Between the Towers: Einblicke und Ausblicke beim neosfer Jahresrückblick 2023
Mit dem Dezember beginnt die Zeit der Jahresrückblicke. Neosfer, die Innovations- und Investmenteinheit der Commerzbank, lud zum Jahresausklang zu einem Live-Event in Frankfurt ein, das die Entwicklungen und Tendenzen des Jahres beim Bereich FinTech Revue passieren ließ.
von Dirk Emminger
Der erste #BTT ist nun schon fast 1 Jahrzehnt alt
In den neun Jahren seit dem ersten Between the Towers (Website) hat sich das Format zu einem hybriden Event entwickelt, das neben der Präsenzveranstaltung auch Streaming-Optionen via LinkedIn und in der Decentraland Lounge anbietet. Rund 80 Gäste waren vor Ort, um den drei Impulsvorträgen zu lauschen. Nach einer Begrüßung durch Geschäftsführer Kai Werner wurde die Bühne für drei Vorträge freigegeben.
Let´s call it a year – Stammgast Jochen Siegert
Die Eröffnung des Vortrags thematisierte die Zinswende und deren Auswirkungen auf das FinTech-Segment. Es wurde hervorgehoben, dass Unternehmen wie Raisin, Bitpanda und Trade Republic einen Nutzen aus der Veränderung des Zinsniveaus ziehen konnten. Andererseits standen viele Firmen vor erheblichen Herausforderungen, darunter Fragen der Rentabilität, reduzierte Unternehmensbewertungen und die Zunahme von Insolvenzen innerhalb des Sektors.
Im Jahr 2023 wurde deutlich, dass solide Geschäftsmodelle und echte Marktdurchdringung das Fundament für langfristigen Erfolg darstellen, nicht die Anzahl der gewonnenen Auszeichnungen – denn “Awards kaufen kein Business”.
Als ehemalige Vorreiter im Bereich der Finanztechnologie hatten Unternehmen wie Elinvar, Finleap Connect und NDigit mit der Herausforderung zu kämpfen, dass ihre innovativen Ansätze mittlerweile von etablierten Finanzakteuren aufgegriffen und standardisiert wurden.
Jochen Siegert betrachtet den Einbruch der Bewertungen/Kurse großer FinTech-Player wie Worldline, Adyen und Nexi kritisch. Diese Unternehmen, die oft als potenzielle Übernahmekandidaten für innovative B2B-FinTechs galten, wurden im Jahr 2023 in Bezug auf ihre Marktkapitalisierung stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Aussicht auf Übernahmen durch diese großen Akteure zu attraktiven Bewertungen hat sich damit stark verändert; nun scheinen Akquisitionen nur noch zu deutlich realistischeren, sprich geringeren, Bewertungen möglich zu sein. Das erhöht auch wieder den Druck auf die Funding-Runden. Er äußerte sich zurückhaltend zum aktuellen AI-Hype in der Bankenbranche und verglich die enthusiastischen Aussagen von Bankern über Künstliche Intelligenz mit den früheren, oft übertriebenen Erwartungen an die Blockchain-Technologie, von denen sich viele nicht erfüllt haben.
9 zu 1 für Berlin – Frankfurt – you can do better
Seinem Vortrag schloss der Bonner und Teilzeit-Berliner mit einem Aufruf zu mehr Engagement für den FinTech-Standort Frankfurt. Er untermauerte seine Forderung, indem er die Preisverleihung beim FinTech Triple in Berlin reflektierte, bei der unter den Gewinnern nur ein einziges Unternehmen aus Frankfurt, aber neun aus Berlin waren – ein Umstand, der in Frankfurt Ansporn für mehr Dynamik und Sichtbarkeit sein sollte.
ESG Showcase und Künstliche Intelligenz dürfen 2023 nicht fehlen
Der Abend wurde durch Christian Schröder von der Advisori FTC GmbH fortgesetzt, der als Sponsor Einblicke in die Welt der Environmental Social Governance gab. Sein Vortrag beleuchtete die Herausforderungen bei der Integration externer Datenquellen, der Entwicklung von ESG-Bewertungsmodellen und den Anforderungen an das Reporting. Anhand eines Showcases im Bereich der Retail-Kreditvergabe verdeutlichte die Frankfurter Firma den praktischen Umgang mit diesen Herausforderungen.
Florian Baumert von Google rundete den Abend ab, indem er die Bedeutung der Nachhaltigkeit und Sicherheit von KI in den Fokus rückte und damit den zunehmenden Trend zu einer verantwortungsbewussten Technologieentwicklung unterstrich.
Künstliche Intelligenz, insbesondere durch die Popularität von Large Language Models (LLMs), hat sich zu einem vorwiegend Consumer-getriebenen Phänomen entwickelt, das die Technologie erstmals in einer breiteren und sichtbaren Form präsentiert. Das dabei entstehende FOMO (Fear Of Missing Out) treibt Unternehmen aller Größenordnungen an, in KI zu investieren, aus Angst, ohne ein tiefgreifendes Verständnis dieser Schlüsseltechnologie das eigene Geschäft zu riskieren.
In der Zukunft wird die Technologie selbst die Tragfähigkeit langfristiger Anwendungsfälle definieren müssen. Dann wird sich zeigen, ob KI tatsächlich als das digitale Schweizer Taschenmesser betrachtet werden kann, das vielfältige Probleme löst, oder ob ihre Anwendungen spezifischer und begrenzter sind, als es der gegenwärtige Hype vermuten lässt.
Generative KI hat sich als bahnbrechende Technologie etabliert, die über den traditionellen Gartner Hype Cycle hinausgeht, indem sie die Erwartungen übertrifft und in verschiedenen Branchen vielfältige Anwendungsmöglichkeiten aufzeigt. Trotz des rasanten Fortschritts der generativen KI bleiben die Themen Sicherheit und langfristige Produktivität durch und mit KI, kritische Punkte. Die durch die Pandemie erlernte „kurzfristige“ Flexibilität im Umgang mit neuen Technologien erweist sich weiterhin als unerlässlich. In Anbetracht der zunehmenden Komplexität von KI-Ökosystemen ist es unerlässlich, die während der Pandemie entwickelte Flexibilität langfristig zu wahren. Diese Systeme erfordern kontinuierlich ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit aber auch ein ausgeprägtes Sicherheitsbewusstsein.
Positives Fazit des Abends und wir sehen uns in 2024
Der Abschluss des “Between the Towers” Jahresrückblick 2023 zeigte deutlich, dass die Veranstaltung nichts von ihrer Relevanz verloren, sich aber auch verändert hat. Es ist längst kein monatliches Großevent mehr, und die Teilnehmerzahlen spiegeln eine gewandelte Realität wider, die nicht mehr an die Zeiten vor der Pandemie anknüpfen kann bzw. will. Auch wenn es bei einem Jahresrückblick kein Pitch Event gibt, war spürbar, dass die Anzahl der anwesenden Gründer/FinTechs geringer war als erwartet. Zugleich war auch ein deutlicher Rückgang bei der Teilnahme der etablierten Banker zu verzeichnen, die einst eine Säule der Teilnehmer bildeten – ein Wandel, der die veränderte Atmosphäre der Veranstaltung hervorhebt.
Nichtsdestotrotz, das Networking funktionierte in gewohnter Manier, und hierfür verdient Neosfer Anerkennung, nicht nur für die Aufrechterhaltung, sondern auch für die erfolgreiche Weiterentwicklung dieses essentiellen Formats.
Auf dieser YouTube-Playlist kann der “neosfer Jahresrückblick 2023 von Kai Werner (neosfer)” gestreamt werden.Dirk Emminger
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