AML, GWG, Kryptowährungen – tun Finanzinstitute genug? 5 Fragen an Seyfi Günay zur Finanzkriminalität
Seyfi Günay ist Direktor für Finanzkriminalität und Terrorismus bei LexisNexis Risk Solutions – der geeignete Experte, um das Thema Krypto-Währung und Kriminalitätsvermeidung zu hinterfragen. Was bewegt Finanzinstitute – und was können sie tun?
Herr Günay, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) fordert strengere Vorschriften im Zusammenhang mit Krypto-Währungen wie Bitcoin. Was tun Banken und Finanzinstitute, um ihre Compliance-Programme für Krypto-Währungen voranzutreiben?
Eine überschaubare Anzahl an Banken handelt direkt mit Krypto-Währungen. Finanzinstitute, die Regulationen einen Schritt voraus sein und dabei gleichzeitig ihre Reputation schützen möchten, konzentrieren sich deshalb zunehmend auf den Ausbau von Know-Your-Customer-(KNY)- und Customer-Due-Diligence-(CDD)-Verfahren. Banken, zu deren Kunden Kryptowährungsbörsen zählen, fordern diese auf, solide Verfahren gegen Betrug und Geldwäsche einzuführen und Watchlist-Screening-Prozesse zu etablieren. Bankkunden müssen außerdem bei Geschäften mit Krypto-Währungen die Herkunft dieser Gelder nachweisen. Beide Maßnahmen dienen dazu, die Transparenz im Zusammenhang mit Krypto-Währungen zu erhöhen und illegale Akteure zu bekämpfen.Was sind die neuesten Trends im Bereich Anti-Money-Laundering-(AML)-Compliance, die Sie in Europa beobachtet haben?
Derzeit zeichnen sich im europäischen Raum drei Trends ab. Zum einen können wir ein wachsendes Interesse an künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen feststellen. Diese Entwicklung hängt eng mit dem aktuellen Trend der Ressourcenminimierung zusammen, wenn es darum geht, die Anzahl von Alerts zu verringern. Diese Technologien befinden sich jedoch noch im Anfangsstadium und kommen im Alltag folglich eher selten zum Einsatz. Der Grund dafür liegt auf der Hand:
Finanzinstitute müssen vollständige Klarheit darüber haben, auf welche Art und Weise Alerts behoben werden – insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Regulierungsanforderungen, wonach Finanzinstitute in der Lage sein müssen, ihr Vorgehen jederzeit vor Regulierungsbehörden erklären zu können.”
Ein weiterer Trend besteht zudem in einem steigenden Interesse für spezielle Dienstleistungsprogramme, die es Banken erlauben, durch die Zusammenarbeit mit anderen Finanzinstituten die Effizienz ihrer KYC-Prozesse zu erhöhen. Derartige Programme bieten unter anderem die Möglichkeit, den Onboarding-Prozess von Neukunden wesentlich zu vereinfachen.
Beispielsweise werden Informationen über Einzelpersonen in einem zentralen Register für Banken und andere Finanzinstitute hinterlegt. Dies erleichtert nicht nur die Überprüfung potenzieller Neukunden, sondern verringert auch den Verwaltungsaufwand.”
Vor diesem Hintergrund beobachten wir außerdem, dass Finanzinstitute und andere Organisationen es sich zum Ziel gesetzt haben, ihren Onboarding-Prozess insgesamt zu verbessern. Die Optimierung des Kundenerlebnisses spielt dabei eine maßgebliche Rolle und setzt den gezielten Einsatz geeigneter Softwareanwendungen voraus, um sicherzustellen, dass Risiken minimiert werden und der Onboarding-Prozess so reibungslos wie möglich verläuft. Finanzinstitute sind in diesem Zusammenhang zunehmend in der Pflicht, sich mit den Risiken auseinanderzusetzen, die von mobilen Endgeräten wie Handys, Tablets und Computern ausgehen: Da herkömmliche Überweisungsmethoden zunehmend durch Online-Banking ersetzt werden, steigt das Risiko, dass Smartphones & Co. für strafbare Handlungen, inklusive Betrug, missbraucht werden.
Tun Banken und Finanzinstitute genug, um sich gegen die Verletzung von Anti-Geldwäsche-Maßnahmen durch Kunden zu schützen?
Finanzinstitute befinden sich in einem stetigen Balanceakt, wenn es darum geht, das richtige Gleichgewicht zwischen Compliance und positivem Kundenerlebnis zu finden.”
Um die hohen Compliance-Anforderungen zu erfüllen, sind Finanzinstitute dazu angehalten, bei der Einschätzung von Risiken nicht nur geopolitische und regulatorische, sondern auch technologische und finanzielle Aspekte zu berücksichtigen. Tatsächlich konnten wir bei Unternehmen eine steigende Nachfrage nach umfassenderen Compliance-Verfahren feststellen. Die Nachfrage richtet sich dabei vor allem nach hocheffizienten Früherkennungsplattformen, mit denen Kunden auf ihr Risiko für finanzielle, ansehensbezogene und regulatorische Verstöße überprüft werden können.
Was sind die Hauptrisiken im Compliance-Bereich?
Neue Technologie- und Geschäftsmodelle stellen ein Risiko dar, da sowohl Regulierungsbehörden als auch Unternehmen potenzielle Compliance-Risiken, die damit einhergehen, nicht immer abschätzen können.
Daher haben viele Regulierungsbehörden eine sogenannte „Sandbox“ eingerichtet – eine isolierte Testumgebung, in der neueste Entwicklungen gefahrlos ausprobiert werden können.”
Die Sandbox bietet zudem die Möglichkeit zum unkomplizierten Informations- und Wissensaustausch.
Was sind die besten Methoden für Banken und Finanzinstitute, wenn es um Compliance-Maßnahmen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität geht?
Etablierte Finanzinstitute verfügen in der Regel bereits über bewährte Compliance-Maßnahmen. Diese setzen zum einen voraus, sich detailliert mit den potenziellen Risiken auseinanderzusetzen, denen die Organisation im Bereich Kunden, nationale Gesetzmäßigkeiten, Produkt und Vertriebskanal ausgesetzt ist. Zum anderen spielt die Etablierung risikobasierter Methoden sowie die Dokumentation relevanter Richtlinien und Verfahren eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus müssen geeignete Systeme und Kontrollvorrichtungen zur Risikobewältigung verfügbar sein. Zu guter Letzt kommen Organisationen nicht darum herum, sich regelmäßig mit den neuesten Richtlinien und Verfahren auseinanderzusetzen, um so das Risikoprofil des Unternehmens stetig auf dem aktuellsten Stand zu halten. Nur so sind Organisationen in der Lage, Risiken früh zu erkennen und dadurch auch rechtzeitig zu entschärfen.
Herr Günay, vielen herzlichen Dank für das Interview!aj
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