Fico-Studie: Banken stellen sich schlechtes Zeugnis beim Online-Kundenservice aus
Eine neue Studie von Fico und Arizent zeigt, dass die digitale Transformation in Banken noch längst nicht angekommen ist. Nach eigener Auskunft bleiben Sicherheit und Qualität der Services in großen Teilen hinter dem als notwendig erachteten Maß zurück. Positiver fällt dagegen das Bild bei FinTechs aus.
Lediglich drei Prozent der Führungskräfte klassischer Banken sind davon überzeugt, dass ihre Unternehmen umfassend gegen digitale Störfaktoren geschützt sind. Dagegen hegen 71 Prozent starke Zweifel, dass ihre Bank im Falle eines Angriffs angemessen reagieren kann. Zu diesem schockierenden Ergebnis kamen Fico und die Unternehmensberatung Arizent in der Studie „Clear and Present Danger: The Threat of Digital Disruption in Financial Services and What Banks Can Do to Vanquish It“.Nicht sehr viel besser sieht es bei der Einschätzung der eigenen Online-Services aus. Im Vergleich zu den beliebten Plattformen großer Tech-Unternehmen sehen sich Banker im Hintertreffen. So sind nur vier Prozent wirklich zuversichtlich, ein vergleichbares Niveau an personalisierten, datengetriebenen Dienstleistungen zu bieten, welche Kunden aus anderen Branchen gewohnt sind.
„Die Kunden von heute sind es gewohnt, ein breites Angebot an hochpersonalisierten, datengestützten Dienstleistungen von Unternehmen wie Amazon oder Google zu erhalten. Wenn es jedoch darum geht, eine vergleichbare User Experience im Banking-Bereich zu bieten, scheitern die meisten Banken.“
Bill Waid, VP und GM Decision Management Solutions bei FICO
Den FinTechs nicht gewachsen
Eines der zentralen Themen für Banken ist die Vorhersage von und die Reaktion auf Kundenbedürfnisse in Echtzeit. Hier bewerteten sich gerade einmal 14 Prozent der traditionellen Banken als überragend. Weniger als die Hälfte (42 Prozent) fühlten sich sehr gut aufgestellt, um die Bedürfnisse ihrer Kunden zu antizipieren und nach ihnen zu handeln.
Besonders wichtig ist jedoch die Kundenansprache auf unterschiedlichen Kommunikationswegen. Jedoch geben 62 Prozent der befragten Bankenmanager zu, dass ihre Institute es nicht schaffen, beim Omni-Channel-Kundenservice ein konsistentes Kundenerlebnis über alle Kanäle (zum Beispiel am Schalter, Online, per App oder im Callcenter) zu gewährleisten.
Ganz im Gegensatz dazu stehen die Ergebnisse für FinTechs. Hier sind 63 Prozent der Befragten besonders überzeugt von ihrem Kundenservice über die verschiedenen Kanäle hinweg. Doch trotz dieser Diskrepanz scheinen die Banken aufzuholen, wenn es darum geht, personalisierte Produkte und Dienstleistungen abzuliefern. Vier von zehn Banken sind der Meinung, in diesem Bereich besonders gut oder sehr gut zu sein. Bei FinTechs sind es 55 Prozent.
Ursachenforschung
Es herrscht also eine erhebliche Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Auf der einen Seite wollten die Banken Kunden möglichst effizient gewinnen und sie am besten für ihr ganzes Leben zu halten, konstatiert Nikhil Behl, Chief Marketing Office von Fico. Auf der anderen Seite zeige die Umfrage, dass die meisten Finanzdienstleister große Probleme damit haben, die Erfahrungen abzuliefern, die sich die Kunden wünschen und die es braucht, um sie für immer zu halten. Diese erwarteten beispielsweise hochpersonalisierte Interaktionen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, sie überraschen und erfreuen.
Viele Bankensysteme seien darauf noch nicht eingestellt. Die digitale Transformation biete jedoch die Chance, dieses Manko zu überwinden – wenn die Entwicklung in die richtige Richtung verlaufe, so die Studienautoren. Ohne eine kundenzentrierte Herangehensweise werden die Kundenverluste auch weiterhin auf einem hohen Level bleiben. Um dem entgegenzuwirken, werden nach Ansicht der Fico-Experten in erster Linie moderne Daten- und Analyse-Tools benötigt. Nur so lasse sich das Verhalten der Kunden vorhersagen und Interaktionen optimieren.
Zwei exemplarische Beispiele für eine solche „Digital first“-Strategie stellt die Studie ebenfalls vor: Zum einen die brasilianische Banco Bradesco, zum anderen die Bank of Montreal (BMO) in Kanada.
Auf Wettbewerbsdruck reagiert
BMO arbeitete bereits 25 Jahre mit automatisierten Kreditentscheidungen, als die Firmenspitze im Jahr 2015 entschied, den zunehmenden Herausforderungen durch FinTechs entgegenzutreten, die ihre Kunden individueller und trotzdem einfacher und schneller bedienen konnten. Eine der Prämissen lautete: “Niemand möchte 20 Minuten damit verbringen, ein digitales Formular auszufüllen, bevor er auf »Senden« klickt.”
Als erstes überarbeitete die Bank ihre kundennahe Digitalplattform. Die langfristige Vision: ein einfaches Hypothekendarlehen in 30 Sekunden zu gewähren. Auch wenn dies ein theoretisches Ziel blieb, verkürzten sich die Bearbeitungszeiten dramatisch, während zugleich die Kreditqualität verbessert und das Ausfallrisiko gemindert werden konnten.
Weg von den Daten-Silos
Die Basis dafür lieferte die Zentralisierung der Kundendaten, die ein vollständigeres Bild des Kreditnehmers zeichnet. Dazu werden sowohl interne wie externe Datenquellen in einer Analytik-Umgebung verknüpft. Informationen aus bestehenden Kundenbeziehungen – zu Einlagen, Autokrediten, Kreditkarten usw. – fließen in die Datenbank ebenso ein wie Social-Media-Inhalte, beispielsweise aus Yelp-Bewertungen.
Der zweite wichtige Schritt ist die Entwicklung einer Entscheidungs-Engine, die aktiv nach Ereignissen sucht, die einen Bedarf signalisieren. Einen Kunden dann anzusprechen, wenn die Nachfrage nach bestimmten Produkten entsteht und ihm so zu signalisieren, dass man ihn versteht, schaffe Vertrauen und erhöhe die Chance auf eine positive Reaktion, so Katherine Rivington, die das Nordamerika-Retailgeschäft der BMO verantwortet.
Für die Studie führte Arizent / American Banker im August 2019 eine Online-Umfrage unter 203 Bank- und FinTech-Fachleuten durch, die traditionellen Banken machten rund drei Viertel der Befragten aus. Die Studie steht kostenlos bei Fico (Website) zum Download bereitsteht. hj
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