Finanzvermögen während COVID-19: Wie zerronnen, so gewonnen
Die Corona-Pandemie hat deutliche Auswirkungen auf das Finanzvermögen und das Sparverhalten privater Haushalte in Europa. Das Kapital der Europäer hat sich um insgesamt rund 771 Mrd. Euro bzw. 3,0 % gegenüber Dezember 2019 reduziert. Deutsche kamen mit einem Verlust von 128 Mrd. Euro bzw. 2,0 % relativ gut davon. Per Ende Juni ist das Finanzvermögen der Deutschen dank Erholung der Kapitalmärkte und hoher Neuanlagen laut Prognose bereits wieder auf Rekordniveau.
Das zeigt die Studie „Unser Geld & COVID-19“ der ING Deutschland. Dafür wurden durch Barkow Consulting Daten der Deutschen Bundesbank, der Deutschen Börse, der EZB, des statistischen Bundesamts (destatis) und von Eurostat ausgewertet. Der Ausblick für das erste Halbjahr wurde auf Basis der Entwicklung der Kapitalmärkte mit Hilfe statistischer Schätzverfahren ermittelt.Erwartet deutlich hat sich die Corona-Pandemie im ersten Quartal auf das Finanzvermögen privater Haushalte der Eurozone ausgewirkt. Obwohl über 165 Mrd. Euro neu in Finanzanlagen geflossen sind, hat sich ihr Gesamtwert kapitalmarktbedingt um 771 Mrd. Euro bzw. um 3,0 % gegenüber Dezember 2019 auf 25,1 Billionen Euro reduziert. Das war der höchste Finanzvermögensverlust binnen drei Monaten in den letzten 20 Jahren. Der zweitgrößte Quartalsverlust betrug im ersten Quartal 2001 „nur“ 2,6 %. Ursache war damals das Platzen der Dotcom-Blase. Das stärkste Minus in der Finanzkrise lag im ersten Quartal 2008 lediglich bei 2,3 %.
Deutsche kommen beim Finanzvermögen glimpflich davon
Die Deutschen verloren im ersten Quartal 2,0 % bzw. 128 Mrd. Euro auf 6,34 Billionen Euro. Grund dafür ist der vergleichsweise hohe Anteil an Bankeinlagen und Bargeld (41 % vs. Eurozone 35 %) und Versicherungen (37 % vs. Eurozone 35 %), die entweder gar nicht oder nur in geringem Maße auf Schwankungen des Kapitalmarktes reagieren. Der Anteil an Aktien, die stark mit dem Kapitalmarkt schwanken, ist entsprechend geringer (10 % vs. Eurozone 17 %).
Auch historisch relativiert sich das Bild für Deutschland: Im Rahmen der dotcom-Blase gab es zwei Quartale (Q3/2001 und Q3/2002), in denen Deutsche mit 2,6 % und 2,3 % höhere Vermögenseinbußen hinnehmen mussten.
Griechenland am stärksten betroffen
Insgesamt haben die Bürgerinnen und Bürger aus 16 der 19 Eurozone-Länder im ersten Vierteljahr Einbußen beim Finanzvermögen hinnehmen müssen. Am heftigsten betroffen war Griechenland mit minus 11,0 % gegenüber dem Vorquartal, was auf hohe Verluste des Aktienvermögens zurückzuführen ist. Auf den Plätzen folgen Italien mit minus 5,1 % und Belgien mit minus 4,4 %. Andererseits konnten litauische, holländische und zypriotische Einwohner ihr Vermögen im gleichen Zeitraum sogar gegenüber dem Vorquartal steigern.
Gegenüber dem Vorjahr bereits wieder im Plus
Betrachtet man den Nettoeffekt im ersten Quartal 2020 verglichen mit den vergangenen 12 Monaten, also die Summe aus Mittelzuflüssen (Einzahlungen) und Wertentwicklung (Rendite), liegt der gesamte Euroraum weiterhin mit 1,4 % im Plus. Gleiches gilt für fast alle Einzelländer. Mit Griechenland, Italien, Belgien und Spanien liegen nur vier von 19 Ländern auch gegenüber dem Vorjahreswert im roten Bereich.
Bargeld und Aktien sind gefragt
Die Corona-Pandemie hat deutliche Spuren in der Geldanlage hinterlassen. Das Bargeld-Sparen hat im ersten Quartal mit Abstand am meisten zugelegt. Mit einem Rekordvolumen von 20 Mrd. Euro ist mehr als jeder fünfte neue Spar-Euro (22 %) in Bargeld angelegt. Der Bargeldumlauf im Euroraum ist im ersten Quartal um 49 Mrd. Euro angestiegen. Insofern ist mehr als 40 % des zusätzlichen Bargeldumlaufs in den Portemonnaies der Deutschen gelandet.
Auch Aktienanlagen sind mit 14 Mrd. Euro oder 15 % des Sparvolumens ebenfalls deutlich gestiegen. Der große Verlierer des ersten Quartals waren die Bankeinlagen, die mit 5 % des Sparvolumens so wenig neues Geld anziehen konnten wie seit 15 Jahren nicht mehr.
An den Mittelzuflüssen in den einzelnen Kategorien kann man die Präferenzen verschiedener Anlegertypen erkennen. Während für vorsichtige Sparer nur Bargeld sicher genug schien, haben chancenorientierte Anleger vermehrt auf Wertpapiere gesetzt. Im ersten Halbjahr verzeichneten wir einen Boom im Wertpapierhandel: Unsere Kundinnen und Kunden haben so viel gehandelt, wie noch nie. Auch die Anzahl der Depot-Neueröffnungen erreichte einen Rekordwert.“
Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen & Anlegen, ING Deutschland
Deutsches Finanzvermögen bereits wieder auf Rekordniveau
So schnell das Geld in der Corona-Pandemie zerronnen ist, so schnell scheint ihr negativer Effekt auf das Finanzvermögen auch schon wieder verpufft. Mit der Erholung der Kapitalmärkte und weiterhin sehr hohen Neuanlagen stieg das Finanzvermögen in Deutschland um schätzungsweise 3,4 % oder 212 Mrd. Euro auf einen neuen Rekordwert von 6,55 Billionen Euro per Ende Juni 2020. Innerhalb eines Quartals ist dies der höchste absolute Vermögensanstieg aller Zeiten sowie der dritthöchste prozentuale Anstieg der letzten 20 Jahre.
Über die Studie
Die ING-Studie „Unser Geld & COVID-19“ analysiert die Entwicklung von Finanzvermögen und Sparverhalten privater Haushalte in Deutschland und der Eurozone im ersten Quartal 2020. Das Finanzvermögen wird dazu in 7 Kategorien unterteilt: Bargeld, Einlagen, Aktien, Anleihen, Fonds, Versicherungen, sonstiges Finanzvermögen. Die analysierten Daten stammen von der Deutschen Bundesbank, der Deutschen Börse, der EZB, dem statistischen Bundesamt (destatis) und von Eurostat. Die Studie ist hier kostenlos als PDF-Datei erhältlich.pp
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