Warum warten? Die digitale Transformation der Banken ist überfällig
Die digitale Transformation der Banken ist längst überfällig. Studien aus 2014 belegen, dass das Onlinebanking mit 65 % Nutzung dem klassischen Filialgeschäft (16 %) bereits den Rang abgelaufen hat – dicht gefolgt vom mobilen Banking mit bereits starken 13% Nutzung. Seit vielen Jahren sind Themen der Digitalisierung im Bankenbereich in aller Munde, diese stehen auf jeder Tagesagenda und sind aus keiner strategischen Planung von Bankhäusern wegzudenken. Wie sieht der tatsächliche Stand heute aus? Ein Kommentar von Jan Webering, Gründer und Geschäftsführer von Sevenval Technologies.
Ein kundenfreundliches Webangebot, das für die abwechselnde Nutzung von Smartphones, Tablets und Desktop-Rechnern optimiert wurde, ist in der Bankenbranche kaum zu finden. Google hat belegt, dass 90 Prozent aller Internetnutzer mehrmals täglich das Gerät wechseln, um eine Aufgabe abzuschließen. Die Studie dazu stammt aus 2012. Man sieht schon, dass die Banken, einstige Vorreiter der Online-Services, seitdem reagiert haben. Aber sind die Apps, m-Dot-Seiten oder hybride Lösungen, die erstellt wurden, wirklich zukunftsorientiert? Oder werden sie zumindest der aktuellen mobilen Nutzersituationen tatsächlich gerecht?
Sind die Spitzentechnologien
für digitale Services überhaupt im Einsatz?
Die Web-Technologie ist bereits über die Phase der diversen Kanäle hinaus und bietet Lösungen, die alle Geräte voll responsiv und sehr performant über eine Webadresse bedienen können. Diese One-Web-Plattformen werden im Online-Handel bereits erfolgreich eingesetzt. Diese Plattformen sind einem Sammelsurium an Apps, Mobile Sites und Desktop-Versionen in vielen Punkten überlegen. One-Web-Plattformen ermöglichen eine konsistente Benutzerführung, unterstützen die Suchmaschinen-Optimierung, senken die Betriebskosten und sind leichter aktuell zu halten.
Re-Design ist keine Digitalstrategie
Bankenseitig wird die Digitalisierung oftmals lediglich mit einem neuen Anstrich der digitalen Ausgabekanäle (Website – Apps, Intranets, Kundenportale, Bankingportale etc.) assoziiert. Der Fokus liegt auf dem Design. Vorteile des aktuellen, technologischen Reifegrades der Webtechnologie wie Flexibilität, Skalierbarkeit, Geschwindigkeit und die Möglichkeit eine nachhaltige, zukunftssichere Plattform zu schaffen, werden von den Wenigsten genutzt.
Nur wenige Bankhäuser und Finanzdienstleister sind bereit, neben einem neuen Anstrich ihrer digitalen Ausgabekanäle eine gezielte Überarbeitung und Optimierung ihres digitalen Geschäftsmodells vorzunehmen. Die Nutzung von Cross-Selling und Up-Selling Potentialen, die für jedes Start-up zum Standard gehören, liegen hier brach.
Die Digital-Strategie braucht interdisziplinäres Denken
Bankhäuser, die das Thema “Digitalisierung” in voller Bandbreite umgesetzt haben, erfahren Kundenzuwächse im zweistelligen Prozentbereich. Der Erfolg erwächst aus der Nutzerorientierung und entsteht meistens dort wo IT- und Marketing-Abteilungen tatsächlich kooperativ und teamübergreifend zusammen arbeiten. Wer an Apple denkt, weiß wie erfolgreich ein gelungenes Zusammenspiel von Marketing, Design und Technologie sein kann.
Außer Frage steht, dass aufgrund umfangreicher gesetzlicher Vorgaben und Richtlinien es Banken nicht einfach haben, das Thema „Digitalisierung“ umzusetzen. Die teilweise über Jahre gewachsene IT-Landschaft, vor allem im Backend, wird nur ungern modernisiert – schließlich war die Umsetzung unter Beachtung strengster Datenschutz- und Sicherheitsauflagen nicht einfach. Es ist nachvollziehbar, dass IT-Verantwortliche sich sträuben, Backend-Systeme, die diese Hürde genommen haben, zu verändern.
Doch die richtigen Tools, um mit solchen Legacy-Systemen bei der Modernisierung der Online-Präsenz umzugehen, gibt es bereits. Dabei wird in der Regel eine Middleware eingeführt, die es ermöglicht, das Frontend zu erneuern ohne das Backend zu gefährden.
Werden Banken zu Transaktions-Providern ohne Kundenkontakt?
Eine halbherzige Umsetzung von Digitalisierungsprozessen wird die Banken im Wettbewerb auf Dauer sehr schwächen, denn es sind junge FinTech-Unternehmen, die die neuesten technischen Möglichkeiten sehr kundenorientiert umsetzen und sich am Markt behaupten. Diese brauchen in der Regel eine Bank als Partner, weil die gesetzlichen Auflagen einen eigenen Auftritt als Bank erschweren. Da sie jedoch den Kontakt zum Kunden übernehmen, besteht die Gefahr, dass Banken zu Transaktions-Providern ohne Kundenkontakt degradiert werden. Das ist heute noch nicht Realität, aber ein strategisches Problem.
Zwei Lösungen sind denkbar: Von Apple oder Microsoft lernen
Wären die deutschen Banken wie Microsoft, würden sie die Marktbegleiter beobachten und sich dann bemühen, im Preis/Leistungsvergleich den aktuell besten, digitalen Service für mobile Kunden anzubieten. Ein Beispiel ist die INGDiba, die ohne Filialnetz auskommt und gebührenfreies Geldabheben anbietet.
Wären sie Apple, würden sie überlegen, welche Produkte populär sind und gebraucht werden, sobald die digitale Transformation abgeschlossen ist. Sie würden also ein Geschäftsmodell entwickeln, dessen technologische Grundlagen heute noch nicht ausgereift sind. Das könnte ein Service sein, der das bargeldlose Leben wirklich überall möglich macht sowie jede Form des Zahlungsverkehrs vereinheitlicht und mit dem gleichen, sehr intuitiven Prozess abbildet.
Chancen und Risiken der Digitalen Transformation
Nur bei wenigen Beispielen deutscher Banken ist ein wirklicher Innovationswille zu erkennen. Dabei ist nicht zu verkennen, dass aktuell akzeptierte Vertriebskanäle und Geschäftsprozesse sich innerhalb kürzester Zeit so verändern können, dass die heutigen Geschäftsmodelle der Banken rasant unakzeptabel oder unattraktiv für Konsumenten werden können. Dies ist eine Erfahrung, die die Musikbranche sowie die Medien- und einige Handelsunternehmen schon gemacht haben. Viele Industrien mussten sich durch neue Konsumentenverhalten und neue Techniken neu erfinden. Dazu passt ein Zitat von einem Banker:
Das Pferd wird es immer geben, Automobile hingegen
sind lediglich eine vorübergehende Modeerscheinung.”
Der Präsident der Michigan Savings Bank, 1903 aj
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