Die neue Denkweise der Banken: Der Kunde ist wieder König, denn ‘Digital’ bedeutet Demokratie
Im Zuge der Digitalisierung werden traditionelle Banken zunehmend von FinTechs herausgefordert. Dabei ist die Entwicklung flexibler, kundenorientierter Angebote kein Hexenwerk. Auf Basis geeigneter Daten und in Zusammenarbeit mit Start-ups können IT-Verantwortliche gemeinsam mit Fachabteilungen neue Apps konzipieren, um das Business zu unterstützen. Der Kommentar
von Rahul Singh, Präsident HCL
Bill Gates sagte bereits 1994 seinen berühmten Satz: „Bankdienste sind notwendig, Banken nicht.“ Aus heutiger Sicht klingt dies durchaus prophetisch. Aber wahrscheinlich konnte er damals schon einen genaueren Blick als der Normalbürger darauf werfen, was Banken für ihre Kunden tun – und was sie tun sollten.Während sich Banken damals vor allem darauf konzentrierten, das Geld ihrer Kunden sicher zu investieren, suchten diese häufig auch schon nach Kaufempfehlungen auf Basis ihres Einkommens – oder Reiseberatung zusammen mit einem kurzfristigen Darlehen für einen erholsamen Sommerurlaub – oder eine bessere Möglichkeit, die laufenden Ausgaben im Griff zu behalten.
In der heutigen Zeit sind sinkende Netto-Einkommen oft die Regel. Daher ist die Verschuldung der privaten Haushalte ein gutes Beispiel dafür, was Banken auf Basis digitaler Systeme tun könnten, um interessantere Dienstleistungen anzubieten und damit mehr Vertrauen ihrer Kunden zu gewinnen.”
Mit gutem Beispiel vorangehen
So hat etwa die Finanzaufsichtsbehörde in Norwegen kürzlich eine besorgniserregend hohe Verschuldung des Landes festgestellt und die Auswirkungen steigender Zinssätze untersucht. Die heute größte unabhängige Online-Bank in Skandinavien, Sbanken, verstand die Angst, die bei ihren Kunden möglicherweise dadurch entsteht. Sie entwickelte einen neuen Service, mit dem diese ihre Gesamtschulden ermitteln konnten.
Rahul, der seine Karriere 1986 bei der Citibank begann, ist Maschinenbauingenieur und hat einen MBA-Abschluss im Bereich Finance der Universität Mumbai, Indien.
„Automatisch genehmigte Verbraucherkredite und kurzfristige Kreditprodukte werden sofort auf dem Konto des Kunden zur Verfügung gestellt. … 2017 wurden etwa 90 Prozent der genehmigten Hypotheken und etwa 85 Prozent der genehmigten Automobil-Kredite automatisch genehmigt. Rund 65 Prozent der Hypotheken waren völlig papierlos, wobei die Kunden die digitale Signatur auf Basis ihrer BankID verwendeten.“
Mit diesen einfachen Angeboten zeigt Sbanken eine intelligente moderne Strategie für Bankdienstleistungen: Sie schaffen einzigartige Wertangebote und Beziehungen zum Kunden an jedem „Vertrauenspunkt“. So können auch andere Banken Dienstleistungen anbieten, die weit über das traditionelle Geschäft hinausgehen. Als Ergebnis erschließen sie neue Einnahmequellen und verbessern gleichzeitig die Kunden-Loyalität.
Vertrauen ist wichtig – das Beispiel der DenizBank
Ein kurzer Blick auf einige wichtige Innovationen im Bankwesen belegt den Trend, dass „Vertrauen vor Transaktionen“ geht. Die türkische DenizBank bildet dafür ein gutes Beispiel. In der Türkei stammen 10 Prozent des BIP aus der Landwirtschaft, wodurch diese Branche die wichtigste Zielgruppe der Bank ist. Die DenizBank bedient sie mit der Ausgabe von Karten, die zwischen Saat und Ernte keine Zinsen für Käufe berechnen. Denn in diesem Zeitraum müssen Landwirte viel investieren, ohne nennenswerte Einnahmen zu erhalten.
Die kundenorientierten Innovationen hören damit nicht auf. Im vergangenen Jahr ging die DenizBank über die Rolle einer traditionellen Bank hinaus und startete eine mobile App, mit der Landwirte Bilder und Videos ihrer Ernte an Landwirtschaftsexperten senden und ihnen Fragen stellen können. Die App liefert auch Informationen zu Preisen, Märkten und Wetter und fungiert als Plattform, auf der Landmaschinen ausgeliehen und gemietet werden können – quasi ein Uber für die Agrarindustrie. Die App hatte bereits im ersten Jahr 100.000 Nutzer. Dies beweist klar, dass sich interessante Zusatzangebote auszahlen.
Wer Kunden außergewöhnliche Lösungen bieten will, muss aber verstehen, dass sich ihr Leben und ihre Bedürfnisse schnell verändern. Das bedeutet: Die Angebote müssen über aktuelle Bedürfnisse hinausgehen und sich flexibel erweitern lassen. Schneller und günstiger Geldtransfer, einfachere P2P-Zahlungen, Steuerverwaltung, Verfügbarkeit über eine Social-Media-Plattform oder Chat-Anwendung – das sind alles mögliche Maßnahmen für Banken, damit sie für Kunden und ihre sich ändernden Bedürfnisse relevant bleiben.
Digital bedeutet Demokratie
Künftig dürfte auch Banking-as-a-Service (BaaS) mit Partnern wie Google, Facebook, Apple, Amazon oder WhatsApp immer wichtiger werden. Schließlich kennen große IT-Unternehmen – aber auch kleine Lebensmittelgeschäfte oder Familienbetriebe – ihre Kunden besser als Banken. Viele dieser Firmen besitzen aussagekräftige Daten über ihre Kunden, die sich nutzen lassen, um personalisierte und aktuell relevante Bankdienstleistungen anzubieten.
Dabei ist zu beachten, dass diese Unternehmen meist nicht über die erforderliche Fachkompetenz verfügen, um die Finanzmärkte, das regulatorische Umfeld und die Rentabilitätsmodelle von Finanzinstrumenten zu verstehen. Bis 2034 werden vereinfachte Technologien dazu führen, dass BaaS einen Wendepunkt erreicht. FinTechs wie SolarisBank und Fidor haben bereits Banking-Plattformen auf den Markt gebracht und bewiesen, dass im Prinzip jede Firma innerhalb weniger Wochen eine neue Bank aufbauen kann – auch ohne Erfahrung im Finanzwesen.
Dies zeigt erneut, dass sich die Welt verändert. Um weiterhin erfolgreich zu sein, müssen Banken ihr Wissen und ihre Netzwerke mit denen ihrer FinTech-Partner kombinieren und Technologieplattformen aufbauen, die das Bankwesen demokratisieren. In einer digitalen Welt können sich Banken nur dann im Wettbewerb behaupten, wenn sie ihre Systeme für Partner öffnen und ihren Kunden neue Finanzdienstleistungen bieten. Sonst wird es jemand anderes tun.aj
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