schatzkarte für Banken … und moralischem Dilemma
Der Einsatz von KI und GenAI in Banken verspricht Effizienzgewinne und eine bessere Kundenansprache. Gleichzeitig stehen Finanzinstitute vor der Herausforderung bei Kundendaten, höchste Datenschutzstandards zu wahren und regulatorische Vorgaben einzuhalten. Stefan Wingenbach (Direktor der Unternehmensberatung LPA) und Philipp Faulstich (Senior Manager bei LPA) diskutieren im IT Finanzmagazin-Interview, wie dabei ethische Fragen gelöst und das Vertrauen der Kunden erhalten werden kann.
Herr Wingenbach, zum Einstieg gleich die schwierigste Frage: Wie können Banken sicherstellen, dass der Einsatz von KI und GenAI zur Analyse hochpersönlicher Kundendaten ethisch vertretbar ist und die Privatsphäre der Kunden respektiert wird?
Stefan Wingenbach: Um dies sicherzustellen, ergreifen Finanzdienstleister eine Vielzahl von Maßnahmen. In erster Linie müssen klare und transparente Datenschutzrichtlinien etabliert werden, die den Kunden verständlich erklären, wie ihre Daten verwendet werden. Nur wenn Kunden aktiv ihre Zustimmung (Opt-in) zur Nutzung ihrer Daten gegeben haben, dürfen diese auch rechtssicher ausgewertet und beispielsweise für werbliche Ansprachen verwendet werden.
Darüber hinaus wurde mit dem EU AI Act auf europäischer Ebene eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Schutz von Grundrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bei dem Einsatz von KI-Modellen zu gewährleisten.”
Darin ist relativ genau festgelegt, welche Daten erfasst und für welche Anwendungsfälle diese verwendet werden dürfen. Zur Einhaltung der Vorschriften müssen Banken eine Risikobewertung ihrer KI-Systeme durchführen und bestimmen, in welche Risikokategorie ihre Anwendungen fallen.
Bei der Verarbeitung hochpersönlicher Kundendaten sind Banken verpflichtet, strenge Auflagen zu erfüllen, darunter die Implementierung von Privacy by Design, die Sicherstellung der Transparenz und Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen sowie die Gewährleistung von Bias- und Diskriminierungsfreiheit.”
Philipp Faulstich: Des Weiteren sind Verschlüsselungs- und Anonymisierungsverfahren von hoher Bedeutung, um die Vertraulichkeit der Daten sicherzustellen. Regelmäßige Audits und Prüfungen tragen dazu bei, dass die Nutzung von KI den geltenden Datenschutzbestimmungen entspricht. Eine Ethikkommission oder ein Ethikbeirat kann zusätzlich dazu beitragen, ethische Fragestellungen zu bewerten und sicherzustellen, dass die Implementierung von KI-Technologien stets im Einklang mit ethischen Standards steht.
Ergänzend dazu sollten Banken kontinuierlich in die Schulung ihrer Mitarbeiter investieren, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten die Bedeutung des Datenschutzes und der ethischen Nutzung von KI verstehen und entsprechend handeln.”
Die Implementierung von Mechanismen zur laufenden Überwachung und Verbesserung der Datenschutzmaßnahmen ist ebenfalls entscheidend, um auf neue Herausforderungen und technologische Entwicklungen schnell reagieren zu können.
Welche Maßnahmen sollten Banken ergreifen, um Transparenz und Vertrauen bei Kunden zu schaffen, wenn KI-gestützte Analysen ihrer persönlichen Daten durchgeführt werden?
Philipp Faulstich: Hierzu sollten Banken vor allem auf eine offene und klare Kommunikation setzen.
Kunden müssen verständlich darüber informiert werden, warum KI-gestützte Analysen durchgeführt werden und welche konkreten Vorteile dies auch für sie mit sich bringt.”
Beispielsweise dienen werbliche Ansprachen, die auf KI-Modellen basieren, häufig dazu, Kundenbedürfnisse frühzeitig vorherzusagen und den Kunden relevante Produktangebote und Dienstleistungen zum richtigen Zeitpunkt zu unterbreiten. Aus unserer Projekterfahrung entsteht auf diese Weise ein echter Mehrwert für Bank und Kunde, da auch Kunden ungern ihre Zeit mit weniger relevanten Informationen verschwenden. Zudem profitieren Kunden etwa durch schnellere Kreditentscheidungen, einer erhöhten Sicherheit bei der Abwicklung von Transaktionen oder einer schnelleren Lösung von Problemen, wenn diese Prozesse durch KI gestützt werden.
Stefan Wingenbach:
Darüber hinaus ist es von hoher Bedeutung, dass Kunden die Möglichkeit haben, aktiv in die Nutzung ihrer Daten einzuwilligen und auch die Option haben, diese Einwilligung jederzeit zu widerrufen.”
Banken sollten sicherstellen, dass dieser Prozess einfach und benutzerfreundlich gestaltet ist. Ebenso ist sicherzustellen, dass Kunden von ihrem Recht auf Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten Gebrauch machen können. Bei Änderungen in den Datenschutzrichtlinien müssen Kunden zudem proaktiv informiert werden, damit sie immer über die aktuellen Praktiken im Umgang mit ihren Daten Bescheid wissen.
Zusätzlich sollten Banken regelmäßig Berichte über die Anwendung und den Erfolg von KI-gestützten Analysen veröffentlichen, um zu zeigen, wie diese Technologien zum Nutzen der Kunden eingesetzt werden. Die Bereitstellung eines zentralen Ansprechpartners oder einer Hotline für Datenschutzfragen kann ebenfalls dazu beitragen, das Vertrauen der Kunden zu stärken.
Und welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie bei der Nutzung des umfangreichen Datenschatzes von Banken im Vergleich zu anderen Branchen wie den Technologieriesen?
Stefan Wingenbach: Eine der größten Herausforderungen für Banken ist die strenge Regulierung und die Notwendigkeit, die Privatsphäre der Kunden in besonderem Maße zu schützen. Bankdaten sind in der Regel äußerst sensibel und enthalten umfassende Informationen über die finanzielle Situation und das Verhalten der Kunden. Dies erfordert eine besonders sorgfältige Handhabung und robuste Sicherheitsmaßnahmen, um den hohen Datenschutzanforderungen gerecht zu werden.
Eine weitere Herausforderung besteht oft in der Integration und Nutzung von Daten aus unterschiedlichen Systemen und Quellen.”
Da Banken im Gegensatz zu modernen Technologieunternehmen aufgrund ihres langjährigen Bestehens oft auf eine historisch gewachsene IT-Architektur zurückgreifen müssen, arbeiten sie häufig mit einer Vielzahl an Systemen, was die effiziente Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen erschwert. Die Modernisierung dieser Infrastrukturen erfordert oft erhebliche Investitionen, Know-how und Zeit.
Abgesehen von reinen IT-Unternehmen waren die IT-Investitionen im Jahr 2023 in keiner anderen Branche – gemessen am Umsatz – höher als in der Finanzindustrie.”
Aus unserer Erfahrung sind wesentliche Erfolgsfaktoren bei derartigen Investitionen eine klare Zielsetzung und Strategie, die Auswahl zukunftssicherer Technologien, umfassende Sicherheitsmaßnahmen sowie kontinuierliches Monitoring und Anpassung. Qualifizierte Mitarbeiter und gezielte Schulungen sind ebenfalls entscheidend, um den Wandel erfolgreich zu gestalten.
Zusätzlich lebt das Bankgeschäft in besonderem Maße vom Vertrauen ihrer Kunden.
Während Technologieriesen durch die Innovationskraft und Benutzerfreundlichkeit ihrer Anwendungen punkten, erwarten Kunden von Banken ein Höchstmaß an Sicherheit und Vertraulichkeit.”
Jeder Missbrauch oder Verletzung von Bankdaten kann zu einem erheblichen Vertrauensverlust führen, der nur schwer wiederherzustellen ist.
Philipp Faulstich ist Senior Manager bei der Unternehmensberatung LPA (Website) und verfügt über langjährige Erfahrung in der Implementierung moderner Technologien wie Advanced Analytics und Künstlicher Intelligenz in den Bereichen Compliance und Vertrieb. Zuvor hat er einen M.Sc. in Wirtschaftsingenieurwesen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erworben und ist zudem CFA-Charterholder.
Wie können KI und GenAI dabei helfen, regulatorische Hürden zu überwinden und das Datenmanagement sowie die Datenqualität in Banken zu verbessern?
Philipp Faulstich: Durch den Einsatz von KI-gestützten Systemen können Banken effizienter und genauer regulatorische Berichterstattungen erstellen, indem sie große Datenmengen automatisch analysieren und relevante Informationen extrahieren. KI kann auch die Datenqualität verbessern, indem sie Inkonsistenzen und Fehler in den Daten identifiziert und korrigiert. Darüber hinaus können KI-Systeme verwendet werden, um die Einhaltung von Vorschriften kontinuierlich zu überwachen und potenzielle Verstöße, beispielsweise im Bereich der Geldwäsche oder dem Marktmissbrauch, in Echtzeit zu erkennen. Dies ermöglicht es Banken, proaktiv Maßnahmen zu ergreifen und Strafen zu vermeiden.
GenAI kann dabei helfen, komplexe regulatorische Texte zu verstehen und zu interpretieren, sodass Banken schneller und präziser auf neue Anforderungen reagieren können.”
Diese Technologien können auch dabei unterstützen, relevante Passagen aus umfangreichen Dokumenten zu extrahieren und notwendige Änderungen in internen Prozessen und Systemen vorzuschlagen. Insbesondere im stark regulierten Bankenumfeld, in dem kontinuierlich neue Vorschriften erlassen werden, stellt dies eine bedeutende Unterstützung dar.
Zusätzlich können KI und GenAI intelligente Assistenzsysteme entwickeln, die Mitarbeiter bei der Beantwortung regulatorischer Fragen unterstützen und sicherstellen, dass alle Compliance-Anforderungen erfüllt werden.”
Dies reduziert den manuellen Aufwand und minimiert das Risiko menschlicher Fehler.
In den oft komplexen Prozessabläufen, die aus meiner Erfahrung in Banken vorherrschen, können Techniken des Process Minings, unterstützt durch KI, fehlerhafte Abläufe, Engpässe und Optimierungspotenziale effizienter identifizieren.
Wie können Banken ihre Kundendaten effizient aufbereiten und strukturieren, um sie für GenAI-Analysen nutzbar zu machen und dabei regulatorische Anforderungen zu erfüllen?
Stefan Wingenbach: Einer der wichtigsten ersten Schritte für viele Banken ist der Aufbau eines konsolidierten Datenhaushalts. Hierfür müssen oft Daten aus unterschiedlichen Quellen integriert werden. Dies umfasst sowohl interne Kundendaten als auch externe Informationen wie Industrie-Reports oder Unternehmensberichte von Kunden.
Ein wesentlicher Vorteil von GenAI gegenüber klassischen KI-Modellen ist die Fähigkeit, unstrukturierte Daten ohne umfassende Vorverarbeitung besser zu verarbeiten.”
Diese Daten sollten kategorisiert und indexiert werden, um ihre Auffindbarkeit und Nutzbarkeit zu verbessern. Aus unserer Erfahrung ist dies oft eine entscheidende Voraussetzung für weitere Analysen und den Einsatz von KI-Modellen, was in der Praxis zunächst einen erheblichen Aufwand erfordern kann.
Gleichzeitig müssen alle Datenschutzanforderungen erfüllt werden. Dies beinhaltet die Implementierung von Verschlüsselungstechnologien, Zugangskontrollen und regelmäßigen Compliance-Audits. Mitarbeiter sollten im Umgang mit GenAI und den entsprechenden Datenmanagement-Praktiken geschult werden, und es sollten klare Richtlinien für die Nutzung und den Schutz von Daten entwickelt werden.
Welche technischen und regulatorischen Hürden stehen der breiten Implementierung von GenAI in der Bankenbranche im Weg und wie können diese überwunden werden?
Philipp Faulstich: Technisch gesehen müssen zunächst wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, wie die Verfügbarkeit von Daten in hoher Qualität, was oft umfassendes Data-Cleansing erfordert.
Eine moderne und skalierbare IT-Infrastruktur ist notwendig, um GenAI-Modelle effizient zu betreiben, was durch Investitionen in Cloud-Computing erreicht werden kann.”
Darüber hinaus müssen Banken strenge Datenschutz- und Sicherheitsvorschriften einhalten, was die Implementierung robuster Datenschutzmaßnahmen und die enge Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden erfordert.
Über den reinen Datenschutz hinausgehend reguliert der EU AI-Act den Einsatz von GenAI-Modellen. Hier ist die Unterscheidung zwischen den Nutzern und den Entwicklern eines Models interessant. Die wenigsten Banken werden ihre eigenen GenAI-Modelle entwickeln, sondern die bekannten Modelle wie GPT-4 oder Gemini für ihre Anwendungsfälle integrieren. Sowohl für die Entwickler als auch die Nutzer gibt es gesonderte Vorgaben. Als Nutzer dieser Modelle entsteht für Banken zusätzliche Komplexität dadurch, dass sie mit den Entwicklern des Modells zusammenarbeiten müssen, um zu gewährleisten, dass alle Vorgaben eingehalten werden.
Stefan Wingenbach:
Ein weiterer technischer Aspekt ist häufig die Notwendigkeit, mehrere verschiedene GenAI-Modelle zu nutzen und für jeden Anwendungsfall zu entscheiden, welches Modell am besten geeignet ist.”
Dies muss unter Berücksichtigung von Kosten und Qualitätsgrad geschehen. Beispielsweise eignen sich Modelle wie ChatGPT gut für Chatbots, während für die Verarbeitung und Analyse von sensiblen Kundendaten möglicherweise eigene Large Language Models (LLMs) entwickelt werden sollten, um den hohen Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz gerecht zu werden.
Darüber hinaus müssen Banken sicherstellen, dass die Nutzung von GenAI-Systemen ethisch vertretbar und transparent ist, indem sie klare ethische Richtlinien entwickeln und Mitarbeiter entsprechend schulen. Um die Vielzahl dieser Anforderungen zu bewältigen, macht es Sinn, eine zentrale Stelle zu etablieren, die den Einsatz von KI-Modellen organisationsweit überblickt und die Einhaltung aller Regularien sicherstellt.
Eine weitere Herausforderung stellt der Mangel an qualifizierten Fachkräften im Bereich KI und Datenanalyse in Kombination mit einem soliden Verständnis von Bankdienstleistungen dar.”
Dies kann die Implementierung verzögern. Daher sollten Banken in Schulungsprogramme investieren und die Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen in Erwägung ziehen.
Können Sie Beispiele nennen, wie (Gen)AI erfolgreich eingesetzt wurde, um Kundenbedürfnisse besser zu verstehen, Produktanfragen zu antizipieren und die Kundenansprache, insbesondere bei Werbeanzeigen, zu individualisieren?
Philipp Faulstich: Es gibt zahlreiche erfolgreiche Beispiele für den Einsatz von GenAI in der Bankenbranche.
Durch die Analyse von Kundendaten können Banken ihre Werbekampagnen gezielter und effektiver gestalten.”
GenAI ermöglicht es, personalisierte Werbebotschaften zu erstellen, die genau auf die Interessen und Bedürfnisse der einzelnen Kunden abgestimmt sind, sowohl in textueller Form als auch in Form von Werbeteasern, sodass Kunden nur Informationen erhalten, die für sie auch tatsächlich relevant sind – und das in einer Aufbereitung, die für sie verständlich ist.
Einige Banken nutzen GenAI bereits, um den Kundensupport zu verbessern. Durch die Analyse von Kundenanfragen können Chatbots entwickelt werden, die Fragen schnell und präzise beantworten und somit die Kundenzufriedenheit erhöhen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Chatbots ist die Antwortqualität weniger abhängig davon, dass die Fragen ähnlich zu FAQs in ein vorgegebenes Schema passen. Stattdessen können Chatbots auch komplexere Fragestellungen verstehen und mittels Zugriffs auf diverse zur Verfügung gestellte Dokumente passende Antworten finden. Diese Chatbots können rund um die Uhr verfügbar sein, wodurch Kunden jederzeit Unterstützung erhalten.
Stefan Wingenbach: Ein weiterer Vorteil von GenAI zeigt sich in der Robotic Process Automation (RPA).
Durch die Automatisierung von Prozessen wie der Datenanalyse und Dokumentenverarbeitung können Banken ihre Effizienz erheblich steigern, was zu signifikanten Kosteneinsparungen und einer verbesserten Kundenerfahrung führt.”
Ein Beispiel dafür ist die automatisierte Prüfung von Dokumenten, die Kunden beim Abschluss eines Kredits einreichen. GenAI kann diese Dokumente schnell analysieren und relevante Informationen extrahieren, wodurch der Bearbeitungsprozess deutlich beschleunigt wird.
Schlussendlich ist wichtig zu betonen, dass GenAI weiterhin in Entwicklung ist und wir auf dem Weg zur Super AI sind, die möglicherweise schon bald Realität werden könnte. Daher ist die heutige Auseinandersetzung mit dieser Technologie von entscheidender Bedeutung, um zukünftige Potenziale frühzeitig zu erkennen und zu nutzen.
Herr Wingenbach, Herr Faulstich – vielen Dank für das Interview.aj
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