FinCEN-Files-Datenleak: Was gegen Geldwäsche zu tun ist und warum Banken dabei versagen
In dieser Woche haben die Medien über eine investigative Recherche zum Thema Geldwäsche berichtet. Die FinCEN-Files, die zeigen, dass zahlreiche Banken rund um den Erdball ein Problem mit Geldwäsche haben, müssen als Alarmsignal verstanden werden – an unsere Gesellschaft und die ermittelnden Behörden, aber auch an die Banken, die keine ausreichenden Vorkehrungen gegen Geldwäsche treffen. Wir haben mit Tobias Schweiger gesprochen, der als CEO von hawk:AI mit seinem Softwareunternehmen Banken bei der Erkennung und Bearbeitung von Verdachtsfällen bei Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unterstützt .
Herr Schweiger, inwiefern dokumentieren die FinCEN-Files, dass die Geldwäschebekämpfung international versagt?
Wie die FinCEN-Files laut einschlägigen Medienberichten darlegen, zeigen diese Nachforschungen insbesondere die systemischen Fehler in der Bekämpfung von Geldwäsche auf. Das Korrespondenzbanksystem wird beispielsweise von Kriminellen ausgenutzt, um ihre illegal erwirtschafteten Gelder erfolgreich zu waschen. Das bedeutet, dass ein inländisches Institut mit einer ausländischen Bank eine Geschäftsbeziehung unterhält und dort Auslandsgeschäfte abwickelt. Allerdings kommt es häufig vor, dass die dort in Kraft befindlichen Regularien und Risikomanagementsysteme bei weitem nicht den Standards des inländischen Instituts entsprechen.Dieser Umstand führt dazu, dass Kriminelle ohne große Hindernisse Geldwäsche betreiben können. Es war häufiger der Fall, dass die notwendigen Meldungen über verdächtige Transaktionen im Schnitt ein halbes Jahr lang nicht an die entsprechenden Anti-Geldwäsche-Behörden weitergeleitet wurden. Problematisch hierbei war, dass die kriminellen Geschäfte über diese Dauer ungehindert fortgeführt werden konnten.
Welche Möglichkeiten gibt es softwareseitig, Geldwäsche rechtzeitig zu erkennen und sind diese eher ein Tool für Banken (im eigenen Haus) oder für die Ermittlungsbehörden?
Die meist veralteten und unflexiblen IT-Systeme in Banken, die heute im Regelfall im Einsatz sind, werden einer gesetzlich vorgeschriebenen, wirksamen Geldwäscheprävention nicht mehr gerecht. Die Finanzindustrie denkt mittlerweile um, denn der Stand der Technik ist heute so weit fortgeschritten, dass sich dank Maschinellem Lernen und Cloud Computing vielversprechende Ansätze verwirklichen lassen. Die Erkennungsrate von Geldwäschemustern kann durch moderne Datenanalyse erhöht werden, vor allem wenn sich mehrere Institute zum Beispiel in der Transaktionsüberwachung zusammentun.
Ebenso die Effizienz des Überwachungsprozesses: Neben den Banken können auch Ermittlungsbehörden moderne Tools nutzen, um den Kampf gegen Geldwäsche effizient zu gestalten. Vor allem der Informationsaustausch zwischen Banken und Behörden sollte dabei im Vordergrund stehen. Idealerweise kooperieren die staatlichen Stellen mit den Finanzinstituten auf dieser Ebene, um Medienbrüche und Zeitverluste zu vermeiden.
Welchen Beitrag kann hierzu Künstliche Intelligenz leisten?
Wenn eine Vielzahl an Daten vorliegt, die es zu analysieren gilt, ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) immer sinnvoll. Bei Milliarden von Banktransaktionen pro Jahr ist das in jedem Fall gegeben.”
Die Herausforderung in der Geldwäscheprävention liegt im Erkennen von Vorgängen, die von einem normalen Verhalten abweichen: einmal im Zeitverlauf und andererseits auf Netzwerkebene, also in den Beziehungen zwischen Konten. Zur Identifikation von Auffälligkeiten ist die Anwendung von vorher festgelegten Regeln ungeeignet und wird der Komplexität im Transaktionsverhalten eines Einzelnen nicht gerecht. An dieser Stelle kann nur die Anwendung von Künstlicher Intelligenz Sinn machen. Dadurch ist es möglich, auf den Einzelfall bezogen, Normalverhalten von Auffälligkeit zu unterscheiden.
Haben technische Reformierungen wie die PSD2 einen Anteil an der Vereinfachung von Geldwäsche oder ist das Problem schnittstellenunabhängig?
Sowohl Zahlungsauslösedienste (ZAD) als auch Kontoinformationsdienste (KID) nach PSD2 unterfallen grundsätzlich dem Verpflichteten-Begriff des Geldwäschegesetzes (GwG). Daher müssen sie geldwäscherechtliche Pflichten erfüllen. Die neuen Regeln durch PSD2 zielen in erster Linie darauf ab, die Verbraucher besser zu schützen und die grenzüberschreitenden europäischen Zahlungsdienste sicherer zu machen. Allerdings könnten Zahlungsverkehrsdienstleister, die nicht über vergleichbare Erfahrung wie Banken im Risikomanagement in puncto Finanzkriminalität verfügen, den Markt für Geldwäscher und Betrüger anfällig machen.
Zudem bedeutet die Umsetzung von PSD2 insbesondere für Banken, neue Beziehungen und Datenpartnerschaften zwischen Finanzinstitutionen aufzubauen. Das heißt auch, dass alle Teilnehmer in Technologien investieren müssen, um die nun vielschichtigen Beziehungen und Datenlandschaften zu durchschauen.
Einige Banken behaupten nun, von entsprechenden Vorgängen nichts gewusst zu haben. Welche Ratschläge würden Sie Banken geben, die dies in Zukunft ändern wollen (wenn es denn überhaupt plausibel ist)?
Grundsätzlich ist jede Bank gemäß Geldwäschegesetz umfassend verpflichtet, aktiv an der Prävention von Geldwäsche mitzuwirken. Zudem gibt es gesetzlich vorgeschriebene Sorgfaltspflichten. Trotzdem finden Kriminelle weiterhin Wege, das System auszuhebeln und ihre inkriminierten Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen.
Meine Empfehlung für jedes zukunftsorientierte Finanzinstitut wäre somit, sich in 2021 mit neuen Technologien auseinanderzusetzen und aktiv Gespräche mit Innovatoren zu führen, also nicht auf Vorgaben der Regulierung zu warten.”
Typischerweise empfiehlt sich auch mindestens die frühzeitige Pilotierung von bereits verfügbaren Lösungen – bessere Compliance und schlankere Prozesse werden die Folge sein.
Herr Schweiger, vielen herzlichen Dank für das Interview! tw
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