Digitalisierung in der Versicherungsbranche: Diese 5 Technologien treiben den Wandel
Risikoscheu, traditionsbewusst, rückständig – die Versicherungsbranche gilt allgemein als eher zurückhaltend, wenn es um Technologien und Innovationen geht. Und dennoch wirkt die digitale Transformation längst auf alle Parteien – von den Erst- und Rückversicherern bis hin zu den Maklern. Angetrieben wird sie von technologischen Entwicklungen und InsurTechs, die diese bereits gezielt einsetzen. Versicherer müssen jetzt handeln, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.
von Carolin Kröger, Principal Corporate Innovation etventure
Einerseits sind da die InsurTechs – innovative Startups, die sich ebenso als Technologie- wie Versicherungsunternehmen definieren und mithilfe unkonventioneller Methoden digitale Geschäftsmodelle entwickeln. Sie arbeiten kundenzentriert und rücken das Grundprinzip einer Versicherung – die kollektive Absicherung von Risiken – wieder in den Fokus ihrer Aktivitäten. Sie arbeiten nicht nur mit großen Versicherungen zusammen, sondern erwerben zunehmend auch eigene Versicherungslizenzen.In den USA ist der Newcomer Lemonade bereits sehr erfolgreich und auch in Deutschland wird immer mehr in Startups wie Ottonova oder Coya investiert. Für traditionelle Versicherer sind diese digitalen Player eine ernstzunehmende Gefahr – auch wenn sie vielfach noch nicht als solche wahrgenommen wird.”
Digitalisierung = Erneuerung der IT?
Gleichzeitig ändert sich das Kundenverhalten: Die Generation der Zukunft stellt andere, meist höhere Ansprüche an Versicherer, die ihre Produkte und Services an diese neuen Anforderungen anpassen müssen. Doch die klare Ausrichtung auf den Kunden ist vielen Versicherern fremd. Zusätzlich haben fast alle Versicherungsunternehmen mit veralteter IT zu kämpfen. Die vermeintlich perfekte Lösung liegt schnell auf der Hand und so werden große Teile des Digitalisierungsbudgets in die Erneuerung der IT-Landschaft gesteckt.
Der Fokus liegt meist auf der Automatisierung und Verschlankung bestehender Prozesse oder der Anpassung des Kerngeschäfts an regulative Anforderungen. Nur selten werden die Ressourcen in Technologien für innovative Produkte oder Services investiert.”
Technologien: Von innen nach außen – die Effizienzfalle
Viele Versicherungen tappen hier in eine Effizienzfalle. Sie arbeiten von innen nach außen, das heißt sie investieren in das eigene Unternehmen statt in den Kunden. Letztendlich wird aber genau dessen Zufriedenheit entscheiden, ob ein Unternehmen langfristig erfolgreich sein kann. Deshalb muss genau umgekehrt gedacht werden – von außen nach innen.
Wenn traditionelle Versicherungsunternehmen in Konkurrenz zu InsurTechs, digitalen Startups und Disruptoren überleben wollen, muss ein Großteil ihres Digitalisierungsbudgets in die Verbesserung des Kundenerlebnisses fließen.”
Folgende fünf Trends und Technologien werden dabei entscheidend sein:
1. Internet of Things (IoT)
Im Internet of Things (IoT) kommunizieren intelligente Gegenstände, Prozesse und Dienstleistungen über M2M-Kommunikation (Machine-to-Machine) miteinander. Der Mensch ist zwar Teil dieses Netzwerks, die virtuellen und physischen Objekte können jedoch auch selbstständig auf bestimmte Situationen reagieren. Im Versicherungsbereich werden die Potenziale des IoT insbesondere im Bereich Car Telematics bereits ausgeschöpft. Vor allem in Großbritannien und den USA nutzen Versicherer die Vorteile des Connected Cars, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und gleichzeitig das Unfallrisiko zu senken. Sensoren sammeln kontinuierlich Daten über das Fahrverhalten der Versicherten wie etwa Geschwindigkeit, Beschleunigung oder Abstand und spielen sie an die Versicherung zurück. Diese belohnt besonders risikoarme Fahrer mit gesenkten Beitragssätzen oder Prämien.
2. Wearables
Smartwatches, Datenbrillen, Blutzucker-Messgeräte, Fitness-Tracker – Geräte wie diese sind aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Für Nutzer meist nur ein hilfreiches Gadget zur Unterstützung eines gesunden und sportlichen Lebensstils, zeichnen sie präzise und in Echtzeit eine große Menge wertvoller Gesundheitsdaten und Verhaltensmuster auf. Für Versicherungen werden solche Geräte zu einer wichtigen Datenquelle, die ihnen die Bedürfnisse und Gewohnheiten ihrer Kunden näherbringt und ihnen hilft, ihre Produkte und Services daran auszurichten.
3. Smart Data
Big Data ist Vergangenheit: Die Datenmengen waren enorm, der Mehrwert jedoch gering, da zunehmend Unklarheit darüber herrschte, welcher Datensatz tatsächlich wertvoll war und welcher nicht. Die Zukunft ist smart: Nun geht es nicht mehr nur um die Analyse der Vergangenheitsdaten, sondern vor allem darum, Vorhersagen über die Zukunft zu treffen. Für Versicherungsunternehmen wird dies zu einer Kernkompetenz, die die Arbeit des Aktuariats, des Underwritings und des Schadensmanagements von Grund auf verändern wird.
4. Künstliche Intelligenz
Um Daten wirklich smart zu machen und Vorhersagen über die Zukunft zu treffen, kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Sie wird vor allem das Underwriting von Risiken revolutionieren. Während die Risikoprüfung bislang fast ausschließlich auf Erfahrungswerten basierte, lassen sich mithilfe Künstlicher Intelligenz und Predictive Risk Management auch neuartige Risiken besser vorhersagen und einschätzen. Versicherungsunternehmen können so nicht nur ihre Schadensquoten und Betrugsrisiken reduzieren, sondern auch die Zufriedenheit ihrer Kunden steigern oder potenzielle Neukunden besser ansprechen. Traditionelle Versicherer arbeiten hier bereits mit Startups zusammen. So hat etwa der Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Speciality SE (AGCS) das amerikanische InsurTech Praedicat mit ins Boot geholt. Mithilfe selbstlernender Programme scannt Praedicat in Peer Reviews überprüfte wissenschaftliche Veröffentlichungen und ermittelt so, mit welcher Wahrscheinlichkeit Chemikalien, Substanzen oder Produkte zu Schadenersatzforderungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen führen könnten. Kombiniert mit dem traditionell erfahrungsbasierten Underwriting der AGCS können Haftungsrisiken mit Großschadenpotenzial so in Zukunft früher erkannt werden.
5. Blockchain
Die aktuell heiß diskutierte Blockchain-Technologie bietet auch Versicherungsunternehmen unzählige Möglichkeiten, die noch lange nicht ausgeschöpft sind. Player wie die Allianz und die Münchner Rück haben sich bereits mit anderen Unternehmen zur Initiative B3i zusammengeschlossen, um gemeinsam an Blockchain-getriebenen Projekten zu arbeiten. Blockchain ist die Grundlage innovativer Versicherungsmodelle wie Peer-to-Peer, beugt Betrug vor und trägt durch die Anonymisierung der Nutzer zum Datenschutz bei. Transaktionen werden digital ausgeführt und dezentral gespeichert. Die Blockchain schafft Sicherheit und Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien und ersetzt damit klassische Prüfungs- oder Clearingstellen im Underwriting, Schadensmanagement und Vertrieb. Bisher kommt Blockchain vor allem bei Smart Contracts zum Einsatz. Diese digitalen Verträge greifen automatisch, wenn bestimmte Bedingungen wie vorher definierte Schlüsselereignisse oder Trigger erfüllt sind. Smart Contracts können beispielsweise automatisiert die Datenbanken des Deutschen Wetterdienstes abfragen, um zu bestimmen, ob an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ein Sturm war. Ganz ohne menschliches Zutun können sie automatisiert die Abwicklung des eingetretenen Schadensfalls vornehmen.
Die digitale Transformation hat in vielen Branchen bereits zur Disruption geführt – der Versicherungsbranche steht dies noch bevor.”
Lange galten die großen Traditionsunternehmen als unantastbar und haben sich allein auf ihre Marktmacht verlassen. Doch auch sie müssen sich Technologien wie Blockchain, Smart Data und das IoT zu eigen machen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn sie nicht abgehängt werden wollen, müssen Versicherer handeln – und zwar sofort.aj
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