Filialen: Rückzug aus der Fläche = Risiko, Mixed-Reality-Technologien = Abhilfe

Schwerpunkt: Filialtechnologie

Der Rückgang der Filialzahlen, getrieben von Digitalisierung und Kostendruck, galt lange als unumkehrbar. Doch inzwischen zeigt sich: Der radikale Rückzug aus der Fläche birgt Risiken für Kundennähe und Vertrauen. Gerade bei sicherheitskritischen oder komplexen Anliegen ist der persönliche Kontakt weiterhin unverzichtbar. Die Filiale, oft als Relikt der Vergangenheit abgestempelt, wird heute neu gedacht – als moderne Schnittstelle, die physische Präsenz und digitale Innovation intelligent vereint.

von Jan Birnbaum, Katrin Engels, Jan-Luca Wolff, alle Advyce & Company

Die Renaissance der Filiale

Bankfilialen stehen an einem Wendepunkt. Wo früher standardisierte Prozesse und eine starke physische Präsenz dominierten, ist heute Agilität gefragt. Eine moderne Filiale muss weit mehr leisten, als nur alltägliche Transaktionen abzuwickeln. Sie ist Begegnungsraum, Beratungszentrum und technologische Schnittstelle. Möglich wird dies durch eine konsequente Integration moderner Technologien, die nicht nur Effizienzsteigerungen bringen, sondern auch das Kundenerlebnis auf eine neue Stufe heben.

Technologie als Treiber des Wandels

Moderne Bankfilialen setzen auf eine Kombination aus Automatisierung, Datenintelligenz und immersiven Technologien. So ermöglichen etwa Self-Service-Terminals, dass Kunden einfache Aufgaben wie Überweisungen, Kontoeröffnungen oder die Änderung persönlicher Daten ohne Wartezeiten und ohne Personal erledigen können. Diese Geräte sind dabei nicht mehr bloße Automaten, sondern interaktive Knotenpunkte, die sich durch intuitive Bedienung und biometrische Sicherheitsfeatures auszeichnen.

Künstliche Intelligenz (KI) spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in der Filiale der Zukunft.

KI-Systeme analysieren Kundendaten in Echtzeit und bieten Beratern so detaillierte Einblicke in die Bedürfnisse und Präferenzen ihrer Klientel.”

Dies macht Beratungen nicht nur effizienter, sondern auch persönlicher und zielgerichteter. Gleichzeitig nutzen Banken KI-gestützte Chatbots, um häufige Fragen direkt vor Ort zu beantworten oder Kunden durch Prozesse zu führen.

Ein weiteres Highlight moderner Filialen ist der Einsatz von Mixed-Reality-Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR). Diese ermöglichen es, komplexe Finanzprodukte wie Baufinanzierungen oder Altersvorsorgemodelle auf Weise erlebbar zu machen. Kunden können beispielsweise mithilfe von VR-Brillen verschiedene Szenarien durchspielen oder sich in AR-Anwendungen visualisieren lassen, wie sich ihre Investitionen langfristig entwickeln könnten.

Die Filiale als Erlebnisraum

Mit dem technologischen Wandel verändert sich nicht nur die Funktion, sondern auch die Gestaltung der Filialen.

Statt steriler Schreibtischlandschaften dominieren offene, einladende Räume, die modernes Design und digitale Infrastruktur vereinen.”

Beratung wird zum gemeinsamen Dialog, bei dem Berater und Kunden auf Tablets interagieren und Lösungen in entspannter Atmosphäre entwickeln.

Ein Beispiel für diese Neuausrichtung liefert die Stadtsparkasse Düsseldorf mit ihrem Konzept „Smoney“. Speziell für junge Kunden konzipiert, setzt das Projekt auf eine moderne Gestaltung, gepaart mit digitalen Angeboten und einer Ansprache auf Augenhöhe. Lounge-Bereiche und Social-Media-Präsenz machen die Filiale zu einem attraktiven Ort für die Zielgruppe der 18- bis 26-Jährigen. Der Erfolg gibt dem Konzept recht: Sowohl die Kundenabwanderung konnte signifikant gesenkt sowie die Neukunden erheblich erhöht werden.

Der richtige Mix aus physisch und digital

Der Erfolg der Filiale der Zukunft hängt maßgeblich davon ab, wie gut Banken digitale und physische Komponenten miteinander verbinden. Technologie sollte dabei niemals Selbstzweck sein. Kunden erwarten Effizienz, aber ebenso Empathie und individuelle Lösungen – gerade bei komplexen oder sicherheitsrelevanten Anliegen.

Ob bei Betrugsfällen, Cybersicherheitsfragen oder wichtigen Lebensentscheidungen wie einer Immobilienfinanzierung: Der persönliche Kontakt bleibt unverzichtbar. Technologie dient hier als Hebel, um die Beratung effizienter und transparenter zu machen. Kunden möchten nicht nur informiert, sondern aktiv einbezogen werden. Die Filiale wird dadurch zum Ort, an dem persönliche Betreuung und digitale Intelligenz Hand in Hand gehen.

Investitionen, die sich auszahlen

Die Neuausrichtung von Filialen erfordert Investitionen – in Technologie, in Infrastruktur und in die Qualifikation von Mitarbeitern. Doch diese Ausgaben zahlen sich langfristig aus. Erste Pilotprojekte zeigen, dass modernisierte Filialen nicht nur die Kundenbindung stärken, sondern auch den Umsatz pro Kunde signifikant steigern können.

Die Herausforderung besteht darin, die Transformation konsequent und zielgerichtet anzugehen. Nur Banken, die bereit sind, traditionelle Strukturen aufzubrechen und mutig in neue Konzepte zu investieren, werden langfristig wettbewerbsfähig bleiben.

Fazit: Die Filiale lebt – digital und persönlich

Die Bankfiliale ist kein Relikt der Vergangenheit, sondern ein Schlüssel zur Zukunft des Bankings. Sie bietet den Raum, um Vertrauen, Nähe und Service auf eine Weise zu kombinieren, die rein digitale Anbieter nicht leisten können. Technologie ist dabei nicht der Feind, sondern der Partner der Filiale – ein Mittel, um Prozesse effizienter zu gestalten, die Beratung zu verbessern und ein modernes Kundenerlebnis zu schaffen.

Die Filiale der Zukunft wird zum Erlebnisraum, zum Beratungszentrum und zur digitalen Drehscheibe. Sie wird keine Kompromisslösung sein, sondern ein Ort, an dem Kunden gerne Zeit verbringen – weil sie dort Lösungen finden, die wirklich zu ihnen passen. Totgesagt? Im Gegenteil: Die Bankfiliale steht vor einem beeindruckenden Comeback. Jan Birnbaum, Katrin Engels, Jan-Luca Wolff, alle Advyce & Company/dk