DLT/Blockchain-Anwendungen im internationalen Zahlungsverkehr – Chancen und Herausforderungen
Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) krempelt den Finanzsektor seit einigen Jahren spürbar um. Doch bei globalen Zahlungsverkehren ist das Potenzial bis dato weitgehend unerschlossen. Dabei gehen laut Accenture jährlich rund 25 Billionen US-Dollar über die Grenzen – Summen und Geldbewegungen, die von erhöhter Sicherheit und Integrität profitieren würden. Doch kann die Blockchain diese Probleme lösen und der Schlüssel zu mehr Transparenz und Effizienz sein? Oder stellen sich hier ganz andere Herausforderungen dar?
von Andreas Belosjorow, Senior Vice President INTL FCStone
Die Distributed- Ledger-Technologie (DLT) entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Experimentierfeld, dem sich unter anderem Finanzmarktakteure und Zentralbanken widmen. Grundsätzlich versteht man unter Distributed Ledgers verteilte Kontoführungssysteme, bei denen digitale Daten über mehrere Standorte gemeinsam genutzt, repliziert und synchronisiert werden. Dabei wird mittels kryptografischer Verfahren eine nahezu fälschungssichere Abbildung von Transaktionen ermöglicht. Werden die Transaktionen mit Hilfe eines Proof-of-Work-Verfahrens in miteinander verbundenen Blöcken dargestellt, spricht man von einer Blockchain. Potenziell bietet die DLT diverse Vorteile durch die gemeinsame Datenhaltung, die Abstimmungsprozesse bei komplexen arbeitsteiligen Wertschöpfungsketten erleichtern kann.Automatisierte Abwicklung von komplexen Prozessen
Viele Anwender stufen die Technik als nützlich ein, um in den angewandten Branchen Veränderungen auszulösen. Ganz vorn dabei der Finanzsektor, der die Substitution von Intermediären oder die Schaffung von neuen, effizienteren Prozessen unter anderem in Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung vorsieht. Theoretisch könnte bei der DLT die Notwendigkeit für spezielle Systeme, die von Intermediären betrieben werden, entfallen. Zwischengeschaltete Instanzen, die bei Finanztransaktionen klassischerweise die Validierung vornehmen, wären aus rein technischer Sicht nicht mehr erforderlich. Besonders die P2P- Netzwerkstruktur wird von einigen Anwendern als Schlüssel für eine effiziente, weltweit zugängliche Möglichkeit zur Wertübertragung gesehen. Dazu zählen vor allem die Vorteile der einmaligen Verifizierung der Kundenstammdaten sowie eine Reduzierung manueller und somit fehleranfälliger Prozesse. Eine differenzierte Betrachtung zeigt jedoch, dass die besonderen strukturellen Ausprägungen der DLT nicht per se eine revolutionäre Umwälzung für den Zahlungsverkehr bedeuten. Selbst das weitreichende Netzwerk von SWIFT reicht bis dato nicht aus, um wirklich globale Transparenz im Zahlungsverkehr zu schaffen.
Verschlüsselte Speicherung: Transaktionen vertraulich abwickeln
Durch die DLT wird jedem Teilnehmer grundsätzlich die Möglichkeit zugestanden, Einblick in die Transaktionshistorie zu erhalten. Die Vertraulichkeit von Finanztransaktionen ist folglich ohne Verschlüsselung nicht einzuhalten. Selbst eine verschlüsselte Speicherung der Daten bei allen Netzwerkteilnehmern bietet noch keine hinreichende Sicherheit. Würden die Daten durch künftige Verbesserung der Hard- oder Softwarekomponenten entschlüsselt, wäre die Transaktionshistorie wieder sichtbar für alle Netzwerkteilnehmer, bei denen die Daten gespeichert wurden. Diese Einschränkung der Vertraulichkeit in der Zukunft ließe sich dadurch lösen, dass nicht alle Daten bei allen Teilnehmern gespeichert werden, sondern in einer Art von Unternetzwerken ausgetauscht und gespeichert werden. Dieser Schutzmechanismus führte gleichwohl zu einer signifikanten Abweichung von den Grundprinzipien der vollständigen Transparenz und Nachvollziehbarkeit einer verteilten Datenbank und minderte die Manipulationssicherheit der DLT.
Effizienz bei großvolumigen Anwendungen ungewiss
Skalierbarkeit und Performanz sind für die Anwendung bei Infrastrukturen mit hohem Transaktionsdurchsatz oder hohen Transaktionsspitzen zu bestimmten Zeiten entscheidende Kriterien, zum Beispiel gemessen an der Latenzzeit des Systems. Die Skalierbarkeit von DLT-Lösungen hängt davon ab, welche technischen Spezifikationen vorgenommen werden, insbesondere hängt sie vom Konsensmechanismus ab. Je nach Konsensverfahren benötigen DLT-Lösungen ungleich mehr Datenspeicher, Dateninstruktionen und Zeit zur Abwicklung einer einzelnen Transaktion als eine zentrale Finanzmarktinfrastruktur. Sofern DLT-Systeme den von heutigen Finanzmarktinfrastrukturen geleisteten Transaktionsdurchsatz nicht erreichen, bliebe ihre sinnvolle Anwendbarkeit auf Systeme mit hoher Komplexität, aber relativ geringem Transaktionsvolumen, beschränkt.
Speziell im globalen und währungsraumübergreifenden Zahlungsverkehr ist eine Standardisierung der Anforderungen nahezu unmöglich. Das Korrespondenzbankgeschäft ist weniger vereinheitlicht als zentrale Zahlungssysteme und erfordert häufig aufwändige Abstimmungsprozesse zwischen den Beteiligten. Die Abwicklung dauert lange und verursacht relativ hohe Transaktionskosten. Die DLT in hoch technologischen Ländern angewandt, könnte einige Prozessschritte im Korrespondenzbankgeschäft vereinfachen oder sogar entbehrlich machen und Endnutzern eine schnellere und günstigere Abwicklung ermöglichen.
DLT – die Herausforderung ist größer als zunächst erwartet
Die DLT ist weiterhin Gegenstand intensiver Forschung und Entwicklung in der Erwartung, dass ihr Einsatz Transaktionskosten zu senken vermag. Die Übertragung von ihrer ursprünglichen Rolle als Technik hinter der virtuellen Währung Bitcoin auf Anwendungen im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung erweist sich als veritable Herausforderung. Es zeigt sich, dass vielfältige Anpassungen des ursprünglichen Bitcoin-Verfahrens notwendig sind. Eine reine P2P-Übertragung ohne Intermediäre dürfte im Finanzsektor kaum umsetzbar sein.
Fest steht: Dank ihrer Netzwerkstruktur und dem parallelen Zugriff auf eine gemeinsame Datenbank sichert die DLT ein hohes Maß an Transparenz, Datenkonsistenz, operativer Effizienz, Sicherheit und Resilienz sowie Unabhängigkeit von Intermediären und der Automatisierung in der Abwicklung zu.Andreas Belosjorow, INTL FCStone
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