Euroshop 2020 – das Payment verschwindet
Die jedes Jahr in Düsseldorf statt findende Messe EuroCIS ist die führende Retail-Technology-Messe in Europa. Alle drei Jahre wird sie Teil der großen Schwester EuroShop. Dieses Jahr war es wieder soweit und zwar vom 16.02. bis 20.02.2020. Der wesentlich größere Rahmen veranlasst die Aussteller, hier ein besonderes Innovationsfeuerwerk abzubrennen. Drei aus meiner Sicht interessante Show Cases der Payment-Industrie möchte ich vorstellen.
von Rudolf Linsenbarth, CGI
1. Facial Recognition Payments Auf dem Stand von CGI konnte man ein Bezahlverfahren sehen, welches auf Gesichtserkennung beruht. Gezeigt wurde hier eine Methode, die von der OP Financial Group, dem größten Finanzunternehmen in Finnland, entwickelt wurde. “OP” steht für “osuuspankki”, wörtlich “Genossenschaftsbank” und besteht aus 180 Einzelinstituten mit einer zentralen Organisation.
Für Facial Recognition Payments benötigt man zunächst eine App auf dem Smartphone. Hier hinterlegt man seine Kreditkarte als Zahlungsmittel. Danach erfasst man das eigene Gesicht mit der Smartphone-Kamera. Dabei wird ein 3D-Modell des Gesichts mit einer ausreichenden Anzahl an Datenpunkten gebildet. Der gesamte „Onboarding“-Vorgang dauert ca. 2 bis 3 Minuten.
Das Bezahlen an sich ist dann denkbar einfach. Am POS befindet sich ein Tablet mit einer darüber befestigten Kamera. Hier muss der Kunde zum Checkout den Bezahlvorgang mit einem Tastendruck starten. In weniger als einer Sekunde ist die Gesichtserkennung abgeschlossen. Der zu zahlende Betrag wird angezeigt und mit einem weiteren Klick ist der Bezahlprozess abgeschlossen, wie in diesem Video hier gezeigt.
Das Verfahren wurde von OP 2018 in deren Kantine zum ersten Mal pilotiert und ist derzeit in einigen finnischen Coffee-Shops im Einsatz. Laut dem Betreiber ist es bisher noch nicht gelungen, das Verfahren durch Masken oder das Vorhalten von Fotos zu überlisten. Bisher wurde auch noch kein Zwillingspaar gefunden, das die implementierte Technologie nicht unterscheiden konnte.
2. Pay with Charlie
„Pay with Charlie“ ist ein App-basiertes Zahlverfahren der ZIIB Zahlungssystem GmbH. Die App wurde von der Syngenio AG programmiert und als White Label SDK für „Pay with Charlie“ bereitgestellt. Als Abrechnungsprovider im Hintergrund fungiert der PSP Computop. „Pay with Charlie“ ermöglicht die nachträgliche Aufrüstung bestehender Verkaufsautomaten zur bargeldlosen Zahlungsabwicklung mit allen gängigen Kreditkarten und vielen weiteren Zahlverfahren. Die Payment-App selber kommuniziert per Bluetooth mit der Automaten-Hardware. ZIIB hat hier eine preiswerte Methode gefunden, um die bestehende Automaten-Landschaft, die bisher überwiegend Bargeld akzeptiert, um ein Cash-Free-Verfahren nachzurüsten. Das Starterpaket kostet 198,- € je Einheit, hinzu kommt eine Transaktionsgebühr zwischen 2 und 6 Cent. Mit der integrierten Altersverifikation können auch Tabak-Automaten einfach ausgerüstet werden.
ZIIB-Geschäftsführerin Nicole Groß will mit ihrer Lösung aber auch direkt an die Kasse. Der Checkout soll dabei folgendermaßen vonstatten gehen. Der Kunde tappt mit dem Smartphone auf einen statischen NFC-Tag. Danach koppelt sich die „Pay with Charlie App“ mit einer Bluetooth-Einheit, die wiederum per ZVT-Protokoll mit der Kasse verbunden ist. Das Bluetooth Device übernimmt dann die Aufgabe, die sonst dem Terminal obliegt.
Die Frage ist, warum Kunde und Händler diesen Umweg gehen sollten, wo doch die Transaktionen direkt über das Smartphone per NFC abgewickelt werden könnten. Hier verweist Groß darauf, dass sie mit ihrer Lösung die Loyalty Komponente inkl. Couponing samt digitalem Kassenbon in den Bezahlprozess integriert. „Pay with Charlie“ unterstützt außerdem auch eine Art Mastercard “Babing” und spielt den Mastercard Sonic Sound nach einer entsprechenden Kartentransaktion ab.
3. Amazon Go Feeling mit Payfree von der VR Payment
Als Drittes und Letztes möchte ich eine innovative Checkout-Lösung der VR Payment vorstellen. Auch hier hat sich ein genossenschaftlich organisiertes Unternehmen Gedanken gemacht, wie der Bezahlprozess zu Gunsten der Convenience in den Hintergrund gebracht werden kann.
Dazu hat VR Payment in Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer BMS Consulting den Payfree Checkout entwickelt. Die Partner integrieren dabei eine Technologie des Duisburger Startups ID4us, einer Ausgründung an der Universität Duisburg Essen. Der Kunde packt die Produkte im Ladenlokal nur noch in die Tasche und der Einkauf wird beim Herausgehen automatisch bezahlt. Hier das Ausprobier-Video. Wie bei Amazon go wird für den „Check-In“ eine App genutzt.
Im Gegensatz zu den mit Sensoren und Überwachungskameras vollgepackten Ladenlokalen des US-Versandriesen ist bei dieser Payment-Lösung Technik nur in der Checkout-Zone notwendig. Allerdings, und auch das darf nicht verschwiegen werden, benötigt jeder Artikel einen eigenen RFID-Sticker. Warum diesen seit vielen Jahren immer wieder gezeigten Funktechnik-Etiketten gerade jetzt der Durchbruch gelingen sollte, wollte ich gerne wissen. ID4us behandelt handelsübliche RFID-Tags nach, will aber zu den genauen technischen Details auf Grund einer Patentanmeldung noch keine Details preisgeben. Auf jeden Fall sollen sich dadurch die Scan-Leistungen erheblich verbessern und die neuen “Locate Tags” werden im Preis sinken, da durch das neue Antennendesign die Tags ganz ohne einen Chip auskommen können.
Das Euroshop-Fazit
Rudolf LinsenbarthRudolf Linsenbarth beschäftigt sich mit Mobile Payment, NFC, Kundenbindung und digitaler Identität. Er ist seit über 15 Jahren in den Bereichen Banken, Consulting, IT und Handel tätig. Aktuell ist Linsenbarth Mitarbeiter von CGI. Der profilierte Fachautor und Praktiker im Finanzbereich kommentiert bei Twitter unter @holimuk die aktuellen Entwicklungen. Alle Beiträge schreibt Linsenbarth im eigenen Namen.Das Payment verschwindet natürlich nicht wirklich. Am Ende des Tages wandert das Geld auf dem einen oder anderen Weg vom Konto des Kunden zu dem des Händlers. Der Bezahlvorgang verschiebt sich in den Hintergrund, er wird quasi unsichtbar. Dabei werden derzeit in erster Linie die Payment-Schienen genutzt, die bereits verlegt sind. Mastercard und VISA kommt zu Gute, dass sie Ihre Karten seit Jahren für genau diese Anwendungen ertüchtigen.
Welchen der obigen beschriebenen Szenarien die Zukunft gehört, lässt sich heute nicht final beantworten. Sicher ist für mich auf jeden Fall, dass ein Karte, die vor ein Bezahl-Terminal gehalten wird, dann nicht mehr der Standard ist.
Für alle, die das nicht nachvollziehen können, verweise ich gerne auf Bill Gates:
Wir überschätzen immer die mögliche Veränderung der nächsten 2 Jahre und unterschätzen die mögliche Veränderung der nächsten 10 Jahre.”
Disclaimer: Rudolf Linsenbarth ist Mitarbeiter von CGI.Rudolf Linsenbarth
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