ZAHLUNGSVERKEHR15. August 2023

DK fordert Paradigmenwechsel beim Digitalen Euro

Die Deutsche Kreditwirtschaft kontert den Legislativvorschlag der EU-Kommission zum Digitalen Euro – und lässt kein gutes Haar an dem Papier. Schon grundsätzlich sei das Vorgehen falsch, dazu kommen viele Bedenken zu einzelnen Punkten. Hat Brüssel wirklich Mist gebaut, oder steckt etwas anderes hinter der Fundamentalkritik?

Eine starke Festung im globalen Zahlungsverkehr will die EU mit dem Digitalen Euro bauen – sie soll sowohl den Angriffen insbesondere der amerikanischen Privatwirtschaft trotzen als auch widerstandsfähig gegenüber den Unwettern des Marktes sein. Wie das gelingen soll, hat die EU-Kommission Ende Juni ihren Plan zum Rechtsrahmen für das digitale Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, kurz CBDC) vorgelegt (PDF-Download hier).

Bürgerinnen und Bürgern der EU solle so die Möglichkeit gegeben werden, digital mit einer weithin akzeptierten, billigen, sicheren und widerstandsfähigen Form öffentlichen Geldes im Euro-Währungsgebiet bezahlen zu können – in Ergänzung zu den privaten Lösungen, die es bereits gibt. Der Digitale Euro solle wie eine Geldbörse funktionieren, die Privatsphäre der Nutzer schützen und von allen Banken und Zahlungsdienstleistern ausgegeben sowie von allen Händlern bei digitalen Zahlungen akzeptiert werden. Darüber hinaus würden Basis-Services kostenlos bleiben, genau wie beim Bargeld, so die Brüsseler Pläne.

Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis‚ in der EU-Kommission zuständig für das Ressort „Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen“ <Q>EU-Kommission
Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis‚ in der EU-Kommission zuständig für das Ressort „Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen“ EU-Kommission

Parallel zu der Veröffentlichung haben Fabio Panetta, Mitglied des Direktoriums der EZB, und Valdis Dombrovskis, Executiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission, in einem Blogartikel dargelegt, warum Europa einen digitalen Euro braucht. Bis zum 8. September können nun Marktteilnehmer die Details des angenommenen Rechtsaktes und Folgenabschätzungen hier einsehen und eine eigene Stellungnahme abgeben. Eine erste positive Rückmeldung kam beispielsweise von Giesecke+Devrient (IT-Finanzmagazin berichtete). 

Massive Kritik der DK

Ganz anders dagegen reagierte die Deutsche Kreditwirtschaft (DK). In einem nun vorgelegten Positionspapier übt der Dachverband, der die Verbände von Volks- und Raiffeisenbanken, der Sparkassen, der öffentlichen Banken, der deutschen Pfandbriefbanken und den Bundesverband deutscher Banken vereint, fundamentale Kritik an den Brüsseler Plänen.

Eine der Kernforderungen der DK lautet, dass die EZB den digitalen Euro als reines Zahlungsmittel emittieren solle, nicht als Zahlverfahren. Würde die digitale Zentralbankwährung als Pendant zum Bargeld ausgestaltet, wäre ihr die Unterstützung der Deutschen Kreditwirtschaft sicher. Diese pocht jedoch darauf, dass es die Rolle einer Zentralbank sei, Währungen auszugeben, dagegen die marktgerechte Gestaltung von Zahlverfahren der Kreditwirtschaft überlassen bleiben müsse. Ansonsten würden bestehende und zukünftige europäische privatwirtschaftliche Zahlverfahren benachteiligt und somit das Ziel des digitalen Euro, die Souveränität Europas zu stärken, konterkariert. Das wäre ein kompletter Paradigmenwechsel und hätte schwerwiegende Auswirkungen auf die gesamte Konstruktion des Digitalen Euro. 

Doch damit nicht genug. Die DK fordert unter anderem ein rechtssicheres, niedriges dreistelliges Haltelimit und ein Verzinsungsverbot. Damit solle verhindert werden, dass der Digitale Euro der Wertaufbewahrung dient. Nicht zuletzt befürchten die Banken offensichtlich eine Art „digitalen Bank-Run“. Denn wie die DK ausführt, könnte das Abziehen von herkömmlichen Einlagen bei den Instituten, um diese in digitaler Form in Wallets zu speichern, zu negativen Auswirkungen auf Kreditvergabekapazitäten und -kosten führen und damit der gesamten Wirtschaft schaden.

Ebenso solle es ein Transaktionslimit geben, Lockerungen bei der Annahmeverpflichtung und vor allem solle die Preisbildung dem Markt überlassen bleiben. Eine gesetzliche Preisvorgabe würde einen unzulässigen Eingriff in die Vertrags- und Preisgestaltungsfreiheit der beteiligten Akteure (Issuer, Acquirer) darstellen und wäre angesichts des funktionierenden Marktes und Wettbewerbs nicht sachgerecht, führt die DK aus. Tatsächlich gibt es aber beispielsweise seit 2018 auch ein von der EU verfügtes Verbot, das dem Handel untersagt, Gebühren für die Zahlung per Kreditkarte, Überweisung oder Lastschrift zu verlangen.

Zu den Kernprinzipien des Vergütungsmodells eines Digitalen Euro sollten nach Vorstellungen der EZB kostenlose Basis-Services gehören – die DK lehnt das ab. <Q>EZB
Zu den Kernprinzipien des Vergütungsmodells eines Digitalen Euro sollten nach Vorstellungen der EZB kostenlose Basis-Services gehören – die DK lehnt das ab. EZB

 

Beteiligung und Befragung gewünscht

Wenn die EU bzw. die EZB den Digitalen Euro nur als Zahlungsmittel ausgeben, müssten sie verstärkt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Banken und Sparkassen sowie europäischen privatwirtschaftlichen Initiativen, wie z.B. EPI, suchen, um diese am Erarbeiten der Regelungen für Zahlverfahren angemessen zu beteiligen.

Der Privatsektor werde bisher nur unzureichend eingebunden. Die DK fordert nun, das Verfahren komplett umzudrehen: dass alle Regelungen für einen digitalen Euro, die für einheitliche und interoperable Zahlverfahren relevant sind, vom Privatsektor selbst definiert werden. Eine konkrete Folge wäre beispielsweise, dass die Verpflichtung auf das geplante EZB-Frontend entfallen müsse und stattdessen Banken und Finanzdienstleister eigene Frontends entwickeln dürften oder – freiwillig – das EZB-Frontend nutzen können. 

Nicht zuletzt bezweifelt die DK, dass der Digitale Euro in der bisherigen Form einen Nutzen hat – außer für die EZB. Um Reputationsschäden für das Eurosystem zu vermeiden, müsse fundierte und unabhängige Marktanalyse durchführt werden, um zu klären, ob die Akzeptanz des Digitalen Euro in Gesellschaft und bei Bürgerinnen und Bürger in ausreichendem Maße gegeben sei – neben den bereits bestehenden Zahlverfahren.

Ein potenzieller Nutzen allein für Zentralbanken rechtfertigt nicht die beträchtlichen Investitionen seitens der öffentlichen Hand, des Handels und der Kreditwirtschaft. Ohne deutliche Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger wird der digitale Euro auch nicht die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz entfalten.“

Auszug aus dem DK-Positionspapier

Wie es weitergeht

Möglicherweise spekulieren die deutschen Banken darauf, dass bei der Frage nach einem Zahlungsmittel bzw. Zahlverfahren, das es noch nicht gibt und das bislang kaum jemand im Detail kennt, niedrige Akzeptanzwerte ermittelt werden und damit das Verfahren zur Einführung des Digitalen Euro gebremst oder gar gestoppt wird.

Denn offensichtlich ist die Sorge groß, dass die Kunden sowohl bei den Anlagen als auch bei den Transaktionen auf die digitale Zentralbankwährung ausweichen und damit die Erlöse der Finanzdienstleister schmälern – oder diese sogar in Existenznöte bringen. Darauf deuten Forderungen wie Verzinsungsverbot und die Ablehnung von kostenlosen Basis-Services hin.

Aber die DK weist auch explizit darauf hin, dass sie in diesem Zusammenhang die Rolle der EZB problematisch sieht. Es sei schon schwierig, dass diese zum einen als „unabhängige“ Instanz agiere, zum anderen aber gleichzeitig als Aufsichtsorgan des Finanzwesens. Mit dem Digitalen Euro in der geplanten Form käme nun eine weitere Rolle hinzu – die in direktem Wettbewerb zu Banken und Finanzdienstleistern stehe. Die vorgesehene Rollenverteilung zwischen Kreditinstituten, anderen Zahlungsdienstleistern und EZB stelle letztendlich sogar eine Gefahr für die marktwirtschaftliche Ordnung dar, argumentieren die Bankenvertreter.

Bei der EU-Kommission wird man die bis zum Stichtag 8. September eingereichten Bedenken sammeln und bewerten. Im Oktober soll es dann eine Entscheidung darüber geben, wie es weitergeht. Eventuell werden noch Änderungen vorgenommen. Dann aber soll es eine zwei- bis dreijährige Testphase geben, um Probleme und Auswirkungen zu erforschen. Die Einführung soll dann in zwei Schritten erfolgen: Zunächst für den digitalen Zahlungsverkehr, im zweiten Schritt auch im stationären Handel, am Point-of-Sale. Wann es so weit ist, bleibt allerdings derzeit noch offen. hj

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