Die Finanzbranche als Vorreiter: Nachweislich nachhaltig – am Beispiel der FI-TS
Bei Ausschreibungen von den Kunden und zunehmend auch seitens der Gesetzgeber: Das Thema „Nachhaltigkeit“ beschäftigt Banken und Versicherungen mittlerweile in vielerlei Hinsicht. Deshalb entwickeln viele von ihnen ESG-Strategien (ESG: Environmental, Social, Governance), ESG-konforme Produkte und ernennen ESG-Beauftragte. Die Gründe dafür sind vielfältig: etwa geforderte ESG-Berichte nach Standards wie GRI, SASB oder Energiemanagement nach ISO 50001. Hinzu kommen Änderungen der Gesetzeslage sowie interne Überzeugungen und kaufmännische Überlegungen. Die ESG-Umsetzung am Beispiel der FI-TS
von Christian Huschebeck, Consulting Manager bei der Information Services Group
Barclays bietet seit neustem Analysten, Investoren und anderen Interessenten einen „ESG Resource Hub“, der detaillierte technische Informationen, weitere Dokumente sowie die Stellungnahmen des Unternehmens zu Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfragen zur Verfügung stellt. Die Landesbank Hessen-Thüringen wiederum hat kürzlich die Position des „Chief Sustainability Officer“ auf Ebene der Konzernstrategie geschaffen. Aufseiten der Versicherungen wiederum hat die Allianz ein „ESG Integration Framework“ erstellt, das dafür sorgen soll, dass Nachhaltigkeit in allen Allianz-Produkten und -Services eingebettet ist.Für den IT-Dienstleister FI-TS aus der Sparkassen-Finanzgruppe definiert Sven Knop als Unternehmensentwickler derzeit ESG-Strategie, -Ziele und -Maßnahmen seines Unternehmens.
Für die Geschäftsführung war klar, dass wir es bei ESG mit einem unternehmensstrategischen Thema zu tun haben. So ist für uns zum Beispiel auch das Lieferkettengesetz von hoher Relevanz. Außerdem wird Nachhaltigkeit gerade auch seitens der Endkunden immer häufiger nachgefragt, etwa bei Geldanlagen.“
Nicht zuletzt werde das Thema auch bei Ausschreibungen zunehmend wichtig.
Immer häufiger müssen wir Fakten, Vorgehensweisen und Strategien zu ESG überzeugend nachweisen können“
Nachhaltigkeit nachweisen
ESG-Initiativen wie die von FI-TS sind keine Einzelfälle mehr, sondern stehen stellvertretend für einen übergreifenden Trend in der Finanzwirtschaft, zumal Nachhaltigkeitsnachweise von immer mehr Regularien gefordert werden. Schon in Kraft getreten ist 2021 zum Beispiel die EU-Transparenzverordnung 2019/2088, die Finanzinstitute und andere Finanzmarktteilnehmer verpflichtet, ihren Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit offenzulegen. Auch andere bereits bestehende Regularien wie zum Beispiel das Nachhaltigkeits-Merkblatt der BaFin bieten Orientierung bezüglich der Implementierung nachhaltiger Strukturen.
Dies bedeutet, dass nicht nur das Anlageportfolio von Banken und Versicherungen vor einer Transformation nach ESG-Kriterien steht, auch die Unternehmen selbst müssen sich verändern. Ein Beispiel: Zwar verursacht die Finanzbranche anders als etwa Industrieunternehmen keinen großen direkten Ausstoß von Treibhausgasen.
Dafür ist der in der IT anfallende Stromverbrauch sehr hoch und muss auf erneuerbare Energien umgestellt werden bei gleichzeitiger Einführung energiesparender Prozesse.”
So ist zum Beispiel der Strombedarf der Rechenzentren in Deutschland allein 2020 um sieben Prozent oder rund eine Milliarde Kilowattstunden (kWh) auf insgesamt 16 Milliarden kWh gestiegen. Dies meldeten die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im August 2021.
Nicht zuletzt ändert sich das Versicherungs- und Bankengeschäft als solches mit Blick auf ESG-Kriterien gerade fundamental, weil sich auch die Anforderungen, Erwartungen und Wünsche der Endkunden und Investoren bereits entsprechend verändern. Ganz zu schweigen von den zum Teil sehr rar gesäten Fachkräften in der Finanzwirtschaft: Bei ihrer Jobwahl fallen jene Unternehmen mehr und mehr durchs Raster, die aus ESG-Perspektive wenig zu bieten haben. So fand eine Umfrage der Jobplattform StepStone unter 12.000 Arbeitnehmern und 47.000 Studierenden im Jahr 2021 heraus:
Für 76 Prozent der Befragten hat Nachhaltigkeit bei ihrem Arbeitgeber einen hohen Stellenwert. Für vier von zehn Befragten ist die Nachhaltigkeit sogar ein entscheidendes Kriterium.”
ESG verändert das gesamte Unternehmen
Insofern handelt es sich bei ESG um ein strategisches Anliegen von Unternehmen und nicht nur um einzelne Aktivitäten, die gelegentlich auf der Agenda der Unternehmensleitung auftauchen. Aus diesem Grund hat sich der Schwerpunkt von Einzeltätigkeiten des „Gutes tun“ im Rahmen von Corporate Social Responsibility (CSR) verlagert – hin zu Governance-Prozessen, die diese Aktivitäten in die gesamte Struktur eines Unternehmens einweben. ESG kommt heute eine strategische Rolle zu, die dafür sorgen soll, dass ein Unternehmen transparent und in regelmäßigen Berichten darlegt, was es mit Blick auf die ökologischen und sozialen Auswirkungen seines Business unternimmt.
Insbesondere in Europa können Unternehmen auf diesem Weg mit Orientierungshilfen rechnen. Denn im weltweiten Vergleich ist die EU-Regulierung zu ESG im weltweiten Vergleich weit fortgeschritten. Es ist daher zu erwarten, dass durch die EU-Taxonomie den Unternehmen nicht nur neue Regularien auferlegt werden, sondern auch für Standardisierung und Klarheit gesorgt wird, an denen sich Unternehmen rechtssicher orientieren können.
Eine große Rolle wird in diesem Zusammenhang vor allem auch die IT von Banken und Versicherungen spielen:
Will ein Finanzunternehmen heute klimaneutral werden, überlegt es immer auch, wie in seinen Rechenzentren der CO2-Ausstoß reduziert werden kann.”
ESG-Reports, die darüber Auskunft geben, werden bereits heute in vielen IT-Abteilungen von Banken und Versicherungen erstellt – zumal sie bei Ausschreibungen immer häufiger verpflichtend sind.
Wie nachhaltig sind die Lieferanten?
Autor Christian Huschebeck, ISGChristian Huschebeck ist Consulting Manager bei der Information Services Group (ISG) mit einem Fokus auf Banken und auf die Finanzbranche fokussierte Dienstleister, unter anderem im Bereich ESG. Bevor er 2019 zu ISG (Webseite) wechselte, studierte der gelernte Bankkaufmann an der Universität zu Köln Master of Business Administration (Finance) und arbeitete zur gleichen Zeit im Private Banking der BHF-BANK (heute Oddo BHF). Nach dem Studium war Huschebeck als Consulting Manager beim Beratungsunternehmen Advyce sowie als Projektleiter bei CTcon Management Consultants tätig. Zudem absolvierte er eine Zusatzausbildung zum MicroMaster, Digital Leadership an der Boston University.
Doch sind nicht nur die selbst betriebenen IT-Bereiche den neuen Berichtspflichten unterworfen. Auch die im Auftrag der jeweiligen Bank oder Versicherung tätigen zahlreichen IT-Serviceprovider fallen darunter. Neben der Transformation der jeweiligen Bank oder Versicherung selbst müssen ESG-Kriterien auch bei ausgelagerten Prozessen in das Auslagerungsmanagement gemäß KWG 25b des Kreditwesengesetzes integriert und deren Einhaltung geprüft werden. Grundlage dafür sind entsprechende Vereinbarungen mit den Lieferanten sowie eine Ende-zu-Ende-Sicht, die nicht nur diese Lieferanten, sondern auch deren Lieferanten mit einbezieht.
Dies wiederum hat Folgen schon bei der Auswahl von IT-Providern: Wie müssen Sourcing-Vereinbarungen mit neuen Lieferanten aussehen, damit ein Unternehmen die geforderte ESG-Konformität entlang der gesamten Lieferkette vorhalten und nachweisen kann? Dass diese Herausforderung auch bei den IT-Serviceanbietern als solche gesehen wird, zeigt das Beispiel des IT-Serviceanbieters Infosys, der in diesem Jahr seinen ersten ESG-Jahresbericht vorlegte, um „dem wachsenden Interesse und den Erwartungen der globalen Stakeholder des Unternehmens in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung Rechnung zu tragen.“
In den von ihr begleiteten IT-Service-Ausschreibungen stellt auch die Information Services Group (ISG) immer häufiger fest, dass ESG-Kriterien eine entscheidende Rolle spielen. So wurde ein ISG-Kunde etwa nach Energiemanagement-Zertifizierungen gefragt, wie sie die EU-Taxonomie vorsieht. Oder: ISG selbst durfte kürzlich erst dann bei einem Kunden aktiv werden, nachdem das Unternehmen seine Menschenrechtserklärung hochgeladen hatte.
Berichtspflicht ab 2022
De facto müssen Unternehmen ausgewählter Branchen, darunter Banken, bereits ab 2022 in ihren Geschäftsberichten über das Jahr 2021 den Anteil nachhaltiger Investments und Umsätze ausweisen. Als Grundlage dafür bietet sich die ESG-Taxonomie der EU an, die in einem klar untergliederten Katalog für die verschiedenen Branchen definiert, was eine nachhaltige Aktivität ausmacht.
Letztlich müssen Finanzunternehmen also jetzt schon ihre Geschäftsaktivitäten unter diesen Gesichtspunkten analysieren, klassifizieren und dann im kommenden Geschäftsbericht im nicht-finanziellen Teil veröffentlichen.”
Diese Berichte wiederum stellen die Grundlage für Entscheidungen etwa von Investitionsfonds dar, wenn diese gezielt in Firmen investieren wollen, die nachhaltige Aktivitäten im geforderten Maß nachweisen können.
Zahlreiche Finanzunternehmen haben ihre ESG-Strategie zumindest in ihren Grundzügen bereits erstellt und, daraus abgeleitet, Ziele definiert. Deren Erreichung wird wiederum durch geeignete Key Performance Indicators (KPI) gemessen. Zudem steht nun der Aufbau der Prozesse an, die zur Erreichung der gesetzten Ziele führen. Und neben den Prozessen werden auch andere Daten und Werkzeuge benötigt als bisher.
Dieser „ESG-Umbau“ stellt Unternehmen vor ähnliche Herausforderungen wie auch andere große Transformationen: Man braucht neben aus der Strategie abgeleiteten Zielen die richtigen Prozesse, Organisationsformen, Verantwortliche und die richtigen Skills zur Operationalisierung der Strategie. Dies bedeutet zum Beispiel und vor allem auch: zusätzliche (neue) Fachkräfte oder die Schulung des bestehenden Personals.
Die Unternehmen müssen also mehr als „nur“ die richtigen Daten zusammenbringen, sondern die Transformation von der gesamten Organisation aus gesehen angehen.”
Klimaneutrale Rechenzentren als erster Schritt
Oft sind die Energieversorgung von Rechenzentren oder etwa die Einführung von Travel-Apps, die das CO2-Äquivalent der einzelnen Geschäftsreisen berechnen und dokumentieren, die ersten Bereiche, an denen Banken und Versicherungen Hand anlegen. Doch solche Einzelaktionen können nur erste Anfänge sein. Darüber hinaus braucht es einen umfassenden Maßnahmenkatalog: Welche Bereiche des Business und der IT sind in welchem Maße ESG-relevant? Und wie kann die IT einen signifikanten Beitrag leisten?
IT-erfahrene Transformations-Spezialisten können hier Unternehmen dabei unterstützen, ihre Maßnahmen rechtzeitig zu planen und umzusetzen – mit einem Ende-zu-Ende-Ansatz, der alle Provider in der Supply Chain mit einbezieht. Weitere Aspekte sind vor allem: Wie „ESG-ready“ sind Unternehmen heute schon (Assessment)? Wie kann IT dabei helfen, die notwendigen Reifegrade zu erreichen? Und wie muss ein Maßnahmenplan aussehen, der auch wirklich der Umsetzung der ESG-Ziele dient?
Unternehmen fangen hierbei in der Regel nicht bei null an. Diese Erfahrung machte auch Sven Knop bei FI-TS, als er sein Unternehmen auf ESG-Maßnahmen hin untersuchte:
Angefangen bei unserem neuen energieeffizienten Rechenzentrum über die systematische Mülltrennung bis hin zur biozertifizierten Kantine, die vor allem regionale Produkte anbietet: Über die Zahl der bereits bestehenden Nachhaltigkeitsmaßnahmen waren wir am Ende selbst sehr erfreut.“
Was Knop nun in Angriff genommen hat, ist die Definition einer einheitlichen Strategie, die diese Einzelmaßnahmen strukturiert und ganzheitlich integriert.
Wenn Kunden uns auf Nachhaltigkeit angesprochen haben, konnten wir bisher immer nur Einzelmaßnahmen nennen. Ziel ist es nun, einheitlich und abgestimmt zum Thema Nachhaltigkeit sprechen zu können. Das hat auch den Vorteil, dass wir benötigte Informationen nicht mehr mühsam zusammensuchen müssen, sondern zentral verfügbar haben.“
Sven Knop, FI-TS Unternehmensentwickler verantwortlich für die ESG-Strategie
Das Beispiel zeigt: Ein strategisch ausgerichtetes und systematisches ESG-Management benötigt zwar initial Investitionen, spart aber mittel- und langfristig Aufwände ein.Christian Huschebeck, ISG
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