Digitale Transformation: Herausforderung der Finanzbranche – Prof. Wuermeling, Deutsche Bundesbank
Am 19. Februar sprach Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, bei der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union in Brüssel über die Chancen und Risiken durch die digitale Transformation im europäischen Kontext und den Standpunkt der Bundesbank dazu. Eine Zusammenfassung seiner Rede.
von Professor Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Wie tiefgreifend die Digitalisierung unser Leben und unser Wirtschaftssystem schon verändert hat und weiter verändern wird, lässt sich heute schon erahnen. Viele Entwicklungen, die heute noch wenig sichtbar und allmählich stattfinden, sind Teil eines großen Umbruchs. Mir ist das Thema digitale Transformation wichtig, weil ich im Rahmen meiner Aufgaben bei der Bundesbank häufig und in vielen Bereichen damit konfrontiert bin. Nicht zuletzt in der Bankenaufsicht, für die ich seit 2018 zuständig bin.Digitalisierung ist kein fernes Zukunftsszenario, sondern passiert jetzt. Und es liegt an uns, diesen Übergang, der von manchen auch als vierte industrielle Revolution bezeichnet wird, mitzugestalten.”
Es ist wichtig zu verstehen, was die Digitalisierung für Banken bedeutet und welche Auswirkungen sie auf das gesamte Finanzsystem haben kann. Wir als Bundesbank sind angehalten, unsere Aufgaben möglichst effizient und mit hoher Qualität zu erfüllen. Wir sollten die Digitalisierung daher auch selbst nutzen, um unsere Aufgaben noch besser zu erfüllen.
Chancen der digitalen Transformation im Finanzsektor nutzen
Die digitale Transformation des Finanzsektors wirkt sich bereits auf unseren Alltag aus. Schon heute können Touristen aus den USA und China mit ihren heimischen mobilen Bezahlverfahren in Europa bequem bezahlen, ohne dass es ein vergleichbares europäisches Angebot gibt. Die Digitalisierung verändert die Märkte und vor allem Länder wie die USA oder China gestalten diese Entwicklung maßgeblich mit. Wir in Europa sind gefragt, welche Rolle wir dabei spielen wollen.
Die Effizienz an den Märkten kann sich weiter erhöhen, weil Informationen immer schneller ausgetauscht werden können. Märkte können infolge der Digitalisierung auch internationaler werden: Durch länderübergreifende Regelungen ist gerade Europa ein hervorragendes Beispiel für das Zusammenwachsen unterschiedlicher Märkte. Zu dieser Integration leisten auch die Finanzmarktinfrastrukturen des Eurosystems wie Target2 und Target2 Securities einen wichtigen Beitrag.
Heute macht es keinen Unterschied mehr, ob sie einen Geldbetrag an ihren Nachbarn überweisen oder an einen Bekannten in Portugal.”
Der Wettbewerb auf den Finanzmärkten nimmt durch die Digitalisierung zu. Innovative Ideen und neue Dienstleistungsangebote drängen auf den Markt. Für den Endkunden wird damit eine höhere Qualität zu niedrigeren Preisen in Aussicht gestellt.
Die Chancen der Digitalisierung zeigen sich aber nicht nur in den Märkten, sondern auch bei einzelnen Entscheidungen. Mit Hilfe von Algorithmen können Fehlerquellen in Entscheidungsprozessen besser kontrolliert werden. Banken können mehr Informationen in Entscheidungen einfließen lassen und diese auch objektiver auswerten. Menschen, egal wie gut sie geschult sind, unterliegen systematischen psychologischen Verzerrungen. Sinnvoll programmierte Algorithmen können dieses Problem lösen und dazu beitragen, effizientere Entscheidungen zu treffen.
Risiken der Digitalisierung verstehen
Auch die Risiken im Zusammenhang mit der Digitalisierung haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. So sind Fehler in der Software für sich genommen bereits ernstzunehmende Risiken, aber auch Mitarbeiter können Fehler verursachen. Menschen haben immer einen Einfluss auf IT-Systeme. Interne Kontrollsysteme sollen helfen, menschliche Fehler weitgehend auszuschließen. Die Risiken der Digitalisierung werden aber auch im Jahr 2019 und darüber hinaus eine Herausforderung bleiben.
Solange sich digitale Angebote, Hard- und Software ständig weiterentwickeln und die Komplexität von Prozessen und Software zunimmt, wird es Menschen geben, die diese Schwachstellen ausnutzen und Technik, die störanfällig ist. IT-Risiken werden daher ein Dauerthema bleiben.”
Die Aufsicht hat in den vergangenen Jahren auf die gestiegene Bedeutung IT-bezogener Risiken reagiert und ihre Anforderungen an die IT-Sicherheit weiter spezifiziert. Jede Spezifikation hat aber ihre Grenzen. Darüber hinaus steht die grundsätzliche Frage im Raum: Ist die Regulierung insgesamt noch adäquat für das digitale Zeitalter?
Neue Unternehmen sind in den Markt gekommen – wir reden hier meist von FinTechs und BigTechs –, die oft einzelne Prozessschritte einer Bankdienstleistung oder technische Hilfeleistungen in Kooperation mit Banken anbieten. Daneben verändern auch innovative Technologien die Art, wie Bankgeschäfte betrieben werden. Bankgeschäfte werden mobiler, bequemer, schneller. Ist der Rechtsrahmen künftig noch angemessen angesichts dieser Veränderungen? Schließlich könnten sich die Risiken für das Finanzsystem ebenso verändern und verschieben.
Es hat sich gezeigt, dass die Regulierung erst im Nachgang einer Krise auf neue Problemfelder reagiert hat und entsprechend angepasst und verschärft wurde. Die Regulierung ist also geneigt, den tatsächlichen Risikoverschiebungen hinterherzuhinken. Erfreulicherweise hat sich der Regulierungsrahmen angesichts der digitalen Dynamik bisher sehr robust gezeigt.
Reguliert werden bestimmte Arten von Finanzdienstleistungen, unabhängig davon, von welchem Unternehmen sie angeboten werden. Es spielt daher zu Recht keine Rolle, ob ein Unternehmen das Label „FinTech“, „BigTech“ oder „klassische Bank“ trägt – und welche Technologien es einsetzt. Entscheidend sind das konkrete Geschäftsmodell und die damit verbundenen Risiken für das Finanzsystem. Mit diesem Ansatz haben wir einen klaren und bewährten Rahmen geschaffen.
Es gibt aber noch offene Fragen, was den geeigneten Regulierungsrahmen bei Innovationen im Finanzbereich angeht. Etwa welches Wissen über die neuen Technologien und externen Kooperationspartner Aufseher künftig benötigen werden oder wie ein ausreichender Überblick über die neuen IT-Risiken gewährleistet werden kann.
Die europäische Perspektive
Die Herausforderung ist, zwischen den Chancen und Risiken der digitalen Transformation eine gute Balance zu finden. Digitalisierung ist eine Chance für Europa, deshalb sollten wir auch bei den Risiken europäisch denken. In Europa gibt es bereits regulatorische Neuerungen, die die Grenzen zwischen Banken und neuen Anbietern wie FinTechs und BigTechs verschwimmen lassen. Die PSD2 verpflichtet Banken, eine Schnittstelle für Drittanbieter von Finanzdienstleistungen zu öffnen. So können sich beispielsweise FinTechs mit innovativen Bezahlverfahren zwischen Kunde und Bank schalten. Banken können sich aber genauso wie die neuen Drittanbieter die Schnittstellen zunutze machen und entsprechende Dienstleistungen entwickeln.
Die bankaufsichtlichen Regeln behandeln jedes Unternehmen gleich. Man kann also nicht von einem regulatorischen Vorteil für bestimmte Unternehmen sprechen.”
Ein anderes Thema ist der Datenschutz. Bank- und Zahlungsdaten sind sehr sensible Informationen, die als besonders schützenswert gelten. Wenn wir den europäischen Banken Auflagen erteilen, wie sie diese Daten behandeln sollen, müssen wir auch sicherstellen, dass andere Unternehmen genauso verantwortungsvoll mit diesen Daten umgehen.
Digitale Transformation fördern und begleiten
Die Digitalisierung ist dabei, die Finanzmärkte grundlegend zu verändern. Wir können diese Entwicklungen fördern und begleiten,
1. indem wir uns in einem breiten und offenen Denkansatz mit der Digitalisierung auseinandersetzen;2. indem wir das Bewusstsein dafür erhöhen, dass sich Risiken jederzeit ändern und verschieben können, und
3. indem wir ein Rahmenwerk für künftige Entwicklungen schaffen, das mögliche Chancen nicht einschränkt und gleichzeitig den neuen Risiken gerecht wird.
Ich bin überzeugt, dass unser europäisches Finanzsystem dazu in der Lage ist und diese Herausforderung meistern kann. So können wir den Weg bereiten, die digitale Transformation in Europa zu einem Erfolg zu machen.
Die vollständige Rede können Sie hier nachlesen.pp
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