Bankprozesse: Organisatoren entwickeln sich zu Inhouse-Consultants
Deutschen Kreditinstituten steht ein Mentalitätswandel in der Bankorganisation bevor: Künftig müssen die Verantwortlichen auf Mitarbeiter bauen, die zwischen den Abteilungen vermitteln können und so eine Vielzahl von Projekten innerhalb der Bank stemmen. Die Zeit reiner Fachspezialisten in den Organisationsabteilungen geht zu Ende.
von Claudia Meier, Procedera Consult
Bereits heute geht die reale Aufgabenverteilung in der Bankorganisation über Prozessmanagement und die Pflege des Organisationshandbuchs hinaus. Inzwischen kümmern sich Bankorganisatoren beispielsweise auch um Rechtevergabe, Vertragsmanagement oder das Formularwesen (vgl. Abb. 1). In vielen Fällen treibt die Organisationsabteilung zudem die Bankentwicklung voran. Im Vordergrund stehen dabei klassische Projektmanagementaufgaben sowie zunehmend auch Multiprojekt- und Beschwerdemanagement. Viele Institute haben auf die neue Aufgabenvielfalt noch keine passende Antwort gefunden.Organisationsverantwortliche suchen frisches Zielbild
Claudia MeierClaudia Meier ist Inhaberin von Procedera Consult. Das Unternehmen berät seit 2008 Banken und Sparkassen zu den Schwerpunktthemen Bankorganisation und Organisationshandbuch.
Zuvor war Meier bei verschiedenen Banken in leitenden Positionen beschäftigt und hat dort Migrations- und Organisationsprojekte verantwortet.
Tatsächlich beschäftigen sich die Banken derzeit vornehmlich mit der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben. Angesichts der hohen Frequenz gesetzgeberischer Aktivitäten auf den Finanzmärkten bleibt dadurch kaum noch Zeit, um die externe Dynamik intern angemessen abzubilden. Die Bankenaufsicht bindet aktuell mehr als 75 Prozent aller verfügbaren Kapazitäten innerhalb der Organisationsabteilungen. Folgerichtig übernehmen die Organisatoren zunehmend Aufgaben, die im Zusammenhang mit Regulatorik anfallen. In der Praxis erfordert dies vermehrt Abstimmungen zwischen Fachabteilungen, IT und Rechtsabteilung, um Prozesse compliance-konform abzubilden oder diese etwa im Zuge von Prozessoptimierungen und -digitalisierung umzugestalten. Schleichend verändert sich damit die Jobbeschreibung für Bankorganisatoren. Vereinfacht gesagt, brauchen die Banken künftig aktive Prozessmanager, die als Inhouse-Consultants alle Fäden in der Hand halten und bei fachspezifischen Fragestellungen die jeweiligen Abteilungen ins Boot holen.
Bankorganisation 2.0: Methodenstarke Moderatoren
Zuvor war Meier bei verschiedenen Banken in leitenden Positionen beschäftigt und hat dort Migrations- und Organisationsprojekte verantwortet.
Aus bankanalytischer Sicht fordert dieser Veränderungsprozess vor allem zur Weiterbildung auf. Das zeigt ein Blick auf die Personalsituation heutiger Bankorganisationen: Drei von vier Mitarbeitern bringen berufliche Erfahrungen nur aus dem eigenen Haus mit (vgl. Abb. 2). Kollegen mit unternehmens- oder gar zusätzlich branchenübergreifendem Wissen sind eine Rarität – das ergibt sich aus den kumulierten Werten zur Berufserfahrung. Impulse von außen lassen sich so nur schwer aufnehmen. Insbesondere beim Thema „Change the Bank“ erweist sich veraltetes Methodenwissen als fatal. Fachabteilungen und IT gehen schnell von der Stange, wenn sie sich von den Bankorganisatoren unverstanden fühlen. Viele Banken setzen daher auf Fortbildungen in auf den ersten Blick fachfremden Kompetenzen wie Moderations- und Kommunikationstechniken. Doch genau auf diese Fähigkeiten kommt es bald an. Organisationsabteilungen können nicht mehr alles selbst erledigen. Sie brauchen angesichts zunehmender Komplexität bei Prozessen, IT-Anwendungen und rechtlichen Vorgaben Unterstützung aus den Abteilungen.
Neue Berufsperspektiven in der Bankorganisation
Ausgeprägte Soft-Skills spielen vor diesem Hintergrund eine immer wichtigere Rolle. Das hat noch einen ganz anderen Nebeneffekt: Die Bankorganisation öffnet sich. Bislang bestimmen vor allem Mitarbeiter, die in ihrem Bankleben schon viel gesehen haben und über einen großen Schatz an Organisationswissen verfügen, das Bild der Organisationsabteilung. Wenn der Methodenfokus den Wissensfokus ablöst, kommt es jedoch mehr auf integrative Fähigkeiten an und das Verständnis, Prozesse und Abläufe zu modellieren. Daraus ergeben sich für die Zukunft gänzlich neue Perspektiven für die eigene Berufswahl. Denn mit der Bankorganisation am Steuerrad gewinnt die Abteilung nicht nur an gesamtunternehmerischer Bedeutung, sondern bietet auch neue Gestaltungsmöglichkeiten für engagierte Mitarbeiter. Den Grundstein für eine funktionierende Bankorganisation können viele Institute übrigens selbst legen, indem sie die Organisationsabteilungen wieder zur Pflichtstation für Auszubildende machen. Bankfachliches Verständnis bleibt neben hoher Methodenkompetenz ein unverzichtbarer Baustein für mögliche Karrierewege in der Bankorganisation.aj
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