COVID-19-Krise – Brandbeschleuniger für Finanzbetrug und Geldwäsche?
In diesem Stadium der COVID-19-Krise ist noch nicht ganz klar, ob das Bedrohungspotenzial bezüglich Finanzkriminalität zugenommen hat. Was wir jedoch sagen können ist, dass die Betrüger solche Gelegenheiten nutzen und dass für sie die COVID-19-Krise lediglich eine weitere Betrugschance zur Geldwäsche darstellt. Während der COVID-19-Krise haben bereits viele Menschen Arbeit und Einkommen verloren. Betrüger nutzen die damit einhergehenden Herausforderungen für ihre Machenschaften. Sie täuschen zum Beispiel besonders anfällige Menschen mit Informationen per E-Mail zum Coronavirus, die angeblich von Ärzten, Krankenhäusern oder Regierungsstellen stammen, aber mit Schadprogrammen infiziert sind.
von Gary Kalish, Senior Financial Crime Prevention Consultant, BAE Systems
Finanzinstitutionen müssen sicherstellen, dass sie ihre Kontrollen aufrechterhalten und wo nötig verstärken, um die Konten und Gelder ihrer Kunden zu schützen. Die Herausforderung wird durch die zunehmende Digitalisierung und den geringeren direkten Kundenkontakt noch größer. Banken und Versicherungen müssen schnell neue Verfahren entwickeln und interne Abläufe anpassen, um negative Auswirkungen in ihren Beziehungen zu den Kunden und für andere Geschäftsbereiche zu minimieren. Nur so werden sie in diesem neuen Umfeld bestehen können.Etablierte Finanzinstitutionen genauso betroffen wie FinTechs
Etablierte Finanzinstitutionen sind von der potenziellen zusätzlichen Bedrohung, die von der COVID-19-Pandemie verursacht wird, genauso betroffen wie die FinTechs. Die FinTechs haben jedoch den Vorteil, dass es ihnen leichter fallen dürfte, ihre Kontrollmechanismen und ihre digitale Infrastruktur an die neue Situation anzupassen, als den etablierten Banken und Versicherungen, da diese über eine viel komplexere Infrastruktur verfügen. Aber letztlich werden sowohl die Etablierten als auch die Herausforderer ihre Prozesse und Kontrollen anpassen und gegebenenfalls verbessern müssen.
Gefahren durch Finanzkriminalität
Unabhängig von der COVID-19-Krise ist es nützlich, einen genaueren Blick auf den Bereich der Finanzkriminalität zu werfen. Der Bereich der Finanzkriminalität umfasst Finanzbetrug in allen Spielarten wie Bestechung, Korruption und Insiderhandel sowie Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Verstöße gegen Sanktionen, ebenso wie Marktmissbrauch und viele weitere Vergehen.
Letztlich geht es darum, dass sich die Betrüger unrechtmäßig bereichern. Und häufig möchten sie die durch Straftaten erbeuteten Erträge waschen, um diese legitim erscheinen zu lassen.”
Der Umfang der durch Geldwäsche erwirtschafteten Erträge ist nicht bekannt. In Großbritannien geht man davon aus, dass er sich jährlich auf Hunderte Milliarden Pfund beläuft.
Die Finanzinstitute sehen sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, wenn sie versuchen, Geldwäsche innerhalb ihrer Unternehmen aufzudecken und zu verhindern. In den letzten Jahren haben die Regulierungsbehörden ihre Kontrolle über die Systeme und Kontrollen von Unternehmen in diesem Bereich verstärkt und dort, wo sie sich als mangelhaft erwiesen haben, erhebliche Geldstrafen verhängt. Diese Bußgelder sind kontinuierlich gestiegen und belaufen sich mittlerweile auf Hunderte von Millionen und sogar Milliarden Dollar.
Die staatlichen Regulierungsbehörden haben dies erkannt und regulatorische Anforderungen gestellt, die neue Marktteilnehmer wie die Anbieter von Online-Börsen für Kryptowährungen ebenso wie andere Finanzorganisationen erfüllen müssen. Angesichts dieser Herausforderungen sind Finanzinstitutionen ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, die Effektivität und Effizienz ihrer Systeme und Kontrollen zu verbessern, um so ihre Risiken zu minimieren. Das regulatorische Umfeld wird sich mit dem technologischen Wandel weiter entwickeln. Sowohl die Aufsichtsbehörden als auch die Unternehmen müssen damit Schritt halten.
Strategien der Geldwäscher
Eine große Herausforderung bezüglich Geldwäsche sind weiterhin die sogenannten Money Mules (auf Deutsch: Geldesel oder Geldkurier). Hinzu kommen komplexere Methoden wie das sogenannte Trade-Based Money Laundering (TBML), also die handelsbasierte Geldwäsche und die Geldwäsche mit Hilfe von Wertpapieren.
Wenn man die Herausforderung durch die Geldkuriere etwas genauer betrachtet, muss man sich vor Augen halten, dass es zwei verschiedene Arten gibt, nämlich diejenigen, die sich wissentlich als Geldkurier zur Verfügung stellen und diejenigen, die sich unwissentlich schuldig machen. Die Art und Weise, wie Finanzinstitutionen dagegen vorgehen, wird sich danach richten, um welche Art von Vergehen es sich handelt.
Im Fall derer, die sich wissentlich als Geldkurier zur Verfügung stellen, müssen Unternehmen prüfen, ob diese speziell für die Kontoeröffnung und für die Geldwäsche angeworben wurden. Haben Einzelpersonen ihre Kontendaten Betrügern wissentlich zur Verfügung gestellt, damit sie für Geldwäsche verwendet werden können? In diesem Fall werden die Finanzinstitutionen sich bemühen müssen, diese Konten so schnell wie möglich zu identifizieren und zu schließen, um so ihre Risiken zu minimieren.
Wie sollen die Finanzinstitutionen im Fall der Geldkuriere vorgehen, die sich unwissentlich schuldig gemacht haben, zum Beispiel weil sie selbst getäuscht wurden und ihnen vorgetäuscht wurde, sie könnten leicht zu Geld kommen, etwa indem sie jemandem erlauben ihre Konten zu nutzen? In diesem Fall könnte eine Bank, die die Kundenbeziehung aufrechterhalten möchte, es mit Aufklärung versuchen. Der betreffenden Person könnte vorgeschlagen werden, dass das kompromittierte Konto geschlossen und gleichzeitig ein neues Konto eröffnet wird. Außerdem könnte der Kunde über die Rolle eines Geldkuriers und die damit verbundenen potenziellen Risiken aufgeklärt werden.
Letztlich müssen Unternehmen wachsam bleiben, ohne jedoch die Bedürfnisse des Großteils der Kunden, der nicht an kriminellen Aktivitäten beteiligt ist oder damit in Verbindung steht, zu vernachlässigen.
Finanzbetrug durch Informationsaustausch bekämpfen
Damit Unternehmen die Risiken, denen sie ausgesetzt sind, besser verstehen, müssen sie die ihnen zur Verfügung stehenden Daten und Informationen besser nutzen. Der Austausch von Daten und Informationen würde dies erleichtern. Dies kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Informationsaustausch kann auf der Ebene von hoch aggregierten statistischen Daten erfolgen und zum besseren Verständnis von Typologien und Methoden genutzt werden.
Informationsaustausch kann aber auch auf der Ebene detaillierter Informationen erfolgen, zum Beispiel, um eine Ermittlung zu unterstützen und letztlich zur Festnahme und Zerschlagung kriminellen Banden beizutragen.”
Die Herausforderung besteht darin, dass die Daten und Informationen derzeit auf mehrere Bereiche verteilt sind. Sie liegen zum Beispiel innerhalb von Unternehmen in verschiedenen Bereichen vor, wenn diese in mehreren Ländern mit unterschiedlichen Rechtsordnungen tätig sind. Außerdem fließen Daten und Informationen zwischen Unternehmen, etwa wenn Finanztransaktionen über mehrere Unternehmen hinweg stattfinden. Dabei sieht dann jedes dieser Unternehmen Daten im Zusammenhang mit einer Transaktion, hat aber möglicherweise nicht alle relevanten Informationen im Blick. Und schließlich liegen sowohl im öffentlichen Sektor, etwa den Strafverfolgungs- und Regulierungsbehörden, und im privaten Sektor bei den Finanzinstituten Daten und Informationen vor, die aber nicht immer ausgetauscht werden.
Es gibt bereits Elemente eines Informationsaustausches in diesen Bereichen. Die Mechanismen und Prozesse beim Informationsaustausch müssen jedoch verbessert werden, um dessen Effektivität und Effizienz zu erhöhen. Darüber hinaus müssen wir die Situation sowohl mit Blick auf die regulatorischen als auch auf die rechtlichen Vorgaben betrachten. Finanzinstitutionen sehen sich vor der Herausforderung, dass sie nicht immer genau wissen, was mit wem geteilt werden kann und was nicht. Es bleibt ein Balanceakt sicherzustellen, dass einerseits die Privatsphäre der Kunden gewahrt bleibt und andererseits betrügerische Aktivitäten aufgedeckt und verhindert werden.
Außerdem muss klarer werden, weshalb es eines Informationsaustauschs bedarf. Datenschutz ist für alle wichtig. Daten können in falsche Hände geraten. In vielen Situationen sehen Finanzinstitutionen möglicherweise nur eine Seite einer Transaktion oder sie sehen Kunden lediglich in Teilaspekten und ohne Kontext. Die gemeinsame Nutzung von Daten zur Erstellung eines ganzheitlichen Bildes und zur Darstellung des weiteren Kontextes kann jedoch auf ungewöhnliches oder potenziell verdächtiges Verhalten aufmerksam machen. Durch den sorgfältigen Einsatz von Technologie, Prozessen und Richtlinien können Kunden und Daten geschützt werden. Dann werden nur die Fälle, bei denen verdächtige Aktivitäten festgestellt werden, eskaliert und mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet. Wenn wir Finanzbetrug wirksam bekämpfen wollen, müssen wir die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor weiter verbessern. Dies wird uns ein ganzheitlicheres Bild von Finanzbetrug verschaffen und damit die Gefahren durch Finanzkriminalität, denen wir alle ausgesetzt sind, verringern.Gary Kalish, BAE Systems
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/104500
Schreiben Sie einen Kommentar