Commerzbank 5.0: Das sind die Details zur Umstrukturierung
Schon vor rund einer Woche waren erste Details zum Umbau bei der Commerzbank durchgesickert. Jetzt hat der Aufsichtsrat der Großbank die zahlreichen Maßnahmen verabschiedet, die den Konzern in den nächsten Jahren erschüttern werden. Fest steht jetzt: Mit der neuen Strategie investiert die Bank in technologische Innovation und in ihr Kerngeschäft – das wird Arbeitsplätze kosten, aber auch neue schaffen, insbesondere im technologischen und IT-Kontext. Damit beschleunigt sie die Digitalisierung, schafft Wachstum und erhöht ihre Effizienz.
Eine „Commerzbank 5.0” soll es werden, eine Investition in Technologie und eine Konsolidierung des Filialgeschäfts. Unterm Strich werden die nächsten Jahre wohl weder für die Mitarbeiter noch für die Kunden der Commerzbank-Gruppe ein Zuckerschlecken. Erstere werden sich auf Einschnitte und Rationalisierungen einrichten müssen, Letztere auf steigende Gebühren. Auf der anderen Seite stehen individuellere Preismodelle, die dem Preiskampf in der Bankenwelt Rechnung tragen sollen.Volle Kraft voraus auf Mobile
„Im Segment Privat- und Unternehmerkunden setzt die Commerzbank vor allem auf einen zügigen Ausbau des Mobile Bankings.“ Was nach einer guten Nachricht für digital-affine Kunden klingt, bedeutet aber auch, dass künftig nur noch rund 800 Filialen übrig bleiben sollen – jede fünfte Filiale wird dabei geschlossen. Und auch die Filialen, die von Seiten des Unternehmens als geschäftsrelevant bewertet werde, müssen nicht alle in der gewohnten Form bestehen bleiben. Reichlich Veränderungen diesbezüglich hatte es ja schon mit Übernahme der Dresdner Bank gegeben. Das alles kommt wenig überraschend. Dass die eingesparten Kosten den Kunden zugutekommen, ist indes nicht sicher: „Künftig wird die Commerzbank zudem Leistungen differenzierter bepreisen“, heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens.
Umstellen müssen sich auch die Kunden und Mitarbeiter der Comdirect. Diese wird enger in die Commerzbank-Struktur integriert. Die bisherige Freiheit gegenüber dem Mutterhaus, die über Jahre dazu geführt hat, dass das Team aus Quickborn Innovationen vorantreiben konnte, die nicht überall möglich gewesen wären, könnte dabei ganz oder teilweise auf der Strecke bleiben. Immerhin soll die fortschreitende Digitalisierung und eine effizientere Plattform größere Freiräume im Vertrieb eröffnen – Freiräume, die die Commerzbank in einer gewandelten Bankenwelt auch dringend brauchen wird. Denn es wird nicht nur darum gehen, Kunden zu gewinnen, sondern vermehrt auch darum, die bestehenden Kunden bei Laune zu halten und zufriedenzustellen und die Kundenbeziehung zu intensivieren.
Comdirect hat über die Jahre Maßstäbe gesetzt
Die Comdirect sollte hier vorsichtig agieren. Denn das, was das Team in Quickborn in den letzten Jahren aufgebaut hat, ist über die Grenzen des eigenen Hauses hinaus als innovativ angesehen. Und auch, wenn das Institut regelmäßig mit Depotübertragsprämien und Begrüßungsgeld auf Kundenfang geht, sind über die Jahre offenbar zahlreiche Kunden dabei geblieben. Egal ob bei der Entwicklung der Kunden-App, bei bestimmten Spezial-Features wie beispielsweise der chatbasierten Überweisungsvorlage oder der sprachbasierten Überweisung, aber auch bei Affiliate-Programmen rund um Zusatzangebote der Bank – und nicht zuletzt bei der Kundenbetreuung – hat die Comdirect über die Jahre Maßstäbe gesetzt, die dem Vernehmen nach auch in Frankfurt nicht unbemerkt geblieben sind. Die Direktbanktochter jetzt zu sehr zu stutzen und innerhalb der Commerzbank-Gruppe zu nivellieren, wäre ein Weg in die falsche Richtung, der unterm Strich für alle Beteiligten teuer werden könnte.
Im Rahmen des Strategieprogramms wird die Bank insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro in die Digitalisierung und in die weitere Verbesserung ihrer Kosteneffizienz investieren. Hiervon fließen 750 Millionen Euro als zusätzliche Mittel in die Digitalisierung, die IT-Infrastruktur und in Wachstum. Die verbleibenden 850 Millionen Euro entfallen auf Restrukturierungskosten für den geplanten Abbau von brutto 4.300 und netto 2.300 Vollzeitstellen sowie für die angekündigten Anpassungen im Filialnetz. Quasi nebenbei aus Sicht der deutschen Bankenlandschaft wird die Mehrheitsbeteiligung an der mBank S.A. („mBank“) in Polen damit einhergehen – ein Schritt, der für die Commerzbank die finanziellen Spielräume bringen soll, die jetzt benötigt werden.
Mit Commerzbank 5.0 machen wir die Bank wetterfest. Wir stellen sie so auf, dass sie auch in einem schwierigen Marktumfeld mit ihren Kunden erfolgreich ist. Das bedeutet: Wir verringern unsere Kostenbasis deutlich. Gleichzeitig investieren wir kräftig in den Vertrieb und eine schnellere Digitalisierung.”
Martin Zielke, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank
Konsequentes Erforschen der Kundeninteressen
Im Segment Privat- und Unternehmerkunden setzt die Bank mit einer „Mobile first“-Strategie auf den konsequenten Ausbau des Mobile Bankings. Schon heute entfallen 1,2 Millionen der täglich insgesamt 1,7 Millionen Kundenkontakte auf die Kanäle mobil und online. Durch die erwartete stärkere Nutzung des Mobilkanals will die Commerzbank künftig deutlich mehr Datenpunkte gewinnen und damit weitere Geschäftspotenziale erschließen. Will sagen: Die Commerzbank hat verstanden, dass die Customer Journey und datengetriebene Verfahren dazu führen können, dass man den Kunden besser versteht.
Eine Gratwanderung wird es allerdings sein, den auf Privatsphäre und Datenschutz bedachten Kunden mit dem verstärkten Einsatz von Algorithmen nicht zu verschrecken. Denn was man bei Amazon, Ebay und Co. als selbstverständlich voraussetzt, muss man bei seiner Bank nicht wollen. Wer beispielsweise einmal den sprachbasierten Chatbot des Hauses probiert hat, dürfte festgestellt haben, dass hier noch viel Luft nach oben ist und selbst einfache Sprachbefehle nicht korrekt erkannt oder zugeordnet wurden. Das überzeugt den Kunden meist wenig. Und auch die intensivere Nutzung von Algorithmen und Daten zur Erhöhung der Effizienz in der weiteren Neukundengewinnung muss mit viel Bedacht angegangen werden.
Wir werden im Rahmen von Commerzbank 5.0 insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro in die Digitalisierung und in die weitere Verbesserung unserer Kosteneffizienz investieren. In einem Marktumfeld, das sich absehbar weiter verschärfen wird, setzen wir uns realistische Renditeziele.”
Stephan Engels, Finanzvorstand Commerzbank
Einiges ändern dürfte sich für die Kunden auch beim Pricing: Die Bank führt eine neue Preisstrategie ein und gibt den Kunden dadurch beim Leistungs- und Preisangebot mehr Wahlmöglichkeiten. Konkret wird das Basisangebot durch ein modulares Angebot ergänzt. Bei kostenlosen Basisprodukten wird künftig im Sinne einer Fair-Use-Policy auch Inaktivität bepreist. Das klingt nach einem Schritt in Richtung der preissensitiven Kunden, die bei digitalen Neobanken auf No-Frills-Angebote setzen.
Bündelung der digitalen Kompetenzen durch Integration der Comdirect
Das Geschäft mit Privat- und Unternehmerkunden soll zudem durch die geplante Integration der Comdirect in die Commerzbank gestärkt werden. Die Commerzbank will die hohe digitale Kompetenz der Comdirect damit unmittelbar und noch stärker als bisher für den gesamten Konzern nutzen. Die Comdirect soll Teil einer starken, innovativen Multikanalbank werden. Sie kann dadurch zusätzlich von Skaleneffekten und Wachstumsmöglichkeiten im Konzern profitieren. Immerhin will man so offenbar die Expertise und Innovationskraft der Comdirect zukünftig auch den Kunden der Commerzbank zugänglich machen. Bei einigen Payment-Lösungen hatten ja die Comdirect-Kunden im vergangenen Jahr deutlich früher zugreifen können als die der Commerzbank und auch bei Funktionalitäten im Online-Banking war die Comdirect dem Mutterhaus in den letzten Jahren meist einige Schritte voraus.
Diese anerkannte Expertise will die Commerzbank künftig für alle Kunden zugänglich machen. Für die Kunden der Comdirect soll das gewohnte Leistungsangebot erhalten bleiben, während sie künftig zusätzlich von der Filialpräsenz der Commerzbank profitieren. Im Gegenzug könnten Commerzbank-Kunden Zugang zum ausgezeichneten Brokerage-Angebot der comdirect erhalten, das unter der gleichen Produktmarke weitergeführt wird.”
Pressemitteilung der Commerzbank
Im Firmenkundengeschäft will man zudem die Effizienz der Plattformen erhöhen und konsolidieren. So sollen künftig so viele internationale Buchungen wie möglich auf der deutschen IT-Plattform vorgenommen werden. Des Weiteren ist eine stärkere Auslastung der Plattformen durch Neugeschäft geplant. Wenig konkret sind die Aussagen der Commerzbank bisher noch in Sachen IT-Strategie. Mit den Investitionen in die fortschreitende Modernisierung der konzernweiten IT-Infrastruktur will die Bank ihre IT-Kosten auf 1 Milliarde Euro reduzieren. Hier dürfte insbesondere die Integration der Comdirect Synergieeffekte bringen. Und auch die neue Cloud-Strategie der Commerzbank – wir sprachen dazu diese Woche mit Christian Pfeiffer, dem Managing Director für den Cluster Cloud Foundation bei der Commerzbank – wird einerseits eine gezielte Skalierbarkeit und Kosteneinsparungen bringen.
Passend zum aktuellen Zeitgeist hat sich die Commerzbank zudem mehr Nachhaltigkeit und Ökologie als Wert verordnet: „Die Bank wird künftig noch ambitionierter in Fragen der Nachhaltigkeit und Ökologie und verfolgt das Erreichen der Pariser Klimaziele noch offensiver. Bereits heute agiert die Commerzbank klimaneutral. Zudem hat sie vor Kurzem als einer der weltweiten Erstunterzeichner die UN Responsible Banking Principles unterschrieben. Aus dieser konsequenten Haltung erwachsen auch Geschäftspotenziale: Die Commerzbank unterstützt ihre Kunden künftig zusätzlich mit einem grüneren Produktangebot besser auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.“ Man wird in Zukunft das Unternehmen an solcherlei Zielevorgabn messen können (und wir werden hier in einigen Monaten noch einmal vergleichen – und herausfinden, ob es sich dabei um mehr handelt, als um ein dem aktuellen gesellschaftlichen Trend geschuldetes Lippenbekenntnis.tw
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