Das Scheitern von Yomo: Sparkassen ziehen beim Smartphone-Konto den Stecker
Lange wollten die Sparkassen mit dem Angebot Yomo eine Smartphone-Banking-Lösung nach dem Vorbild von N26 und Co. etablieren – und theoretisch hätte das auch ein Befreiungsschlag für die Sparkassen werden können. Doch jetzt ist klar: Das Angebot, das Verantwortliche so lange über den grünen Klee gelobt hatten, bis in der Branche niemand mehr an dessen Erfolg glaubte, ist eine Bruchlandung geworden. Ein Nachruf von Tobias Weidemann – über das Ende eines Projekts, das eine Verjüngungskur hätte werden können und das mit seinem Scheitern etwas über eine Bankengruppe aussagt, die den Anschluss an die junge Zielgruppe zu verlieren droht.
Egal mit wem von den Sparkassen-Verantwortlichen man in den letzten Monaten sprach: Yomo, das mehrfach gelaunchte digitale Konto für jüngere Zielgruppen, war fast immer Thema. Nein, versicherte man auch uns mehrfach auf Nachfrage, das Konto sei in einer neuen Version schon seit Anfang 2019 am Markt und man könne es ja bei einigen Sparkassen bereits buchen.12 von 380 Sparkassen wollten – 100 prüfen
Doch unterm Strich waren das verschwindend wenige: „Zwölf Sparkassen sind aktiv, über 100 weitere prüfen die Einführung“, hieß es auf explizite Nachfrage von IT-Finanzmagazin im Herbst vergangenen Jahres. Schon das hatte viele Marktbeobachter misstrauisch gemacht. Sofern die Sparkasse vor Ort nicht teilnehme – das ist bei 12 aus 380 eher die Regel als die Ausnahme – könne man das Konto bei der nächst teilnehmenden Sparkasse abschließen.
Lange wurde die PSD2 als Grund für die eher schleppende Verbreitung von Yomo und vor allem von den Zusatzfunktionen Yomo+ ins Feld geführt. Das Entwicklerteam habe sich deswegen zunächst auf die doch komplexe Umsetzung der neuen regulatorischen Vorgaben fokussiert, erklärte man uns. Das beträfe ja nur die Zusatzdienste von Yomo+, man müsse sich folglich mit der von der Stiftung Warentest für gut befundenen Sparkassen-App hinter den Mitbewerbern der Digitalbanken nicht verstecken. Sehen so technologische Vorreiter aus?
Sparkasse tritt die Bremse: „Yomo ist eine App, kein Konto“
Jetzt berichtet das Handelsblatt das, was inzwischen niemanden wirklich verwundert: Die Sparkassen verabschieden sich von der konzertierten Einführung eines jungen Smartphone-Kontos aka Yomo. Das erklären die Sparkassen in einem internen Rundschreiben der DSGV.
Yomo ist eine App, kein Konto. Anstatt einer Verknüpfung mit einem dezidierten Yomo-Konto (App = Konto) rückt Yomo künftig näher an die Sparkasse und kann jedes Sparkassen-Girokonto abbilden (App = Infrastruktur).“
Aus einem DSGV-Runschreiben
Das klang kurz vor Weihnachten allerdings noch gänzlich anders: „Wir haben in der Beta-Phase gute Erfahrungen damit gemacht, das Feedback der Nutzer in die Entwicklung mit einzubeziehen und wollen das beibehalten. Vielleicht sieht Yomo dann nächstes Jahr schon ganz anders aus“, hatte uns DSGV-Vorstandsmitglied Dr. Joachim Schmalzl im Interview erklärt.
Dass es allerdings so anders aussehen könnte, hatten wir dem nicht entnommen. Und auch die Erklärung, dass die Yomo-Erfahrungen ja schließlich auch gut für andere Produkte des Hauses sein könnten, klingt eher nach Schönreden eines Scheiterns.
Junge Menschen, die einerseits der Sparkasse (und ihrem zweifellos großen Angebot an Geldautomaten) die Treue halten wollen, andererseits aber auch ein zeitgemäßes Neobank-ähnliches Konto benötigen, werden in Zukunft also weiterhin ihr gutes altes Girokonto nutzen und nur darauf hoffen können, dass ihre Sparkasse die bestehende Yomo-App unterstützt und nutzt. Das ist unwahrscheinlich, denn seit vor gut vier Jahren ein Dutzend Sparkassen den Vorstoß machten, ein N26-ähnliches App-Konto zu entwickeln, ist das Projekt nie so richtig in Fahrt gekommen. Erst unter dem Dach der Star Money, später bei der Finanzinformatik wurde offenbar nicht genügend dafür getan, um den schnellen Neobanken Paroli zu bieten und wohl auch nicht genug, um die restlichen Institute zu überzeugen.
Sparkassen standen eher halbherzig zu Yomo
Wie viele Sparkassen sich zwischenzeitlich noch an Yomo (Yomo steht für „Your Money“) beteiligen wollten, ist unklar, es soll aber nur noch ein Bruchteil der rund 380 deutschen Sparkassen gewesen sein. Und das Interesse habe mehr und mehr nachgelassen, je länger das Produkt in dieser gefühlten Dauer-Beta-Phase am Markt war. Auch in einem Gespräch vor Weihnachten 2019 wollte uns die Sparkassen-Finanzgruppe dazu keine genaueren Angaben machen, machte eher Andeutungen, dass man sich mit voice-driven banking und KI-gestützten Ideen befasse.
All das sind Ideen, die in anderen Bankhäusern auch verfolgt werden. Was man Ende letzten Jahres aber schon recht gut aus den ausweichenden Antworten herauslesen konnte, war die Halbherzigkeit, mit der man das Projekt Yomo noch verfolgte. Offen sagen wollte dies freilich niemand, aber zumindest an der Basis verdrehte man beim Nennen des Begriffs schon länger die Augen.
Was bleibt ist ein Projekt, das der guten alten Sparkasse wenig Ruhm, Ehre und Street Credibility gebracht hat. Dabei hätte die Sparkasse auch bei den jüngeren Zielgruppen gar keine schlechten Karten: Verwurzelt in den Städten und Vereinen, in den Schulen und Kindergärten (soweit noch erlaubt), mit Marketing-Maßnahmen von Knax-Heft bis Bandwettbewerb, gibt es wohl keine Bankengruppe, die man in der realen Welt so handfest zu Gesicht bekommt.
Rund 35 Millionen Girokonten betreiben die deutschen Sparkassen noch – und wären damit ein echtes Dickschiff im Markt. Sie könnten etwas bewegen, vielmehr sie hätten gekonnt – aber sie scheiterten mit Yomo in einer Art und Weise, die zeigt, wie sehr die Sparkassenwelt gerade im Privatkundengeschäft in einer Welt verhaftet ist, die es so nicht mehr gibt.“
Tobias Weidemann, IT-Finanzmagazin
Tobias Weidemann ist Redakteur und Berater für Content, Kommunikation und digitale Ideen. Arbeitet für Redaktionen, Agenturen und Unternehmen zu Technik- und Wirtschaftsthemen. Interessiert sich für Trends in E-Commerce und Online-Marketing, digitaler Transformation und Industrie 4.0 sowie FinTech und Security. Ist als Netzjournalist in sozialen Netzen, auf Konferenzen und Barcamps unterwegs.
N26 (und etliche andere kleinere Neobanken) haben aber einen Vorteil: Sie sind im Netz zuhause – wie auch die Zielgruppe – und denken ein neues Produkt von den Bedürfnissen des Kunden her und nicht aus einer regional fragmentierten Sparkassenwelt, die schon von ihrem Geschäftsmodell her kaum noch in die heutige Zeit mit Niedrigzinsen und Filialsterben passen will. Denn quasi als Tüpfelchen auf dem S stolpern die Sparkassen bei solchen Projekten regelmäßig über die ihnen eigene Kleinstaaterei.
Sparkassen und die Jugend: Knax-Hefte allein reichen nicht
Und so werden die Digitalbanken wie N26, Revolut und Wirecard / Boon, aber auch Direktbanken wie die ING, die DKB und die Comdirect über die nächsten Jahre weiterhin den Sparkassen und anderen Altbanken mit großem Filialnetz Kunden abjagen. Denn auch wenn die Sparkassen in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro in die Digitalisierung investieren, wird das ihre Probleme nur dann nachhaltig lösen können, wenn sie nicht nur unter der Haube ihre IT auf Vordermann bringen, sondern auch im Frontend Antworten auf die Fragen der jungen Kunden präsentieren können. Knax-Hefte sind ein guter Start, sie reichen aber nicht aus, um der Kundschaft von morgen, die Paypal und Klarna als Maßstab nimmt, das angestaubte rote Girokonto zu verkaufen – auch dann nicht, wenn die Sparkassen-App im Test der Stiftung Warentest den Testsieg errungen hat. tw
Mehr dazu: Ein „Für-alle-Sparkassen“-Yomo? Das ist nicht die schlechteste Idee … der Kommentar
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