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STRATEGIE3. Juli 2024

EU-Taxonomie: So kann erklärbare KI Prüfungsprozesse vereinfachen

Schwerpunkt: Neue Regulatorik
Experte für erklärbare KI
Dr. Hans-Peter Güllich, CEO & Gründer von Dydon AI Dydon AI
Die EU-Taxonomie-Verordnung spielt seit Juli 2020 eine zentrale Rolle in der Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union. Sie identifiziert ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten, fördert Transparenz und lenkt Kapital in nachhaltige Investitionen. Doch dieses Klassifizierungssystem stellt die Akteure bei der Umsetzung auch vor große Herausforderungen. Ihre Weiterentwicklung und die Einführung der Kriterien der letzten vier Umweltziele erhöhen dessen Komplexität. Hier kann erklärbare KI für einfache und transparente Prüfungsprozesse im Regulierungs-Dschungel sorgen, gerade für Finanzdienstleister.

Von Dr. Hans-Peter Güllich, CEO & Gründer von Dydon AI

Seit Anfang 2024 gelten ein erweiterter Geltungsbereich der EU-Taxonomie sowie komplexere Offenlegungspflichten, die von der Europäischen Kommission am 27. Juni 2023 verabschiedet wurden mit einem neuen delegierten Umweltrechtsakt sowie Änderungen der bestehenden delegierten Rechtsakte zu Klima und Taxonomieoffenlegung.

Aktueller Stand der EU-Taxonomie-Berichterstattung im Jahr 2024

Nichtfinanzielle Unternehmen müssen über die Ausrichtung von Wirtschaftstätigkeiten von nun insgesamt sechs Umweltzielen Bericht erstatten, während im Jahr 2023 nur die Ziele zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel berücksichtigt wurden.

Der delegierte Umweltrechtsakt definiert die technischen Bewertungskriterien für die vier neuen Umweltziele – auch Taxo4 genannt – der EU-Taxonomie-Verordnung: nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Diese neuen Umweltziele wirken sich auf 35 zusätzliche Wirtschaftsaktivitäten in acht Wirtschaftssektoren aus, von denen einige erstmals durch die EU-Taxonomie-Verordnung definiert wurden:

  • 6 Aktivitäten zu Wasser- und Meeresressourcen;
  • 21 Aktivitäten für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft;
  • 6 Aktivitäten zur Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung;
  • 2 Aktivitäten zu Biodiversität und Ökosystemen.

Die gezielten Änderungen des delegierten Rechtsakts zum Klimawandel legen Kriterien für 12 neue Aktivitäten in 6 Sektoren fest, die zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen, sowie für die Aktualisierung bestehender Aktivitäten.

Autor Dr. Hans-Peter, Dydon AI

Experte für erklärbare KIDr. Hans-Peter ist der Gründer und CEO von Dydon AI (Website), einem Schweizer Unternehmen, das transparente und flexible KI-Lösungen für FinTech und RegTech anbietet. Nach seinem Studium in Wirtschaftsinformatik promovierte er über den Aufbau eines KI-basierten Prognosemodells zur Risikobewertung. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung, die meisten davon bei Beratungsunternehmen, Finanzinstituten und Anbietern von IT-Lösungen.

All diese Vorschriften müssen nun seit 1. Januar 2024 in der EU-Taxonomie-Bewertung berücksichtigt werden. In der erstmaligen Berichterstattung ist zunächst nur über die Taxonomiefähigkeit („Eligibility“) der neuen Wirtschaftsaktivitäten zu berichten, ein Jahr später dann auch über die Taxonomiekonformität („Alignment“).

Was sind die Auswirkungen der EU-Taxonomie-Prüfung auf die Green Asset Ratio?

Ab 2024 wird im Rahmen der EU-Taxonomie eine weitere Kennzahl hervorgehoben: die sogenannte Green Asset Ratio (GAR), über die Banken berichten müssen.

Die GAR dient bisher nur als Berichterstattungskennzahl – es gibt keine Vorschriften, welche Quote eine Bank erreichen muss.”

Sie beschreibt vereinfacht den Anteil des nachhaltigen Geschäfts an der Bilanzsumme. Dadurch könnten Banken theoretisch transparent miteinander verglichen werden.

Obwohl die Berechnung der GAR einfach erscheint – das nachhaltig finanzierte Geschäftsvolumen und die nachhaltigen Investitionen werden summiert und anschließend durch das gesamte Geschäftsvolumen der Bank dividiert –, ist ihre Berechnung dennoch sehr komplex. Dies, da die Banken im Kern beantworten müssen, welche ihrer finanzierten Aktivitäten als nachhaltig klassifiziert werden können.

Speziell für die Einstufung von Krediten an Firmenkunden fehlen hierzu oft die erforderlichen Daten.”

Hier schließt sich der Kreis, denn Finanzunternehmen müssten idealerweise in Hinsicht der GAR jedes Finanzierungsprojekt – auch das von privaten Kunden – aufgrund der EU-Taxonomie bewerten lassen, und hier ist vorerst nur die Rede von neuen Kreditanträgen, offen steht noch wie mit den bereits vorhandenen Finanzierungen im Bestands-Portfolio zu verfahren ist. Dies führt umgehend zur Frage, wie das existierende Portfolio einheitlich, sicher und schnell bewertet werden könnte.

Auswirkung der EU-Taxonomie auf Finanzunternehmen

Bereits für Unternehmen ist die jährliche EU-Taxonomie-Bewertung mühsam, kompliziert und kostenintensiv. Bei Finanzdienstleistern jedoch, die täglich mehrere Bewertungen von Finanzierungsvorhaben analysieren müssen, stellt dies eine erhebliche Zusatzbelastung dar.

Potenziell sind Banken und Sparkassen von mehr als 150 normierten Wirtschaftsaktivitäten der EU-Taxonomie betroffen.”

Dabei hat jede einzelne ihren eigenen Bewertungsprozess mit speziellen technischen Kriterien, die es zu prüfen gilt.

Bei der Integration der EU-Taxonomie in die Kreditprozesse bestehen die Hauptschwierigkeiten in der hohen Anzahl und der Einzigartigkeit der täglichen Kreditanträge, die geprüft werden müssen, sowie bei der Erstbewertung und periodischen Neuklassifizierung von Portfolios. Daher ist es von hoher Bedeutung, die Kreditprozesse an die Anforderungen der EU-Taxonomie anzupassen und die Bankberater zu regulatorischen Änderungen regelmäßig zu schulen. Doch damit nicht genug: Auch Herausforderungen wie die Datenintegration und -verfügbarkeit, die Verwaltung externer Daten einschließlich Klimarisiken und öffentlicher Daten gilt es zu meistern, um die EU-Taxonomie in Banken und Finanzunternehmen umzusetzen.

Erklärbare KI für eine transparente Umsetzung der EU-Taxonomie

Mit dem bewährten Handwerkszeug von „Excel und Co.“ können die Herausforderungen der an Komplexität und Umfang weiter zunehmenden EU-Taxonomie-Regulierung nicht mehr bewältigt werden.

KI-basierte Lösungen, die die Regulierung digitalisieren und eine Überprüfung der EU-Taxonomie-Compliance automatisiert ermöglichen, werden zum unverzichtbaren Instrument.”

Neueste KI-Lösungen nutzen eine sogenannte „erklärbare KI“ (XAI), die für Klarheit und Transparenz bei Compliance und Nachhaltigkeitsberichterstattung sorgen. Eine Reihe von Prozessen und Methoden ermöglicht es bei erklärbarer KI den Software-Nutzern, die von maschinellen Lern-Algorithmen erzeugten Ergebnisse nachzuvollziehen. Dabei werden die Entscheidungsbäume der Regulatorik transparent mit dem Nutzer geteilt sowie den Einsatz von automatisch ausgelesenen Daten aus Dokumenten, die zur Beantwortung der Fragen der EU-Taxonomie verwendet werden.

Einfach – digitalisiert – automatisiert

Fortschrittliche KI-Modelle, einschließlich Sprachmodelle (Natural Language Processing, NLP), tragen zur Erfassung und Verarbeitung relevanter Daten aus unterschiedlichen Quellen, wie beispielsweise Energiezertifikaten von Gebäuden, dazu bei. Dank intelligenter Modelle, Suchalgorithmen, Nutzung externer Wissens-Quellen, automatisierter CO₂-Berechnungsmodelle und vieles mehr kann auch das vorhandene Problem von Datenmangel behoben werden.

Mit solchen Tools können darüber hinaus durch ein automatisches Auslesen der Adresse des zu bewertenden Projektes alle geologischen und klimatischen Risiken abgerufen werden, die sich auf diese spezifischen geografischen Koordinaten beziehen. So können zum Beispiel Überschwemmungsrisiken an einem Bauplatz ermittelt werden, was mehr Planungssicherheit für den Bau des Eigenheims schafft. Das Ergebnis ist eine auf die konkreten Bedürfnisse der jeweiligen Branche zugeschnittene Nachhaltigkeitsbewertung gemäß den EU-Taxonomie-Kriterien.

Insgesamt kann der Bewertungsprozess für Unternehmen und Finanzinstitute, die sich an die neuen EU-Vorschriften anpassen und diese einhalten wollen, dank künstlicher Intelligenz erheblich erleichtert werden.Dr. Hans-Peter Güllich /dk

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