Die Frage nach der Zukunft des Bargeldes – Rede von Burkhard Balz
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Deutsche Bundesbank
von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Bargeld ist für unsere gesamte Gesellschaft von großer Bedeutung. Vor 13 Jahren fand das erste Bargeldsymposium statt. Seit damals gibt und gab es viele Entwicklungen im Zahlungsverkehr und immer wieder neue Themen und Herausforderungen. Die grundsätzliche Haltung der Bundesbank ist jedoch, über all die Jahre hinweg, unverändert geblieben. Bargeld ist und bleibt unser physisches Kernprodukt. Wir möchten, dass es allen Bürgerinnen und Bürgern als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel zur Verfügung steht.Eine Frage hat uns auf unseren Bargeldsymposien immer wieder beschäftigt: Die Frage nach der Zukunft des Bargeldes. Die Zukunft konkreter vorherzusagen, fiel immer schwer. Dennoch haben wir es in der Bundesbank in der Zwischenzeit gewagt, mit erfahrenen Partnern an unserer Seite einen systematischen Blick auf die Zukunft des Bargeldes zu werfen. Dazu haben wir vor rund einem Jahr die Studie „Bargeld der Zukunft“ veröffentlicht.
Bargeld heute: Geschätzt und genutzt
Die Entwicklung ist eindeutig: Bargeld wird mit abnehmender Häufigkeit zum Bezahlen verwendet. Im Jahr 2023 wurden 51 % aller Transaktionen bar beglichen. Bezogen auf den Wert der Transaktionen machte das 26 % des Umsatzes aus. Seit Beginn unserer Studienreihe beobachten wir einen kontinuierlichen Rückgang dieser Anteile, der sich seit der Corona-Pandemie noch beschleunigt hat.
Denken Sie an die zahlreichen Hinweise und Durchsagen, die uns während dieser Zeit aufforderten, aus hygienischen Gründen kontaktlos zu bezahlen. Aufforderungen, die sich recht schnell als überzogen herausgestellt haben: Untersuchungen haben gezeigt, dass der Umgang mit Euro-Bargeld kein gesteigertes Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus mit sich bringt.
Gleichzeitig sehen wir in unserer Studienreihe erste Anzeichen dafür, dass der Zugang zu Bargeld aufwändiger wird. Während 2021 nur 6 % der Befragten den Zugang zu Geldautomaten oder Bankfilialen als schwierig empfanden, ist dieser Anteil inzwischen auf 15 % gestiegen. Dass sich dieser Anteil innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt hat, sollte uns zu denken geben.
Auch die Akzeptanz von Bargeld an physischen Zahlungsorten ist rückläufig. In 94 % der Fälle wurde hier Bargeld akzeptiert. Zwei Jahre zuvor lag dieser Wert noch bei 97 %. Besonders auffällig ist die geringe Akzeptanz bei Behörden und Ämtern.
Der Wunsch nach Bargeld als Bezahloption bleibt in großen Teilen der Gesellschaft bestehen. Für mehr als zwei Drittel der Befragten ist die Möglichkeit wichtig, Bargeld zu nutzen. Über 70 % der Menschen in Deutschland wünschen sich für die Zukunft eine Nutzung wie bisher oder sogar eine wieder stärkere Nutzung von Bargeld. Zudem dient es nicht nur als Zahlungs-, sondern auch als Wertaufbewahrungsmittel.
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland möchte frei zwischen Bargeld und unbaren Bezahlverfahren wählen. Und auch in Zukunft sollte jede und jeder für sich selbst entscheiden können, wie er oder sie bezahlen möchte. Niemandem sollte durch mangelnden Zugang zu der gewünschten Zahlungsoption oder aufgrund fehlender Akzeptanz in den Zahlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden.”
Laut Studie „Kosten von Bargeld und Kartenzahlungen aus Verbrauchersicht“ bezahlen Verbraucher in Deutschland am günstigsten mit Bargeld oder der Debitkarte. Es steht also ein unbares Zahlungsmittel zur Verfügung, das ähnlich günstig ist.
Bargeld hat auch für die Gesellschaft einen besonderen Stellenwert. Eine komplett bargeldlose Gesellschaft würde den Alltag vieler Menschen erschweren und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigen. Bargeld kann zudem bei technischen Ausfällen, in Krisen oder während hybrider Bedrohungslagen genutzt werden.
Länder wie Schweden und die Niederlande entdecken die Bedeutung von Bargeld neu und setzen wieder verstärkt darauf.
Der Blick in die Zukunft
Bargeld wird auch weiterhin ein Thema für uns sein. Wie die Rahmenbedingungen dafür konkret aussehen könnten, beschreibt unsere Studie „Bargeld der Zukunft“ anhand von drei Szenarien.
Der Zeithorizont der Studie betrug 15 Jahre, so dass wir die Welt im Jahr 2037 betrachten. Die Szenarien sind ausdrücklich keine Prognosen mit einer bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern sie sind als mögliche Zukunftsbilder zu verstehen.
Unser erstes Szenario „Die hyperdigitale Bezahlwelt“ beschreibt eine stark digitalisierte Zukunft, in der das Bargeld weitgehend aus unserem Alltag verschwunden ist. Nur noch 15 % aller Transaktionen werden bar abgewickelt.
Im zweiten Szenario „Die Bezahlwelt in der Bargeld-Renaissance“ erleben wir eine teilweise Rückbesinnung auf Bargeld und dessen Vorteile. Bargeld steht für Autonomie, Unabhängigkeit und stellenweise sogar für eine rebellische Haltung gegenüber der zunehmenden Digitalisierung. Bargeld wird für viele zum Lifestyle-Produkt, das sie bewusst nutzen. Die Bargeldnutzung nimmt zunächst zwar noch ab, stabilisiert sich dann aber weitestgehend.
Das dritte Szenario „Die verschwindende hybride Bezahlwelt“ beschreibt eine Welt, in der verschiedene Zahlungsmittel nebeneinander existieren, Bargeld aber langsam an Bedeutung verliert. Insgesamt sinkt der Anteil der Barzahlungen auf etwa 30 %. Akzeptanz und Zugang zu Bargeld nehmen in diesem Szenario schleichend ab.
Was lernen wir aus diesen Szenarien? Der Erhalt des Bargeldes ist kein Selbstläufer. In zwei der drei Szenarien bewegen sich Nutzung, Zugang und Akzeptanz auf einem deutlich niedrigeren Niveau als heute. Damit wäre die Wahlfreiheit praktisch nicht gegeben und die Stabilisierungsfunktion von Bargeld in Krisenzeiten gefährdet.
Die Zukunft gemeinsam gestalten
Die Szenarien zeigen uns, wo wir ansetzen können, um die Zukunft selbst zu gestalten: Um die Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr zu gewährleisten, müssen der Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld erhalten bleiben.
Für die Bundesbank ist und bleibt Bargeld das physische Kernprodukt. Daher engagiert sich die Bundesbank aktiv für das Bargeld, das zukünftig um den digitalen Euro ergänzt werden könnte. Ein digitaler Euro wird zudem die europäische Autonomie stärken. Dabei sehe ich Bargeld und den digitalen Euro nicht als Konkurrenten, sondern vielmehr als sinnvolle Ergänzung zueinander.
Außerdem arbeitet das Eurosystem an einer neuen Euro-Banknotenserie. Sie soll noch sicherer und nachhaltiger werden und so den Anforderungen einer modernen Gesellschaft gerecht werden. Der EZB-Rat hat in der vergangenen Woche die möglichen Motive der neuen Banknoten ausgewählt und sich für die Themen „Europäische Kultur: Gemeinsame Kulturstätten“ sowie „Flüsse und Vögel: Stark durch Vielfalt“ entschieden. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Euro-Banknoten für unsere gemeinsame und vielfältige europäische Identität.
Es liegt an uns allen, die vielfältige Zahlungslandschaft zu erhalten, Bargeld und bargeldlose Zahlungsmethoden als Alternativen zueinander zu bewahren und gleichzeitig deren individuelle Vorteile zu nutzen.”
Wir können dies nicht alleine bewerkstelligen. Auch Wirtschaft, Politik und Gesellschaft müssen ihren Beitrag leisten. Anderenfalls könnten über kurz oder lang regulatorische Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung der Bargeldinfrastruktur in Deutschland notwendig werden, wenn die Wahlfreiheit zwischen Bargeld und unbaren Zahlungsmitteln erhalten bleiben soll.
Daher haben wir im vergangenen Jahr das Nationale Bargeldforum ins Leben gerufen. Dazu gehören unter anderem Verbände der Kreditwirtschaft, des Einzelhandels, des Verbraucherschutzes, der Geld- und Wertdienstleistungsbranche und der Automatenbetreiber. Das gemeinsame Ziel ist es, den Bargeldkreislauf in Deutschland noch effizienter und sicherer zu gestalten und dazu beizutragen, Bargeld als attraktives und weit verbreitetes Zahlungsmittel zu erhalten.
Auch die Bundesbank muss auf die sich verändernden Rahmenbedingungen reagieren. Im vergangenen Jahr haben wir daher eine Konsolidierung unserer Filialen beschlossen. Wir werden an vier logistisch günstigen Standorten neue Filialen errichten, in denen die Bargeldbearbeitung künftig noch effizienter erfolgen wird. Damit setzen wir unsere Investitionen in ein modernes Filialnetz fort.
Letztlich liegt es an uns allen, dass wir auch in Zukunft weiter mit Banknoten und Münzen bezahlen können. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Bargeld in einer zunehmend digitalisierten Welt seinen bewährten Platz behält.pp
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